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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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Weile ging er an den Schrank und kramte ein wenig darin
herum; dann zog er unter seinen Hemden ein langes, grobes
Tuch hervor, das mußte so Etwas sein, wie ein Leintuch.
Er kam damit die Leiter herauf. Da war auf dem Heu¬
boden ein ganz artiges Bettlein zugerichtet; oben, wo der
Kopf liegen mußte, war das Heu hoch aufgeschichtet, und
das Gesicht kam so zu liegen, daß es gerade auf das offene,
runde Loch traf.

"Das ist recht gemacht", sagte der Großvater, "jetzt
wird das Tuch kommen, aber wart' noch", -- damit nahm
er einen guten Wisch Heu von dem Haufen und machte das
Lager doppelt so dick, damit der harte Boden nicht durch¬
gefühlt werden konnte, "so, jetzt komm' her damit." Heidi
hatte das Leintuch schnell zu Handen genommen, konnte es
aber fast nicht tragen, so schwer war's; aber das war sehr
gut, denn durch das feste Zeug konnten die spitzen Heuhalme
nicht durchstechen. Jetzt breiteten die Beiden miteinander
das Tuch über das Heu und wo es zu breit und zu lang
war, stopfte Heidi die Enden eilfertig unter das Lager.
Nun sah es recht gut und reinlich aus, und Heidi stellte sich
davor und betrachtete es nachdenklich.

"Wir haben noch etwas vergessen, Großvater", sagte
es dann.

"Was denn?" fragte er.

"Eine Decke; denn wenn man in's Bett geht, kriecht
man zwischen das Leintuch und die Decke hinein."

Weile ging er an den Schrank und kramte ein wenig darin
herum; dann zog er unter ſeinen Hemden ein langes, grobes
Tuch hervor, das mußte ſo Etwas ſein, wie ein Leintuch.
Er kam damit die Leiter herauf. Da war auf dem Heu¬
boden ein ganz artiges Bettlein zugerichtet; oben, wo der
Kopf liegen mußte, war das Heu hoch aufgeſchichtet, und
das Geſicht kam ſo zu liegen, daß es gerade auf das offene,
runde Loch traf.

„Das iſt recht gemacht“, ſagte der Großvater, „jetzt
wird das Tuch kommen, aber wart' noch“, — damit nahm
er einen guten Wiſch Heu von dem Haufen und machte das
Lager doppelt ſo dick, damit der harte Boden nicht durch¬
gefühlt werden konnte, „ſo, jetzt komm' her damit.“ Heidi
hatte das Leintuch ſchnell zu Handen genommen, konnte es
aber faſt nicht tragen, ſo ſchwer war's; aber das war ſehr
gut, denn durch das feſte Zeug konnten die ſpitzen Heuhalme
nicht durchſtechen. Jetzt breiteten die Beiden miteinander
das Tuch über das Heu und wo es zu breit und zu lang
war, ſtopfte Heidi die Enden eilfertig unter das Lager.
Nun ſah es recht gut und reinlich aus, und Heidi ſtellte ſich
davor und betrachtete es nachdenklich.

„Wir haben noch etwas vergeſſen, Großvater“, ſagte
es dann.

„Was denn?“ fragte er.

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[23/0033] Weile ging er an den Schrank und kramte ein wenig darin herum; dann zog er unter ſeinen Hemden ein langes, grobes Tuch hervor, das mußte ſo Etwas ſein, wie ein Leintuch. Er kam damit die Leiter herauf. Da war auf dem Heu¬ boden ein ganz artiges Bettlein zugerichtet; oben, wo der Kopf liegen mußte, war das Heu hoch aufgeſchichtet, und das Geſicht kam ſo zu liegen, daß es gerade auf das offene, runde Loch traf. „Das iſt recht gemacht“, ſagte der Großvater, „jetzt wird das Tuch kommen, aber wart' noch“, — damit nahm er einen guten Wiſch Heu von dem Haufen und machte das Lager doppelt ſo dick, damit der harte Boden nicht durch¬ gefühlt werden konnte, „ſo, jetzt komm' her damit.“ Heidi hatte das Leintuch ſchnell zu Handen genommen, konnte es aber faſt nicht tragen, ſo ſchwer war's; aber das war ſehr gut, denn durch das feſte Zeug konnten die ſpitzen Heuhalme nicht durchſtechen. Jetzt breiteten die Beiden miteinander das Tuch über das Heu und wo es zu breit und zu lang war, ſtopfte Heidi die Enden eilfertig unter das Lager. Nun ſah es recht gut und reinlich aus, und Heidi ſtellte ſich davor und betrachtete es nachdenklich. „Wir haben noch etwas vergeſſen, Großvater“, ſagte es dann. „Was denn?“ fragte er. „Eine Decke; denn wenn man in's Bett geht, kriecht man zwiſchen das Leintuch und die Decke hinein.“

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/33>, abgerufen am 19.04.2024.