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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Aemter und öffentliche Organe für die Verwaltung der Bildung
seiner Angehörigen genug hat -- eine Verwaltungslehre für
diese Organe besitzt er nirgends. Das ist ein großer Mangel.
Und mit unseren besten Gefühlen sprechen wir die herzliche Hoff-
nung aus, daß auch das öffentliche Bildungswesen recht
bald seinen Lehrstuhl an jeder Universität finden
möge
, wo ja doch die Gesundheitspflege und die Polizei, die Vor-
mundschaft und das Grundbuch, die Land- und die Forstwirthschaft
und hundert andere Dinge ihren Platz, ihre Vertretung und ihre
Koryphäen gefunden haben, wahrlich nicht zum Schaden des deut-
schen Volkes!

Deßhalb nun, um auch dafür ein Substrat zu liefern, haben
wir diese Arbeit unternommen. Wie allgemein und ernst aber die
Theilnahme an diesen Fragen ist, zeigt das lebendige Leben in
Gesetzgebung und Literatur, die diesen Gebieten angehören und
die zum Theil erschienen sind, während unsere Arbeit gedruckt wurde.
In der Gesetzgebung namentlich weisen wir auf die entstehende
österreichischen und bayerischen neuen Schulgesetze hin, die vom Geiste
des entschiedensten Fortschrittes durchdrungen sind. Die Lehrertage
ihrerseits arbeiten mit aller Kraft und wirken nach allen Richtungen.
Namentlich aber schreitet unsere Zeit fast mit Riesenschritten auf
dem Felde der wirthschaftlichen Vor- und Fachbildung fort, und
jede Statistik wird hier von den Thatsachen überholt. Unsere Sache
war es nicht, uns auf Statistik einzulassen. Es ist sehr noth-
wendig, hier das große Princip der Arbeitstheilung aufrecht zu
halten. Wir fordern das nicht für solche Arbeiten wie L. Wiese's
"höheres Schulwesen in Preußen," das einen ganz speciellen amt-
lichen Zweck hat, und das in seinem Anhang S. 622 ff. gewisse
einschlagende Instruktionen, Reglements und Statuten "und der-
gleichen mehr (!)" zusammenstellt, ohne irgend einen Plan und
ohne Ordnung, weil jene Verwaltung rein für ihre eigenen Zwecke
arbeitet. Wohl aber fürchten wir geradezu, daß die meist sehr
bequeme Tendenz zur Sammlung von allerlei statistischen Daten
die eigentliche Arbeit der Wissenschaft, das wahre organische Ver-
ständniß des Ganzen, ein wenig verdränge. Was für die Verbindung

Aemter und öffentliche Organe für die Verwaltung der Bildung
ſeiner Angehörigen genug hat — eine Verwaltungslehre für
dieſe Organe beſitzt er nirgends. Das iſt ein großer Mangel.
Und mit unſeren beſten Gefühlen ſprechen wir die herzliche Hoff-
nung aus, daß auch das öffentliche Bildungsweſen recht
bald ſeinen Lehrſtuhl an jeder Univerſität finden
möge
, wo ja doch die Geſundheitspflege und die Polizei, die Vor-
mundſchaft und das Grundbuch, die Land- und die Forſtwirthſchaft
und hundert andere Dinge ihren Platz, ihre Vertretung und ihre
Koryphäen gefunden haben, wahrlich nicht zum Schaden des deut-
ſchen Volkes!

