Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

"So, Junker! nun mache, daß Du nach Hause
kommst. Ich muß nach den Kindern sehen, die drüben
auf dem Jochen seinem Bette schlafen. Es hat eben
aufgehört zu regnen, aber es wird bald stärker an¬
fangen. Deshalb halte Dich nicht auf unterwegs.
Adjies."

"Kommen Sie;" sagte Oswald zu Albert, der sich
so eben, gähnend und sich reckend, von seinem harten
Lager erhoben hatte. "Es ist die höchste Zeit, wenn
wir noch zum Abendessen auf dem Schlosse sein wollen.
Adieu, Mutter Clausen."

Adjies, adjies Junker!" sagte die Alte, schon in
der Thür.

Als die beiden jungen Männer auf der schmutzigen
Dorfgasse standen, deutete Albert mit dem Daumen
über die Schulter nach dem Häuschen, das sie so eben
verlassen und sagte:

"Schnurrige alte Dame das! War die Geschichte
nicht famos, Dottore?"

"Haben Sie denn nicht geschlafen?"

"Nicht die Spur. Ich wollte anfänglich, aber ihr
ließt einen ja nicht dazu kommen, und hernach, als
die Geschichte von Baron Harald anfing, war so an
Schlafen nicht mehr zu denken. Aber ich blieb ruhig
liegen, und schnarchte von Zeit zu Zeit, um die Alte

„So, Junker! nun mache, daß Du nach Hauſe
kommſt. Ich muß nach den Kindern ſehen, die drüben
auf dem Jochen ſeinem Bette ſchlafen. Es hat eben
aufgehört zu regnen, aber es wird bald ſtärker an¬
fangen. Deshalb halte Dich nicht auf unterwegs.
Adjies.“

„Kommen Sie;“ ſagte Oswald zu Albert, der ſich
ſo eben, gähnend und ſich reckend, von ſeinem harten
Lager erhoben hatte. „Es iſt die höchſte Zeit, wenn
wir noch zum Abendeſſen auf dem Schloſſe ſein wollen.
Adieu, Mutter Clauſen.“

Adjies, adjies Junker!“ ſagte die Alte, ſchon in
der Thür.

Als die beiden jungen Männer auf der ſchmutzigen
Dorfgaſſe ſtanden, deutete Albert mit dem Daumen
über die Schulter nach dem Häuschen, das ſie ſo eben
verlaſſen und ſagte:

„Schnurrige alte Dame das! War die Geſchichte
nicht famos, Dottore?“

„Haben Sie denn nicht geſchlafen?“

„Nicht die Spur. Ich wollte anfänglich, aber ihr
ließt einen ja nicht dazu kommen, und hernach, als
die Geſchichte von Baron Harald anfing, war ſo an
Schlafen nicht mehr zu denken. Aber ich blieb ruhig
liegen, und ſchnarchte von Zeit zu Zeit, um die Alte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0274" n="264"/>
        <p>&#x201E;So, Junker! nun mache, daß Du nach Hau&#x017F;e<lb/>
komm&#x017F;t. Ich muß nach den Kindern &#x017F;ehen, die drüben<lb/>
auf dem Jochen &#x017F;einem Bette &#x017F;chlafen. Es hat eben<lb/>
aufgehört zu regnen, aber es wird bald &#x017F;tärker an¬<lb/>
fangen. Deshalb halte Dich nicht auf unterwegs.<lb/>
Adjies.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kommen Sie;&#x201C; &#x017F;agte Oswald zu Albert, der &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o eben, gähnend und &#x017F;ich reckend, von &#x017F;einem harten<lb/>
Lager erhoben hatte. &#x201E;Es i&#x017F;t die höch&#x017F;te Zeit, wenn<lb/>
wir noch zum Abende&#x017F;&#x017F;en auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ein wollen.<lb/>
Adieu, Mutter Clau&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Adjies, adjies Junker!&#x201C; &#x017F;agte die Alte, &#x017F;chon in<lb/>
der Thür.</p><lb/>
        <p>Als die beiden jungen Männer auf der &#x017F;chmutzigen<lb/>
Dorfga&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tanden, deutete Albert mit dem Daumen<lb/>
über die Schulter nach dem Häuschen, das &#x017F;ie &#x017F;o eben<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;agte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Schnurrige alte Dame das! War die Ge&#x017F;chichte<lb/>
nicht famos, Dottore?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Haben Sie denn nicht ge&#x017F;chlafen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht die Spur. Ich wollte anfänglich, aber ihr<lb/>
ließt einen ja nicht dazu kommen, und hernach, als<lb/>
die Ge&#x017F;chichte von Baron Harald anfing, war &#x017F;o an<lb/>
Schlafen nicht mehr zu denken. Aber ich blieb ruhig<lb/>
liegen, und &#x017F;chnarchte von Zeit zu Zeit, um die Alte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0274] „So, Junker! nun mache, daß Du nach Hauſe kommſt. Ich muß nach den Kindern ſehen, die drüben auf dem Jochen ſeinem Bette ſchlafen. Es hat eben aufgehört zu regnen, aber es wird bald ſtärker an¬ fangen. Deshalb halte Dich nicht auf unterwegs. Adjies.“ „Kommen Sie;“ ſagte Oswald zu Albert, der ſich ſo eben, gähnend und ſich reckend, von ſeinem harten Lager erhoben hatte. „Es iſt die höchſte Zeit, wenn wir noch zum Abendeſſen auf dem Schloſſe ſein wollen. Adieu, Mutter Clauſen.“ Adjies, adjies Junker!“ ſagte die Alte, ſchon in der Thür. Als die beiden jungen Männer auf der ſchmutzigen Dorfgaſſe ſtanden, deutete Albert mit dem Daumen über die Schulter nach dem Häuschen, das ſie ſo eben verlaſſen und ſagte: „Schnurrige alte Dame das! War die Geſchichte nicht famos, Dottore?“ „Haben Sie denn nicht geſchlafen?“ „Nicht die Spur. Ich wollte anfänglich, aber ihr ließt einen ja nicht dazu kommen, und hernach, als die Geſchichte von Baron Harald anfing, war ſo an Schlafen nicht mehr zu denken. Aber ich blieb ruhig liegen, und ſchnarchte von Zeit zu Zeit, um die Alte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/274
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/274>, abgerufen am 25.04.2024.