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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Ueber andere deutsche Staaten vergleiche Brachelli, Verwaltungs-
behörden in Europa, Jahrbuch für Gesetzkunde und Statistik 1862,
S. 188 ff.

Die Organisation Frankreichs bleibt hinter der deutschen sehr
zurück. Erst durch Ordonnanz vom 7. August 1822 Beiordnung eines
Conseil sup. de sante. Dieses wird ausgebildet zu dem Anfang eines
Systems durch Dekret vom 10. August 1848, modificirt durch Dekret
vom 1. Februar 1851 als Comite consultatif d'hygiene publique,
besteht aus vier Aerzten, zwei Technikern und drei Beamteten. Be-
rufung nur durch den Minister der agriculture und travaux publics,
und nur mit Begutachtung, ohne alle Initiative. Doch können, was
sehr nachahmungswerth ist, Mitglieder aus dem Handelsstande, aus
der Zollverwaltung und dem Armenwesen (assistance publique) bei-
gezogen werden. Hier liegt noch immer der alte Gedanke der Muni-
cipal- und Departementalordnung zum Grunde, wie dieselbe schon durch
das Gesetz vom 16.--24. August 1790 festgestellt ward, und welche den
Beamteten, dem Präfekten und Maire, die polizeiliche Gewalt übergab, in
der Gesundheitspolizei wie in andern Gebieten. (Tardieu, Dictionnaire
d'hygiene publique 1854, II.
330.) Mittelbehörden: Conseils et
comites d'hygiene publique et de salubrite dans les departements

ganz facultativ vor 1848; erst definitiv und allgemein durch arret vom
18. Dec. 1848 für Departements und Arrondissements -- jusqu'alors
toutes ces questions restaient sans solution est etaient tranchees par
des autorites tout a fait incompetentes -- (Block, Dict. v. hygiene
publique).
Siehe Darstellung dieser Verhältnisse in Tardieu l. l. I.
378. Conseil:
sieben bis dreizehn Mitglieder für das Departement.
Commissions, besonders berufen durch den Präfekten für das Arrondisse-
ment; nur für Gutachten auf Verlangen; zum Theil auch für die
Mortalitätsstatistik, aber ohne Aufsicht über das ärztliche Personal.
Oertlich: Conseil du dep. d. l. Seine (Paris); seit dem Gesetz vom
13. April 1850 hat jede Gemeinde das Recht, eine "Commission
des logements insalubres"
einzurichten, was noch wenig geschehen ist.
Der medecin cantonal ist nur Armenarzt. Das Gesetz vom 19. Vent.
an XI.
bezieht sich nur auf die berufsmäßige Bildung und das Heilpersonal
(s. unten). Das Gesetz vom 25. Mai 1864 hat die Commissions (de
sante)
, das Gesetz von 1850 in Zahl und Funktion etwas erweitert.
(Trebuchet bei Block a. a. O.)

An diese französische Organisation schließt sich nun in all ihren Grund-
zügen die neueste italienische an, welche auf Grundlage des Gesetzes
vom 20. März 1865 durch das Reglement vom 8. Juni 1865 eingeführt
ist. Dieses Reglement ist aber zugleich eine ganze Medicinalgesetzgebung,

Ueber andere deutſche Staaten vergleiche Brachelli, Verwaltungs-
behörden in Europa, Jahrbuch für Geſetzkunde und Statiſtik 1862,
S. 188 ff.

Die Organiſation Frankreichs bleibt hinter der deutſchen ſehr
zurück. Erſt durch Ordonnanz vom 7. Auguſt 1822 Beiordnung eines
Conseil sup. de santé. Dieſes wird ausgebildet zu dem Anfang eines
Syſtems durch Dekret vom 10. Auguſt 1848, modificirt durch Dekret
vom 1. Februar 1851 als Comité consultatif d’hygiène publique,
beſteht aus vier Aerzten, zwei Technikern und drei Beamteten. Be-
rufung nur durch den Miniſter der agriculture und travaux publics,
und nur mit Begutachtung, ohne alle Initiative. Doch können, was
ſehr nachahmungswerth iſt, Mitglieder aus dem Handelsſtande, aus
der Zollverwaltung und dem Armenweſen (assistance publique) bei-
gezogen werden. Hier liegt noch immer der alte Gedanke der Muni-
cipal- und Departementalordnung zum Grunde, wie dieſelbe ſchon durch
das Geſetz vom 16.—24. Auguſt 1790 feſtgeſtellt ward, und welche den
Beamteten, dem Präfekten und Maire, die polizeiliche Gewalt übergab, in
der Geſundheitspolizei wie in andern Gebieten. (Tardieu, Dictionnaire
d’hygiène publique 1854, II.
330.) Mittelbehörden: Conseils et
comités d’hygiène publique et de salubrité dans les départements

