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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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erworben und wieder durch Arbeit verwerthet werden, die geistige
Güterwelt
. Die einzelne Kenntniß und Fähigkeit, als Produkt
geistiger Arbeit und wirthschaftlicher Verwendung, und als Moment
an der Produktion neuer Güter, ist das geistige Gut, das neben
seinem sittlichen auch einen sehr bestimmten wirthschaftlichen Werth
hat und daher sogar täglicher Gegenstand des Verkehrs sein kann.
Die Grundsätze und Gesetze, nach welchen diese geistigen Güter dem
Einzelnen durch die Mitarbeit Anderer erworben werden, bilden
die Pädagogik. Die formalen Regeln der Lehre sind in der
Methodologie enthalten. Der Proceß dieser Produktion des
geistigen Güterlebens ist die Bildung. Das sind lauter Begriffe,
welche noch im reinen Wesen der geistigen Persönlichkeit liegen.

So bald nun alle diese Verhältnisse und Aufgaben nicht mehr
durch Willkür und Neigung des Einzelnen, sondern durch den be-
wußten Willen der Gemeinschaft der Menschen bestimmt werden,
entsteht auch hier der Begriff und die Thätigkeit der Verwaltung
oder das Bildungswesen. Das Bildungswesen hat daher die Päda-
gogik, die Methodologie und den Begriff der Bildung voraus-
zusetzen
. Das Bildungswesen als Inhalt der Verwaltungslehre
hat seinerseits zur Aufgabe, die Gestalt der bildenden Arbeit als
bestimmten Inhalt des Willens des Staats und damit als Bil-
dungsrecht -- das öffentliche Recht der Ordnung für diese Bil-
dung -- aufzustellen. Das öffentliche Bildungswesen als Inhalt
der Verwaltungslehre muß daher in jenen an sich ganz freien und
oft rein willkürlichen Proceß der bildenden Arbeit und der Pro-
duktion der geistigen Güter eines Volkes feste Kategorien hinein-
bringen und bestimmte Gränzen und Grundbegriffe in dem Fluß
des geistigen Lebens aufstellen. Wenn daher die Pädagogik und
Methodologie lehren, wie die Bildung im Ganzen oder in ihren
einzelnen Gebieten erworben werden soll -- den, durch das Wesen
der Wissenschaft geforderten Proceß der Produktion der geistigen
Güter -- so lehrt das Verwaltungsrecht des Bildungswesens, wie
die Bildung durch die organisirte Thätigkeit der Gemeinschaft er-
worben wird. Während für Pädagogik und Methodologie die
Bildung als ein Werden und eine Arbeit erscheint, erscheint dieselbe

erworben und wieder durch Arbeit verwerthet werden, die geiſtige
Güterwelt
. Die einzelne Kenntniß und Fähigkeit, als Produkt
geiſtiger Arbeit und wirthſchaftlicher Verwendung, und als Moment
an der Produktion neuer Güter, iſt das geiſtige Gut, das neben
ſeinem ſittlichen auch einen ſehr beſtimmten wirthſchaftlichen Werth
hat und daher ſogar täglicher Gegenſtand des Verkehrs ſein kann.
Die Grundſätze und Geſetze, nach welchen dieſe geiſtigen Güter dem
Einzelnen durch die Mitarbeit Anderer erworben werden, bilden
die Pädagogik. Die formalen Regeln der Lehre ſind in der
Methodologie enthalten. Der Proceß dieſer Produktion des
geiſtigen Güterlebens iſt die Bildung. Das ſind lauter Begriffe,
welche noch im reinen Weſen der geiſtigen Perſönlichkeit liegen.

