Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Corridor in den Garten führte, hinab, davonge¬
schlichen. -- "Geh zu Bett, Alte, sagte der Baron
zu mir, und denke, Du hast dies Alles geträumt, oder
denke auch, was Du willst, mir gilt es gilt es gleich.
Die Komödie kann ja doch nicht ewig dauern."

Und die Komödie war denn nun auch vorbei. Am
nächsten Morgen waren die Alte und der Kammer¬
diener verschwunden und Niemand von uns hat je
wieder etwas von ihnen gesehen oder gehört; Keiner
jemals erfahren, wer sie waren, woher sie kamen.
Nur das Eine war sicher, daß die Alte so wenig des
Barons Tante gewesen war, wie ich seine Mutter.
Die Leute lachten, und der Baron lachte, trotzdem die
Beiden an Silberzeug und Kostbarkeiten mitgenommen
hatten, was sie forttragen konnten, aber ich lachte
nicht, und da war noch eine Andre, die auch nicht
lachte. Das arme herzige Kind! sie wollte es zuerst
gar nicht glauben, daß der Baron sie so schändlich
hätte betrügen können. Sie ging mit weiten, starren,
thränenlosen Augen umher, und wenn sie mir be¬
gegnete, sah sie mich an, so angstvoll, so kummervoll,
daß es mir in's Herz schnitt. Ach, ich konnte ihr ja
nicht helfen; ich konnte nur mit ihr weinen und das
that ich denn redlich, als das arme Kind sich von
ihrem ersten Entsetzen erholt und wieder Thränen ge¬

dem Corridor in den Garten führte, hinab, davonge¬
ſchlichen. — „Geh zu Bett, Alte, ſagte der Baron
zu mir, und denke, Du haſt dies Alles geträumt, oder
denke auch, was Du willſt, mir gilt es gilt es gleich.
Die Komödie kann ja doch nicht ewig dauern.“

Und die Komödie war denn nun auch vorbei. Am
nächſten Morgen waren die Alte und der Kammer¬
diener verſchwunden und Niemand von uns hat je
wieder etwas von ihnen geſehen oder gehört; Keiner
jemals erfahren, wer ſie waren, woher ſie kamen.
Nur das Eine war ſicher, daß die Alte ſo wenig des
Barons Tante geweſen war, wie ich ſeine Mutter.
Die Leute lachten, und der Baron lachte, trotzdem die
Beiden an Silberzeug und Koſtbarkeiten mitgenommen
hatten, was ſie forttragen konnten, aber ich lachte
nicht, und da war noch eine Andre, die auch nicht
lachte. Das arme herzige Kind! ſie wollte es zuerſt
gar nicht glauben, daß der Baron ſie ſo ſchändlich
hätte betrügen können. Sie ging mit weiten, ſtarren,
thränenloſen Augen umher, und wenn ſie mir be¬
gegnete, ſah ſie mich an, ſo angſtvoll, ſo kummervoll,
daß es mir in's Herz ſchnitt. Ach, ich konnte ihr ja
nicht helfen; ich konnte nur mit ihr weinen und das
that ich denn redlich, als das arme Kind ſich von
ihrem erſten Entſetzen erholt und wieder Thränen ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0256" n="246"/>
dem Corridor in den Garten führte, hinab, davonge¬<lb/>
&#x017F;chlichen. &#x2014; &#x201E;Geh zu Bett, Alte, &#x017F;agte der Baron<lb/>
zu mir, und denke, Du ha&#x017F;t dies Alles geträumt, oder<lb/>
denke auch, was Du will&#x017F;t, mir gilt es gilt es gleich.<lb/>
Die Komödie kann ja doch nicht ewig dauern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und die Komödie war denn nun auch vorbei. Am<lb/>
näch&#x017F;ten Morgen waren die Alte und der Kammer¬<lb/>
diener ver&#x017F;chwunden und Niemand von uns hat je<lb/>
wieder etwas von ihnen ge&#x017F;ehen oder gehört; Keiner<lb/>
jemals erfahren, wer &#x017F;ie waren, woher &#x017F;ie kamen.<lb/>
Nur das Eine war &#x017F;icher, daß die Alte &#x017F;o wenig des<lb/>
Barons Tante gewe&#x017F;en war, wie ich &#x017F;eine Mutter.<lb/>
Die Leute lachten, und der Baron lachte, trotzdem die<lb/>
Beiden an Silberzeug und Ko&#x017F;tbarkeiten mitgenommen<lb/>
hatten, was &#x017F;ie forttragen konnten, aber ich lachte<lb/>
nicht, und da war noch eine Andre, die auch nicht<lb/>
lachte. Das arme herzige Kind! &#x017F;ie wollte es zuer&#x017F;t<lb/>
gar nicht glauben, daß der Baron &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;chändlich<lb/>
hätte betrügen können. Sie ging mit weiten, &#x017F;tarren,<lb/>
thränenlo&#x017F;en Augen umher, und wenn &#x017F;ie mir be¬<lb/>
gegnete, &#x017F;ah &#x017F;ie mich an, &#x017F;o ang&#x017F;tvoll, &#x017F;o kummervoll,<lb/>
daß es mir in's Herz &#x017F;chnitt. Ach, ich konnte ihr ja<lb/>
nicht helfen; ich konnte nur mit ihr weinen und das<lb/>
that ich denn redlich, als das arme Kind &#x017F;ich von<lb/>
ihrem er&#x017F;ten Ent&#x017F;etzen erholt und wieder Thränen ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0256] dem Corridor in den Garten führte, hinab, davonge¬ ſchlichen. — „Geh zu Bett, Alte, ſagte der Baron zu mir, und denke, Du haſt dies Alles geträumt, oder denke auch, was Du willſt, mir gilt es gilt es gleich. Die Komödie kann ja doch nicht ewig dauern.“ Und die Komödie war denn nun auch vorbei. Am nächſten Morgen waren die Alte und der Kammer¬ diener verſchwunden und Niemand von uns hat je wieder etwas von ihnen geſehen oder gehört; Keiner jemals erfahren, wer ſie waren, woher ſie kamen. Nur das Eine war ſicher, daß die Alte ſo wenig des Barons Tante geweſen war, wie ich ſeine Mutter. Die Leute lachten, und der Baron lachte, trotzdem die Beiden an Silberzeug und Koſtbarkeiten mitgenommen hatten, was ſie forttragen konnten, aber ich lachte nicht, und da war noch eine Andre, die auch nicht lachte. Das arme herzige Kind! ſie wollte es zuerſt gar nicht glauben, daß der Baron ſie ſo ſchändlich hätte betrügen können. Sie ging mit weiten, ſtarren, thränenloſen Augen umher, und wenn ſie mir be¬ gegnete, ſah ſie mich an, ſo angſtvoll, ſo kummervoll, daß es mir in's Herz ſchnitt. Ach, ich konnte ihr ja nicht helfen; ich konnte nur mit ihr weinen und das that ich denn redlich, als das arme Kind ſich von ihrem erſten Entſetzen erholt und wieder Thränen ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/256
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/256>, abgerufen am 23.04.2024.