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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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Oldenburg lachend; "ein paar alte graubärtige Söhne
Mohammed's könnten es nicht besser. Es fehlt blos
noch, daß wir zum Schluß unsre eignen Fingerspitzen
küssen! Aber kommen Sie in's Haus, da können wir
die Sache noch bequemer haben."

Sie traten auf einen kleinen Flur, von welchem
man auf einer niedrigen breiten Treppe in das obere
Stockwerk auf ein Entree gelangte, das von oben Licht
empfing. Aus diesem gingen sie in ein weites, ziem¬
lich hohes Gemach, zwischen dessen zwei Fenstern eine
Glasthür auf die breite Gallerie führte, die eine un¬
beschränkte Aussicht auf das Meer gewährte, und ob¬
gleich noch ziemlich dreißig Fuß zwischen dem Hause
und dem scharf abfallenden Rande des Ufers lagen,
unmittelbar über der Brandung, welche tief unten
zwischen den Rollsteinen und auf den Kieseln des
Strandes murmelte, zu hängen schien.

Der Blick von diesem erhabenen Standpunkte auf
das blaue, unermeßliche Meer und auf das hohe weiße
Kreideufer, das sich nach links in einem weiten Halb¬
mond hinziehend, zuletzt in einem Vorgebirge endigte,
welches der Buchwald von Grenwitz krönte, war so
unbeschreiblich großartig, daß Oswald einen lauten
Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken konnte.

"Nicht wahr?" sagte Oldenburg, sich neben Os¬

Oldenburg lachend; „ein paar alte graubärtige Söhne
Mohammed's könnten es nicht beſſer. Es fehlt blos
noch, daß wir zum Schluß unſre eignen Fingerſpitzen
küſſen! Aber kommen Sie in's Haus, da können wir
die Sache noch bequemer haben.“

Sie traten auf einen kleinen Flur, von welchem
man auf einer niedrigen breiten Treppe in das obere
Stockwerk auf ein Entrée gelangte, das von oben Licht
empfing. Aus dieſem gingen ſie in ein weites, ziem¬
lich hohes Gemach, zwiſchen deſſen zwei Fenſtern eine
Glasthür auf die breite Gallerie führte, die eine un¬
beſchränkte Ausſicht auf das Meer gewährte, und ob¬
gleich noch ziemlich dreißig Fuß zwiſchen dem Hauſe
und dem ſcharf abfallenden Rande des Ufers lagen,
unmittelbar über der Brandung, welche tief unten
zwiſchen den Rollſteinen und auf den Kieſeln des
Strandes murmelte, zu hängen ſchien.

Der Blick von dieſem erhabenen Standpunkte auf
das blaue, unermeßliche Meer und auf das hohe weiße
Kreideufer, das ſich nach links in einem weiten Halb¬
mond hinziehend, zuletzt in einem Vorgebirge endigte,
welches der Buchwald von Grenwitz krönte, war ſo
unbeſchreiblich großartig, daß Oswald einen lauten
Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken konnte.

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[18/0028] Oldenburg lachend; „ein paar alte graubärtige Söhne Mohammed's könnten es nicht beſſer. Es fehlt blos noch, daß wir zum Schluß unſre eignen Fingerſpitzen küſſen! Aber kommen Sie in's Haus, da können wir die Sache noch bequemer haben.“ Sie traten auf einen kleinen Flur, von welchem man auf einer niedrigen breiten Treppe in das obere Stockwerk auf ein Entrée gelangte, das von oben Licht empfing. Aus dieſem gingen ſie in ein weites, ziem¬ lich hohes Gemach, zwiſchen deſſen zwei Fenſtern eine Glasthür auf die breite Gallerie führte, die eine un¬ beſchränkte Ausſicht auf das Meer gewährte, und ob¬ gleich noch ziemlich dreißig Fuß zwiſchen dem Hauſe und dem ſcharf abfallenden Rande des Ufers lagen, unmittelbar über der Brandung, welche tief unten zwiſchen den Rollſteinen und auf den Kieſeln des Strandes murmelte, zu hängen ſchien. Der Blick von dieſem erhabenen Standpunkte auf das blaue, unermeßliche Meer und auf das hohe weiße Kreideufer, das ſich nach links in einem weiten Halb¬ mond hinziehend, zuletzt in einem Vorgebirge endigte, welches der Buchwald von Grenwitz krönte, war ſo unbeſchreiblich großartig, daß Oswald einen lauten Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken konnte. „Nicht wahr?“ ſagte Oldenburg, ſich neben Os¬

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/28>, abgerufen am 29.03.2024.