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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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die Sache erzählt) und durch den, allerdings blos scherz¬
haft gemeinten, Raub der Kleinen so außer sich ge¬
bracht war? Hatte sie das Kind Oswald, oder dem
Baron, oder hatte sie es Beiden geschenkt? oder hatte
sie es ihnen nicht geschenkt, sondern verkauft, und hatte
sie nur den Zahlungstermin einen Monat hinaus¬
geschoben, in der Hoffnung, daß die beiden Männer,
oder auch einer von ihnen, das schöne Kind während
dieser Zeit lieb gewinnen und demnach gern einen
größeren Preis zahlen würde?

"Meine größte Furcht," sagte Oldenburg, "ist,
daß die braune Gräfin der noch nicht einmal abge¬
schlossene Handel gereut und sie mir das Kind wieder
raubt, oder auch die Czika selbst der Sehnsucht nach
ihrem Wanderleben nicht widerstehen kann und eines
schönen Morgens verschwunden ist. Ich gestehe, daß
es ein harter Schlag für mich sein würde. Ihre
Prophezeihung, daß ich in der süßen Dirn einen
Schatz gefunden habe, köstlicher als Alladin's Wunder¬
lampe, scheint in Erfüllung zu gehen. Ich sage mit
dem weisen Nathan: ich bliebe, oder richtiger: ich
wäre des Mädchens Vater doch so gern! ich möchte
so gern dieser bis jetzt stummen Seele eine Sprache
entlocken, und in dieser Sprache meinen eigenen Ge¬
danken veredelt und verschönert wieder hören! ich

die Sache erzählt) und durch den, allerdings blos ſcherz¬
haft gemeinten, Raub der Kleinen ſo außer ſich ge¬
bracht war? Hatte ſie das Kind Oswald, oder dem
Baron, oder hatte ſie es Beiden geſchenkt? oder hatte
ſie es ihnen nicht geſchenkt, ſondern verkauft, und hatte
ſie nur den Zahlungstermin einen Monat hinaus¬
geſchoben, in der Hoffnung, daß die beiden Männer,
oder auch einer von ihnen, das ſchöne Kind während
dieſer Zeit lieb gewinnen und demnach gern einen
größeren Preis zahlen würde?

„Meine größte Furcht,“ ſagte Oldenburg, „iſt,
daß die braune Gräfin der noch nicht einmal abge¬
ſchloſſene Handel gereut und ſie mir das Kind wieder
raubt, oder auch die Czika ſelbſt der Sehnſucht nach
ihrem Wanderleben nicht widerſtehen kann und eines
ſchönen Morgens verſchwunden iſt. Ich geſtehe, daß
es ein harter Schlag für mich ſein würde. Ihre
Prophezeihung, daß ich in der ſüßen Dirn einen
Schatz gefunden habe, köſtlicher als Alladin's Wunder¬
lampe, ſcheint in Erfüllung zu gehen. Ich ſage mit
dem weiſen Nathan: ich bliebe, oder richtiger: ich
wäre des Mädchens Vater doch ſo gern! ich möchte
ſo gern dieſer bis jetzt ſtummen Seele eine Sprache
entlocken, und in dieſer Sprache meinen eigenen Ge¬
danken veredelt und verſchönert wieder hören! ich

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[27/0037] die Sache erzählt) und durch den, allerdings blos ſcherz¬ haft gemeinten, Raub der Kleinen ſo außer ſich ge¬ bracht war? Hatte ſie das Kind Oswald, oder dem Baron, oder hatte ſie es Beiden geſchenkt? oder hatte ſie es ihnen nicht geſchenkt, ſondern verkauft, und hatte ſie nur den Zahlungstermin einen Monat hinaus¬ geſchoben, in der Hoffnung, daß die beiden Männer, oder auch einer von ihnen, das ſchöne Kind während dieſer Zeit lieb gewinnen und demnach gern einen größeren Preis zahlen würde? „Meine größte Furcht,“ ſagte Oldenburg, „iſt, daß die braune Gräfin der noch nicht einmal abge¬ ſchloſſene Handel gereut und ſie mir das Kind wieder raubt, oder auch die Czika ſelbſt der Sehnſucht nach ihrem Wanderleben nicht widerſtehen kann und eines ſchönen Morgens verſchwunden iſt. Ich geſtehe, daß es ein harter Schlag für mich ſein würde. Ihre Prophezeihung, daß ich in der ſüßen Dirn einen Schatz gefunden habe, köſtlicher als Alladin's Wunder¬ lampe, ſcheint in Erfüllung zu gehen. Ich ſage mit dem weiſen Nathan: ich bliebe, oder richtiger: ich wäre des Mädchens Vater doch ſo gern! ich möchte ſo gern dieſer bis jetzt ſtummen Seele eine Sprache entlocken, und in dieſer Sprache meinen eigenen Ge¬ danken veredelt und verſchönert wieder hören! ich

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/37>, abgerufen am 24.04.2024.