Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

drei, und dabei blieb Harald bei Besinnung und Ber¬
kow lag unter dem Tisch."

"War es ein hübscher Mann?" fragte Oswald.

"Nicht so hübsch, wie Harald und lange nicht so
hübsch wie Du, Junker. Er war kleiner und schwäch¬
licher, wie ihr, und Harald hätte es mit sechs solchen
Männern zugleich aufnehmen können. Aber es war
auch weit und breit Niemand so stark und so kühn,
wie Harald. Er konnte das wildeste Pferd im Lauf
aufhalten und zahm und folgsam machen, wie einen
Hund, und in den Sattel sprang er, ohne die Bügel
zu berühren. Sie erzählten sich Wunderdinge von
seiner Riesenkraft, aber es war just so, als sie sagten.
Wenn er zornig war, und er war es nur zu oft, zer¬
brach er einen schweren eichenen Stuhl oder Tisch,
als wären sie von Glas. Dann schwollen ihm die
Adern auf der Stirn an, wie Aeste, und der weiße
Schaum trat ihm vor dem Mund, daß er gräulich an¬
zusehen war; aber wenn er lachte und freundlich that,
da mußte man ihn doch wieder lieb haben. Da konnte
er so schön thun, und so gute Worte geben, daß kein
Mensch nicht glauben konnte, wie böse er war. Denn
böse war er bei alledem; was ihm gefiel, das mußte
er haben, es mochte kosten, was es wollte, und wenn
Alles darüber zu Grunde ging."

drei, und dabei blieb Harald bei Beſinnung und Ber¬
kow lag unter dem Tiſch.“

„War es ein hübſcher Mann?“ fragte Oswald.

„Nicht ſo hübſch, wie Harald und lange nicht ſo
hübſch wie Du, Junker. Er war kleiner und ſchwäch¬
licher, wie ihr, und Harald hätte es mit ſechs ſolchen
Männern zugleich aufnehmen können. Aber es war
auch weit und breit Niemand ſo ſtark und ſo kühn,
wie Harald. Er konnte das wildeſte Pferd im Lauf
aufhalten und zahm und folgſam machen, wie einen
Hund, und in den Sattel ſprang er, ohne die Bügel
zu berühren. Sie erzählten ſich Wunderdinge von
ſeiner Rieſenkraft, aber es war juſt ſo, als ſie ſagten.
Wenn er zornig war, und er war es nur zu oft, zer¬
brach er einen ſchweren eichenen Stuhl oder Tiſch,
als wären ſie von Glas. Dann ſchwollen ihm die
Adern auf der Stirn an, wie Aeſte, und der weiße
Schaum trat ihm vor dem Mund, daß er gräulich an¬
zuſehen war; aber wenn er lachte und freundlich that,
da mußte man ihn doch wieder lieb haben. Da konnte
er ſo ſchön thun, und ſo gute Worte geben, daß kein
Menſch nicht glauben konnte, wie böſe er war. Denn
böſe war er bei alledem; was ihm gefiel, das mußte
er haben, es mochte koſten, was es wollte, und wenn
Alles darüber zu Grunde ging.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="226"/>
drei, und dabei blieb Harald bei Be&#x017F;innung und Ber¬<lb/>
kow lag unter dem Ti&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;War es ein hüb&#x017F;cher Mann?&#x201C; fragte Oswald.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht &#x017F;o hüb&#x017F;ch, wie Harald und lange nicht &#x017F;o<lb/>
hüb&#x017F;ch wie Du, Junker. Er war kleiner und &#x017F;chwäch¬<lb/>
licher, wie ihr, und Harald hätte es mit &#x017F;echs &#x017F;olchen<lb/>
Männern zugleich aufnehmen können. Aber es war<lb/>
auch weit und breit Niemand &#x017F;o &#x017F;tark und &#x017F;o kühn,<lb/>
wie Harald. Er konnte das wilde&#x017F;te Pferd im Lauf<lb/>
aufhalten und zahm und folg&#x017F;am machen, wie einen<lb/>
Hund, und in den Sattel &#x017F;prang er, ohne die Bügel<lb/>
zu berühren. Sie erzählten &#x017F;ich Wunderdinge von<lb/>
&#x017F;einer Rie&#x017F;enkraft, aber es war ju&#x017F;t &#x017F;o, als &#x017F;ie &#x017F;agten.<lb/>
Wenn er zornig war, und er war es nur zu oft, zer¬<lb/>
brach er einen &#x017F;chweren eichenen Stuhl oder Ti&#x017F;ch,<lb/>
als wären &#x017F;ie von Glas. Dann &#x017F;chwollen ihm die<lb/>
Adern auf der Stirn an, wie Ae&#x017F;te, und der weiße<lb/>
Schaum trat ihm vor dem Mund, daß er gräulich an¬<lb/>
zu&#x017F;ehen war; aber wenn er lachte und freundlich that,<lb/>
da mußte man ihn doch wieder lieb haben. Da konnte<lb/>
er &#x017F;o &#x017F;chön thun, und &#x017F;o gute Worte geben, daß kein<lb/>
Men&#x017F;ch nicht glauben konnte, wie bö&#x017F;e er war. Denn<lb/>&#x017F;e war er bei alledem; was ihm gefiel, das mußte<lb/>
er haben, es mochte ko&#x017F;ten, was es wollte, und wenn<lb/>
Alles darüber zu Grunde ging.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0236] drei, und dabei blieb Harald bei Beſinnung und Ber¬ kow lag unter dem Tiſch.“ „War es ein hübſcher Mann?“ fragte Oswald. „Nicht ſo hübſch, wie Harald und lange nicht ſo hübſch wie Du, Junker. Er war kleiner und ſchwäch¬ licher, wie ihr, und Harald hätte es mit ſechs ſolchen Männern zugleich aufnehmen können. Aber es war auch weit und breit Niemand ſo ſtark und ſo kühn, wie Harald. Er konnte das wildeſte Pferd im Lauf aufhalten und zahm und folgſam machen, wie einen Hund, und in den Sattel ſprang er, ohne die Bügel zu berühren. Sie erzählten ſich Wunderdinge von ſeiner Rieſenkraft, aber es war juſt ſo, als ſie ſagten. Wenn er zornig war, und er war es nur zu oft, zer¬ brach er einen ſchweren eichenen Stuhl oder Tiſch, als wären ſie von Glas. Dann ſchwollen ihm die Adern auf der Stirn an, wie Aeſte, und der weiße Schaum trat ihm vor dem Mund, daß er gräulich an¬ zuſehen war; aber wenn er lachte und freundlich that, da mußte man ihn doch wieder lieb haben. Da konnte er ſo ſchön thun, und ſo gute Worte geben, daß kein Menſch nicht glauben konnte, wie böſe er war. Denn böſe war er bei alledem; was ihm gefiel, das mußte er haben, es mochte koſten, was es wollte, und wenn Alles darüber zu Grunde ging.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/236
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/236>, abgerufen am 25.04.2024.