Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Kapitel.

Die jetzt vollständig versammelte Gesellschaft hatte
sich allmälig aus den Zimmern in den Garten be¬
geben, da der herrliche Sommernachmittag unwider¬
stehlich ins Freie lockte. Die älteren Herren und
Damen promenirten in den schattigen Gängen, oder
besichtigten die prächtigen Gewächshäuser; die jungen
Leute suchten auf einem schönen runden Rasenplatze,
der zum Theil von hohen breitkronigen Bäumen über¬
schattet war, gesellschaftliche Spiele zu arrangiren, aus
einer Ecke des Parkes, wo ein Schießstand eingerichtet
war, ertönte von Zeit zu Zeit der scharfe Knall der
neuen Pistolen. Melitta hielt sich, eingedenk der alten
Regel, daß der Ruf junger Frauen in der Gesellschaft
von den alten Damen gemacht wird, und wohl wissend,
daß sie die Freiheiten, die sie sich während des Balls
zu nehmen gedachte, durch einige vorhergehende Opfer
erkaufen müsse, in der Gesellschaft der Gräfin Grie¬

Zweites Kapitel.

Die jetzt vollſtändig verſammelte Geſellſchaft hatte
ſich allmälig aus den Zimmern in den Garten be¬
geben, da der herrliche Sommernachmittag unwider¬
ſtehlich ins Freie lockte. Die älteren Herren und
Damen promenirten in den ſchattigen Gängen, oder
beſichtigten die prächtigen Gewächshäuſer; die jungen
Leute ſuchten auf einem ſchönen runden Raſenplatze,
der zum Theil von hohen breitkronigen Bäumen über¬
ſchattet war, geſellſchaftliche Spiele zu arrangiren, aus
einer Ecke des Parkes, wo ein Schießſtand eingerichtet
war, ertönte von Zeit zu Zeit der ſcharfe Knall der
neuen Piſtolen. Melitta hielt ſich, eingedenk der alten
Regel, daß der Ruf junger Frauen in der Geſellſchaft
von den alten Damen gemacht wird, und wohl wiſſend,
daß ſie die Freiheiten, die ſie ſich während des Balls
zu nehmen gedachte, durch einige vorhergehende Opfer
erkaufen müſſe, in der Geſellſchaft der Gräfin Grie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0044" n="[34]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Zweites Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die jetzt voll&#x017F;tändig ver&#x017F;ammelte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft hatte<lb/>
&#x017F;ich allmälig aus den Zimmern in den Garten be¬<lb/>
geben, da der herrliche Sommernachmittag unwider¬<lb/>
&#x017F;tehlich ins Freie lockte. Die älteren Herren und<lb/>
Damen promenirten in den &#x017F;chattigen Gängen, oder<lb/>
be&#x017F;ichtigten die prächtigen Gewächshäu&#x017F;er; die jungen<lb/>
Leute &#x017F;uchten auf einem &#x017F;chönen runden Ra&#x017F;enplatze,<lb/>
der zum Theil von hohen breitkronigen Bäumen über¬<lb/>
&#x017F;chattet war, ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Spiele zu arrangiren, aus<lb/>
einer Ecke des Parkes, wo ein Schieß&#x017F;tand eingerichtet<lb/>
war, ertönte von Zeit zu Zeit der &#x017F;charfe Knall der<lb/>
neuen Pi&#x017F;tolen. Melitta hielt &#x017F;ich, eingedenk der alten<lb/>
Regel, daß der Ruf junger Frauen in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
von den alten Damen gemacht wird, und wohl wi&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
daß &#x017F;ie die Freiheiten, die &#x017F;ie &#x017F;ich während des Balls<lb/>
zu nehmen gedachte, durch einige vorhergehende Opfer<lb/>
erkaufen mü&#x017F;&#x017F;e, in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Gräfin Grie¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[34]/0044] Zweites Kapitel. Die jetzt vollſtändig verſammelte Geſellſchaft hatte ſich allmälig aus den Zimmern in den Garten be¬ geben, da der herrliche Sommernachmittag unwider¬ ſtehlich ins Freie lockte. Die älteren Herren und Damen promenirten in den ſchattigen Gängen, oder beſichtigten die prächtigen Gewächshäuſer; die jungen Leute ſuchten auf einem ſchönen runden Raſenplatze, der zum Theil von hohen breitkronigen Bäumen über¬ ſchattet war, geſellſchaftliche Spiele zu arrangiren, aus einer Ecke des Parkes, wo ein Schießſtand eingerichtet war, ertönte von Zeit zu Zeit der ſcharfe Knall der neuen Piſtolen. Melitta hielt ſich, eingedenk der alten Regel, daß der Ruf junger Frauen in der Geſellſchaft von den alten Damen gemacht wird, und wohl wiſſend, daß ſie die Freiheiten, die ſie ſich während des Balls zu nehmen gedachte, durch einige vorhergehende Opfer erkaufen müſſe, in der Geſellſchaft der Gräfin Grie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/44
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. [34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/44>, abgerufen am 28.03.2024.