Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

pst_035.001
hat, erzeugt dieselbe Stimmung wieder, ermöglicht pst_035.002
eine Rückkehr in den Moment der lyrischen Eingebung. pst_035.003
Dazwischen mag er erzählen oder über die Stimmung pst_035.004
reflektieren. Das Ganze bleibt doch lyrisch gebunden. pst_035.005
Der Kehrreim am Strophenende ist davon nicht grundsätzlich pst_035.006
unterschieden. Das Lyrische wird nur künstlich pst_035.007
zurückgestellt, und es ist sinngemäß, wenn der Kehrreim pst_035.008
dann in der Überschrift erscheint, wie in "Treulieb, pst_035.009
Treulieb ist verloren". Denn damit beginnt es in pst_035.010
Wahrheit auch hier. Der Kehrreim ist die musikalische pst_035.011
Quelle des ganzen Gedichts.

pst_035.012

Als Wiederholungen anderer Art sind noch die Gebilde pst_035.013
zu nennen, die, wie das Rondell, eine Kreisbewegung pst_035.014
beschreiben oder in irgendwelcher Verflechtung pst_035.015
auf frühere Verse zurückkommen:

pst_035.016
"Verflossen ist das Gold der Tage, pst_035.017
Des Abends braun und blaue Farben: pst_035.018
Des Hirten sanfte Flöten starben, pst_035.019
Des Abends blau und braune Farben; pst_035.020
Verflossen ist das Gold der Tage."

   (Georg Trakl)

pst_035.021

In größerem Rahmen ist Strindbergs Bühnenstück pst_035.022
"Nach Damaskus" so angelegt. Wenn der Dichter von der pst_035.023
Mitte an die Bühnenbilder in umgekehrter Folge wiederholt pst_035.024
und schließlich wieder zum ersten zurückkommt, pst_035.025
gewinnt das Ganze in der Tat eine lyrische Färbung. Der pst_035.026
Zuschauer wird nicht hingerissen (vergl. Seite 162) sondern, pst_035.027
ähnlich wie im "Traumspiel", eingewiegt.

pst_035.028

Die lyrische Wiederholung drängt sich nun weiter pst_035.029
bis ins Einzelne vor. Ein besonders aufschlußreiches pst_035.030
Beispiel bietet wieder Brentano:

pst_035.001
hat, erzeugt dieselbe Stimmung wieder, ermöglicht pst_035.002
eine Rückkehr in den Moment der lyrischen Eingebung. pst_035.003
Dazwischen mag er erzählen oder über die Stimmung pst_035.004
reflektieren. Das Ganze bleibt doch lyrisch gebunden. pst_035.005
Der Kehrreim am Strophenende ist davon nicht grundsätzlich pst_035.006
unterschieden. Das Lyrische wird nur künstlich pst_035.007
zurückgestellt, und es ist sinngemäß, wenn der Kehrreim pst_035.008
dann in der Überschrift erscheint, wie in «Treulieb, pst_035.009
Treulieb ist verloren». Denn damit beginnt es in pst_035.010
Wahrheit auch hier. Der Kehrreim ist die musikalische pst_035.011
Quelle des ganzen Gedichts.

pst_035.012

  Als Wiederholungen anderer Art sind noch die Gebilde pst_035.013
zu nennen, die, wie das Rondell, eine Kreisbewegung pst_035.014
beschreiben oder in irgendwelcher Verflechtung pst_035.015
auf frühere Verse zurückkommen:

pst_035.016
«Verflossen ist das Gold der Tage, pst_035.017
Des Abends braun und blaue Farben: pst_035.018
Des Hirten sanfte Flöten starben, pst_035.019
Des Abends blau und braune Farben; pst_035.020
Verflossen ist das Gold der Tage.»

   (Georg Trakl)

pst_035.021

  In größerem Rahmen ist Strindbergs Bühnenstück pst_035.022
«Nach Damaskus» so angelegt. Wenn der Dichter von der pst_035.023
Mitte an die Bühnenbilder in umgekehrter Folge wiederholt pst_035.024
und schließlich wieder zum ersten zurückkommt, pst_035.025
gewinnt das Ganze in der Tat eine lyrische Färbung. Der pst_035.026
Zuschauer wird nicht hingerissen (vergl. Seite 162) sondern, pst_035.027
ähnlich wie im «Traumspiel», eingewiegt.

