über diesen Punkt war allerdings sehr getheilt -- Melitta. Die sonst etwas bleichen Wangen vom leb¬ haften Tanz geröthet, die großen Augen strahlend von Licht und Leben, die schlanken elastischen Glieder der herrlichen Gestalt mit wunderbarer Anmuth in rhyth¬ mischem Schwunge bewegend -- so schwebte sie über den glatten Boden des Saals wie die Muse des Tanzes selbst. Neben dieser blendenden Erscheinung wurden die hübschen Frauen ihres Alters zu Wachs¬ figuren und die jüngeren Mädchen zu allerliebsten Marionetten. So dachte wenigstens Oswald, wenn er sie im Walzer an sich vorbeifliegen sah oder sie ihm Contretanze entgegen schwebte. Ein wunderbares Gemisch widersprechendster Empfindungen erfüllte seine Seele. Seit jenem Augenblick, wo er in Melittas Album das Bild des Baron Oldenburg zum ersten Mal gesehen hatte, war er unablässig von dem Ge¬ danken verfolgt worden: in welchem Verhältniß stand sie zu diesem Mann? Aber so oft auch schon die Frage auf seinen Lippen geschwebt hatte, nie hatte er sie auszusprechen gewagt, und je höher die Sonne seiner Liebe stieg, desto blasser war der drohende Schatten geworden. Heute aber hatte Barnewitzens Erzählung, das Erscheinen des Mannes selbst, Me¬ littas Benehmen in der ersten Begegnung -- die halb
über dieſen Punkt war allerdings ſehr getheilt — Melitta. Die ſonſt etwas bleichen Wangen vom leb¬ haften Tanz geröthet, die großen Augen ſtrahlend von Licht und Leben, die ſchlanken elaſtiſchen Glieder der herrlichen Geſtalt mit wunderbarer Anmuth in rhyth¬ miſchem Schwunge bewegend — ſo ſchwebte ſie über den glatten Boden des Saals wie die Muſe des Tanzes ſelbſt. Neben dieſer blendenden Erſcheinung wurden die hübſchen Frauen ihres Alters zu Wachs¬ figuren und die jüngeren Mädchen zu allerliebſten Marionetten. So dachte wenigſtens Oswald, wenn er ſie im Walzer an ſich vorbeifliegen ſah oder ſie ihm Contretanze entgegen ſchwebte. Ein wunderbares Gemiſch widerſprechendſter Empfindungen erfüllte ſeine Seele. Seit jenem Augenblick, wo er in Melittas Album das Bild des Baron Oldenburg zum erſten Mal geſehen hatte, war er unabläſſig von dem Ge¬ danken verfolgt worden: in welchem Verhältniß ſtand ſie zu dieſem Mann? Aber ſo oft auch ſchon die Frage auf ſeinen Lippen geſchwebt hatte, nie hatte er ſie auszuſprechen gewagt, und je höher die Sonne ſeiner Liebe ſtieg, deſto blaſſer war der drohende Schatten geworden. Heute aber hatte Barnewitzens Erzählung, das Erſcheinen des Mannes ſelbſt, Me¬ littas Benehmen in der erſten Begegnung — die halb
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über dieſen Punkt war allerdings ſehr getheilt —
Melitta. Die ſonſt etwas bleichen Wangen vom leb¬
haften Tanz geröthet, die großen Augen ſtrahlend von
Licht und Leben, die ſchlanken elaſtiſchen Glieder der
herrlichen Geſtalt mit wunderbarer Anmuth in rhyth¬
miſchem Schwunge bewegend — ſo ſchwebte ſie über
den glatten Boden des Saals wie die Muſe des
Tanzes ſelbſt. Neben dieſer blendenden Erſcheinung
wurden die hübſchen Frauen ihres Alters zu Wachs¬
figuren und die jüngeren Mädchen zu allerliebſten
Marionetten. So dachte wenigſtens Oswald, wenn
er ſie im Walzer an ſich vorbeifliegen ſah oder ſie
ihm Contretanze entgegen ſchwebte. Ein wunderbares
Gemiſch widerſprechendſter Empfindungen erfüllte ſeine
Seele. Seit jenem Augenblick, wo er in Melittas
Album das Bild des Baron Oldenburg zum erſten
Mal geſehen hatte, war er unabläſſig von dem Ge¬
danken verfolgt worden: in welchem Verhältniß ſtand
ſie zu dieſem Mann? Aber ſo oft auch ſchon die
Frage auf ſeinen Lippen geſchwebt hatte, nie hatte er
ſie auszuſprechen gewagt, und je höher die Sonne
ſeiner Liebe ſtieg, deſto blaſſer war der drohende
Schatten geworden. Heute aber hatte Barnewitzens
Erzählung, das Erſcheinen des Mannes ſelbſt, Me¬
littas Benehmen in der erſten Begegnung — die halb
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/68>, abgerufen am 19.04.2024.
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