ganz facultativ vor 1848; erſt definitiv und allgemein durch arrêt vom
18. Dec. 1848 für Departements und Arrondiſſements — jusqu’alors
toutes ces questions restaient sans solution est etaient tranchées par
des autorités tout à fait incompétentes — (Block, Dict. v. hygiène
publique).
Siehe Darſtellung dieſer Verhältniſſe in Tardieu l. l. I.
378. Conseil:
ſieben bis dreizehn Mitglieder für das Departement.
Commissions, beſonders berufen durch den Präfekten für das Arrondiſſe-
ment; nur für Gutachten auf Verlangen; zum Theil auch für die
Mortalitätsſtatiſtik, aber ohne Aufſicht über das ärztliche Perſonal.
Oertlich: Conseil du dép. d. l. Seine (Paris); ſeit dem Geſetz vom
13. April 1850 hat jede Gemeinde das Recht, eine „Commission
des logements insalubres“
einzurichten, was noch wenig geſchehen iſt.
Der médecin cantonal iſt nur Armenarzt. Das Geſetz vom 19. Vent.
an XI.
bezieht ſich nur auf die berufsmäßige Bildung und das Heilperſonal
(ſ. unten). Das Geſetz vom 25. Mai 1864 hat die Commissions (de
santé)
, das Geſetz von 1850 in Zahl und Funktion etwas erweitert.
(Trebuchet bei Block a. a. O.)

An dieſe franzöſiſche Organiſation ſchließt ſich nun in all ihren Grund-
zügen die neueſte italieniſche an, welche auf Grundlage des Geſetzes
vom 20. März 1865 durch das Reglement vom 8. Juni 1865 eingeführt
iſt. Dieſes Reglement iſt aber zugleich eine ganze Medicinalgeſetzgebung,

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[32/0048] Ueber andere deutſche Staaten vergleiche Brachelli, Verwaltungs- behörden in Europa, Jahrbuch für Geſetzkunde und Statiſtik 1862, S. 188 ff. Die Organiſation Frankreichs bleibt hinter der deutſchen ſehr zurück. Erſt durch Ordonnanz vom 7. Auguſt 1822 Beiordnung eines Conseil sup. de santé. Dieſes wird ausgebildet zu dem Anfang eines Syſtems durch Dekret vom 10. Auguſt 1848, modificirt durch Dekret vom 1. Februar 1851 als Comité consultatif d’hygiène publique, beſteht aus vier Aerzten, zwei Technikern und drei Beamteten. Be- rufung nur durch den Miniſter der agriculture und travaux publics, und nur mit Begutachtung, ohne alle Initiative. Doch können, was ſehr nachahmungswerth iſt, Mitglieder aus dem Handelsſtande, aus der Zollverwaltung und dem Armenweſen (assistance publique) bei- gezogen werden. Hier liegt noch immer der alte Gedanke der Muni- cipal- und Departementalordnung zum Grunde, wie dieſelbe ſchon durch das Geſetz vom 16.—24. Auguſt 1790 feſtgeſtellt ward, und welche den Beamteten, dem Präfekten und Maire, die polizeiliche Gewalt übergab, in der Geſundheitspolizei wie in andern Gebieten. (Tardieu, Dictionnaire d’hygiène publique 1854, II. 330.) Mittelbehörden: Conseils et comités d’hygiène publique et de salubrité dans les départements ganz facultativ vor 1848; erſt definitiv und allgemein durch arrêt vom 18. Dec. 1848 für Departements und Arrondiſſements — jusqu’alors toutes ces questions restaient sans solution est etaient tranchées par des autorités tout à fait incompétentes — (Block, Dict. v. hygiène publique). Siehe Darſtellung dieſer Verhältniſſe in Tardieu l. l. I. 378. Conseil: ſieben bis dreizehn Mitglieder für das Departement. Commissions, beſonders berufen durch den Präfekten für das Arrondiſſe- ment; nur für Gutachten auf Verlangen; zum Theil auch für die Mortalitätsſtatiſtik, aber ohne Aufſicht über das ärztliche Perſonal. Oertlich: Conseil du dép. d. l. Seine (Paris); ſeit dem Geſetz vom 13. April 1850 hat jede Gemeinde das Recht, eine „Commission des logements insalubres“ einzurichten, was noch wenig geſchehen iſt. Der médecin cantonal iſt nur Armenarzt. Das Geſetz vom 19. Vent. an XI. bezieht ſich nur auf die berufsmäßige Bildung und das Heilperſonal (ſ. unten). Das Geſetz vom 25. Mai 1864 hat die Commissions (de santé), das Geſetz von 1850 in Zahl und Funktion etwas erweitert. (Trebuchet bei Block a. a. O.) An dieſe franzöſiſche Organiſation ſchließt ſich nun in all ihren Grund- zügen die neueſte italieniſche an, welche auf Grundlage des Geſetzes vom 20. März 1865 durch das Reglement vom 8. Juni 1865 eingeführt iſt. Dieſes Reglement iſt aber zugleich eine ganze Medicinalgeſetzgebung,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/48>, abgerufen am 23.04.2024.