pst_035.028

  Die lyrische Wiederholung drängt sich nun weiter pst_035.029
bis ins Einzelne vor. Ein besonders aufschlußreiches pst_035.030
Beispiel bietet wieder Brentano:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="35"/><lb n="pst_035.001"/>
hat, erzeugt dieselbe Stimmung wieder, ermöglicht <lb n="pst_035.002"/>
eine Rückkehr in den Moment der lyrischen Eingebung. <lb n="pst_035.003"/>
Dazwischen mag er erzählen oder über die Stimmung <lb n="pst_035.004"/>
reflektieren. Das Ganze bleibt doch lyrisch gebunden. <lb n="pst_035.005"/>
Der Kehrreim am Strophenende ist davon nicht grundsätzlich <lb n="pst_035.006"/>
unterschieden. Das Lyrische wird nur künstlich <lb n="pst_035.007"/>
zurückgestellt, und es ist sinngemäß, wenn der Kehrreim <lb n="pst_035.008"/>
dann in der Überschrift erscheint, wie in «Treulieb, <lb n="pst_035.009"/>
Treulieb ist verloren». Denn damit beginnt es in <lb n="pst_035.010"/>
Wahrheit auch hier. Der Kehrreim ist die musikalische <lb n="pst_035.011"/>
Quelle des ganzen Gedichts.</p>
          <lb n="pst_035.012"/>
          <p>  Als Wiederholungen anderer Art sind noch die Gebilde <lb n="pst_035.013"/>
zu nennen, die, wie das Rondell, eine Kreisbewegung <lb n="pst_035.014"/>
beschreiben oder in irgendwelcher Verflechtung <lb n="pst_035.015"/>
auf frühere Verse zurückkommen:</p>
          <lb n="pst_035.016"/>
          <lg>
            <l>«Verflossen ist das Gold der Tage,</l>
            <lb n="pst_035.017"/>
            <l>Des Abends braun und blaue Farben:</l>
            <lb n="pst_035.018"/>
            <l>Des Hirten sanfte Flöten starben,</l>
            <lb n="pst_035.019"/>
            <l>Des Abends blau und braune Farben;</l>
            <lb n="pst_035.020"/>
            <l>Verflossen ist das Gold der Tage.»</l>
          </lg>
          <p>
            <space dim="horizontal"/> <hi rendition="#aq">(Georg Trakl)</hi> </p>
          <lb n="pst_035.021"/>
          <p>  In größerem Rahmen ist Strindbergs Bühnenstück <lb n="pst_035.022"/>
«Nach Damaskus» so angelegt. Wenn der Dichter von der <lb n="pst_035.023"/>
Mitte an die Bühnenbilder in umgekehrter Folge wiederholt <lb n="pst_035.024"/>
und schließlich wieder zum ersten zurückkommt, <lb n="pst_035.025"/>
gewinnt das Ganze in der Tat eine lyrische Färbung. Der <lb n="pst_035.026"/>
Zuschauer wird nicht hingerissen (vergl. Seite 162) sondern, <lb n="pst_035.027"/>
ähnlich wie im «Traumspiel», eingewiegt.</p>
          <lb n="pst_035.028"/>
          <p>  Die lyrische Wiederholung drängt sich nun weiter <lb n="pst_035.029"/>
bis ins Einzelne vor. Ein besonders aufschlußreiches <lb n="pst_035.030"/>
Beispiel bietet wieder Brentano:</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0039] pst_035.001 hat, erzeugt dieselbe Stimmung wieder, ermöglicht pst_035.002 eine Rückkehr in den Moment der lyrischen Eingebung. pst_035.003 Dazwischen mag er erzählen oder über die Stimmung pst_035.004 reflektieren. Das Ganze bleibt doch lyrisch gebunden. pst_035.005 Der Kehrreim am Strophenende ist davon nicht grundsätzlich pst_035.006 unterschieden. Das Lyrische wird nur künstlich pst_035.007 zurückgestellt, und es ist sinngemäß, wenn der Kehrreim pst_035.008 dann in der Überschrift erscheint, wie in «Treulieb, pst_035.009 Treulieb ist verloren». Denn damit beginnt es in pst_035.010 Wahrheit auch hier. Der Kehrreim ist die musikalische pst_035.011 Quelle des ganzen Gedichts. pst_035.012   Als Wiederholungen anderer Art sind noch die Gebilde pst_035.013 zu nennen, die, wie das Rondell, eine Kreisbewegung pst_035.014 beschreiben oder in irgendwelcher Verflechtung pst_035.015 auf frühere Verse zurückkommen: pst_035.016 «Verflossen ist das Gold der Tage, pst_035.017 Des Abends braun und blaue Farben: pst_035.018 Des Hirten sanfte Flöten starben, pst_035.019 Des Abends blau und braune Farben; pst_035.020 Verflossen ist das Gold der Tage.» (Georg Trakl) pst_035.021   In größerem Rahmen ist Strindbergs Bühnenstück pst_035.022 «Nach Damaskus» so angelegt. Wenn der Dichter von der pst_035.023 Mitte an die Bühnenbilder in umgekehrter Folge wiederholt pst_035.024 und schließlich wieder zum ersten zurückkommt, pst_035.025 gewinnt das Ganze in der Tat eine lyrische Färbung. Der pst_035.026 Zuschauer wird nicht hingerissen (vergl. Seite 162) sondern, pst_035.027 ähnlich wie im «Traumspiel», eingewiegt. pst_035.028   Die lyrische Wiederholung drängt sich nun weiter pst_035.029 bis ins Einzelne vor. Ein besonders aufschlußreiches pst_035.030 Beispiel bietet wieder Brentano:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/39
Zitationshilfe: Staiger, Emil: Grundbegriffe der Poetik. Zürich, 1946, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/staiger_poetik_1946/39>, abgerufen am 25.04.2024.