Deßhalb nun, um auch dafür ein Subſtrat zu liefern, haben
wir dieſe Arbeit unternommen. Wie allgemein und ernſt aber die
Theilnahme an dieſen Fragen iſt, zeigt das lebendige Leben in
Geſetzgebung und Literatur, die dieſen Gebieten angehören und
die zum Theil erſchienen ſind, während unſere Arbeit gedruckt wurde.
In der Geſetzgebung namentlich weiſen wir auf die entſtehende
öſterreichiſchen und bayeriſchen neuen Schulgeſetze hin, die vom Geiſte
des entſchiedenſten Fortſchrittes durchdrungen ſind. Die Lehrertage
ihrerſeits arbeiten mit aller Kraft und wirken nach allen Richtungen.
Namentlich aber ſchreitet unſere Zeit faſt mit Rieſenſchritten auf
dem Felde der wirthſchaftlichen Vor- und Fachbildung fort, und
jede Statiſtik wird hier von den Thatſachen überholt. Unſere Sache
war es nicht, uns auf Statiſtik einzulaſſen. Es iſt ſehr noth-
wendig, hier das große Princip der Arbeitstheilung aufrecht zu
halten. Wir fordern das nicht für ſolche Arbeiten wie L. Wieſe’s
„höheres Schulweſen in Preußen,“ das einen ganz ſpeciellen amt-
lichen Zweck hat, und das in ſeinem Anhang S. 622 ff. gewiſſe
einſchlagende Inſtruktionen, Reglements und Statuten „und der-
gleichen mehr (!)“ zuſammenſtellt, ohne irgend einen Plan und
ohne Ordnung, weil jene Verwaltung rein für ihre eigenen Zwecke
arbeitet. Wohl aber fürchten wir geradezu, daß die meiſt ſehr
bequeme Tendenz zur Sammlung von allerlei ſtatiſtiſchen Daten
die eigentliche Arbeit der Wiſſenſchaft, das wahre organiſche Ver-
ſtändniß des Ganzen, ein wenig verdränge. Was für die Verbindung

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[VIII/0014] Aemter und öffentliche Organe für die Verwaltung der Bildung ſeiner Angehörigen genug hat — eine Verwaltungslehre für dieſe Organe beſitzt er nirgends. Das iſt ein großer Mangel. Und mit unſeren beſten Gefühlen ſprechen wir die herzliche Hoff- nung aus, daß auch das öffentliche Bildungsweſen recht bald ſeinen Lehrſtuhl an jeder Univerſität finden möge, wo ja doch die Geſundheitspflege und die Polizei, die Vor- mundſchaft und das Grundbuch, die Land- und die Forſtwirthſchaft und hundert andere Dinge ihren Platz, ihre Vertretung und ihre Koryphäen gefunden haben, wahrlich nicht zum Schaden des deut- ſchen Volkes! Deßhalb nun, um auch dafür ein Subſtrat zu liefern, haben wir dieſe Arbeit unternommen. Wie allgemein und ernſt aber die Theilnahme an dieſen Fragen iſt, zeigt das lebendige Leben in Geſetzgebung und Literatur, die dieſen Gebieten angehören und die zum Theil erſchienen ſind, während unſere Arbeit gedruckt wurde. In der Geſetzgebung namentlich weiſen wir auf die entſtehende öſterreichiſchen und bayeriſchen neuen Schulgeſetze hin, die vom Geiſte des entſchiedenſten Fortſchrittes durchdrungen ſind. Die Lehrertage ihrerſeits arbeiten mit aller Kraft und wirken nach allen Richtungen. Namentlich aber ſchreitet unſere Zeit faſt mit Rieſenſchritten auf dem Felde der wirthſchaftlichen Vor- und Fachbildung fort, und jede Statiſtik wird hier von den Thatſachen überholt. Unſere Sache war es nicht, uns auf Statiſtik einzulaſſen. Es iſt ſehr noth- wendig, hier das große Princip der Arbeitstheilung aufrecht zu halten. Wir fordern das nicht für ſolche Arbeiten wie L. Wieſe’s „höheres Schulweſen in Preußen,“ das einen ganz ſpeciellen amt- lichen Zweck hat, und das in ſeinem Anhang S. 622 ff. gewiſſe einſchlagende Inſtruktionen, Reglements und Statuten „und der- gleichen mehr (!)“ zuſammenſtellt, ohne irgend einen Plan und ohne Ordnung, weil jene Verwaltung rein für ihre eigenen Zwecke arbeitet. Wohl aber fürchten wir geradezu, daß die meiſt ſehr bequeme Tendenz zur Sammlung von allerlei ſtatiſtiſchen Daten die eigentliche Arbeit der Wiſſenſchaft, das wahre organiſche Ver- ſtändniß des Ganzen, ein wenig verdränge. Was für die Verbindung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/14>, abgerufen am 24.04.2024.