So bald nun alle dieſe Verhältniſſe und Aufgaben nicht mehr
durch Willkür und Neigung des Einzelnen, ſondern durch den be-
wußten Willen der Gemeinſchaft der Menſchen beſtimmt werden,
entſteht auch hier der Begriff und die Thätigkeit der Verwaltung
oder das Bildungsweſen. Das Bildungsweſen hat daher die Päda-
gogik, die Methodologie und den Begriff der Bildung voraus-
zuſetzen
. Das Bildungsweſen als Inhalt der Verwaltungslehre
hat ſeinerſeits zur Aufgabe, die Geſtalt der bildenden Arbeit als
beſtimmten Inhalt des Willens des Staats und damit als Bil-
dungsrecht — das öffentliche Recht der Ordnung für dieſe Bil-
dung — aufzuſtellen. Das öffentliche Bildungsweſen als Inhalt
der Verwaltungslehre muß daher in jenen an ſich ganz freien und
oft rein willkürlichen Proceß der bildenden Arbeit und der Pro-
duktion der geiſtigen Güter eines Volkes feſte Kategorien hinein-
bringen und beſtimmte Gränzen und Grundbegriffe in dem Fluß
des geiſtigen Lebens aufſtellen. Wenn daher die Pädagogik und
Methodologie lehren, wie die Bildung im Ganzen oder in ihren
einzelnen Gebieten erworben werden ſoll — den, durch das Weſen
der Wiſſenſchaft geforderten Proceß der Produktion der geiſtigen
Güter — ſo lehrt das Verwaltungsrecht des Bildungsweſens, wie
die Bildung durch die organiſirte Thätigkeit der Gemeinſchaft er-
worben wird. Während für Pädagogik und Methodologie die
Bildung als ein Werden und eine Arbeit erſcheint, erſcheint dieſelbe

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[XIX/0025] erworben und wieder durch Arbeit verwerthet werden, die geiſtige Güterwelt. Die einzelne Kenntniß und Fähigkeit, als Produkt geiſtiger Arbeit und wirthſchaftlicher Verwendung, und als Moment an der Produktion neuer Güter, iſt das geiſtige Gut, das neben ſeinem ſittlichen auch einen ſehr beſtimmten wirthſchaftlichen Werth hat und daher ſogar täglicher Gegenſtand des Verkehrs ſein kann. Die Grundſätze und Geſetze, nach welchen dieſe geiſtigen Güter dem Einzelnen durch die Mitarbeit Anderer erworben werden, bilden die Pädagogik. Die formalen Regeln der Lehre ſind in der Methodologie enthalten. Der Proceß dieſer Produktion des geiſtigen Güterlebens iſt die Bildung. Das ſind lauter Begriffe, welche noch im reinen Weſen der geiſtigen Perſönlichkeit liegen. So bald nun alle dieſe Verhältniſſe und Aufgaben nicht mehr durch Willkür und Neigung des Einzelnen, ſondern durch den be- wußten Willen der Gemeinſchaft der Menſchen beſtimmt werden, entſteht auch hier der Begriff und die Thätigkeit der Verwaltung oder das Bildungsweſen. Das Bildungsweſen hat daher die Päda- gogik, die Methodologie und den Begriff der Bildung voraus- zuſetzen. Das Bildungsweſen als Inhalt der Verwaltungslehre hat ſeinerſeits zur Aufgabe, die Geſtalt der bildenden Arbeit als beſtimmten Inhalt des Willens des Staats und damit als Bil- dungsrecht — das öffentliche Recht der Ordnung für dieſe Bil- dung — aufzuſtellen. Das öffentliche Bildungsweſen als Inhalt der Verwaltungslehre muß daher in jenen an ſich ganz freien und oft rein willkürlichen Proceß der bildenden Arbeit und der Pro- duktion der geiſtigen Güter eines Volkes feſte Kategorien hinein- bringen und beſtimmte Gränzen und Grundbegriffe in dem Fluß des geiſtigen Lebens aufſtellen. Wenn daher die Pädagogik und Methodologie lehren, wie die Bildung im Ganzen oder in ihren einzelnen Gebieten erworben werden ſoll — den, durch das Weſen der Wiſſenſchaft geforderten Proceß der Produktion der geiſtigen Güter — ſo lehrt das Verwaltungsrecht des Bildungsweſens, wie die Bildung durch die organiſirte Thätigkeit der Gemeinſchaft er- worben wird. Während für Pädagogik und Methodologie die Bildung als ein Werden und eine Arbeit erſcheint, erſcheint dieſelbe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/25>, abgerufen am 29.03.2024.