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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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Bärwalde, die ich ganz genau kenne, da ich sie im
vorigen Sommer vermessen habe, gemeint sind."

"Es müßte allerdings eine reizende Ueberraschung
für unsre liebenswürdigen Freunde sein, wenn der im
Testament vorgesehene Fall einträte." sagte Oswald.

"Na, ob!" erwiederte Albert; "leider ist dazu nur
noch sehr wenig Aussicht, da das Legat nur fünfund¬
zwanzig Jahre in suspenso bleibt und dann an die
Familie zurückfällt. Von den fünfundzwanzig müssen
aber mindestens zwei- oder gar schon dreiundzwanzig
verflossen sein, denn ich bin jetzt sechsundzwanzig und
erinnere mich, daß ich mich jedesmal ärgerte, nicht
das testamentarische Alter zu haben."

"Warum?"

"Um mich wenigstens in der reizenden Ungewißheit
wiegen zu können, ob ich nicht am Ende doch der
Ivanhoe wäre, der, aus seinem väterlichen Erbe ver¬
trieben, unbekannt in dem Lande umherirrt, trotz seiner
ritterlichen Abstammung mit Schweinehirten Freund¬
schaft schließen und von alten schmutzigen Juden borgen
muß, bis er endlich das Incognito fallen lassen und
die schöne Rowena als sein ehelich Gemahl heim¬
führen kann, obgleich ich für mein Theil auf den
letzten Punkt weniger Gewicht legen würde."

"Haben Sie Ihrem Herrn Vater, wenn sie sich

Bärwalde, die ich ganz genau kenne, da ich ſie im
vorigen Sommer vermeſſen habe, gemeint ſind.“

„Es müßte allerdings eine reizende Ueberraſchung
für unſre liebenswürdigen Freunde ſein, wenn der im
Teſtament vorgeſehene Fall einträte.“ ſagte Oswald.

„Na, ob!“ erwiederte Albert; „leider iſt dazu nur
noch ſehr wenig Ausſicht, da das Legat nur fünfund¬
zwanzig Jahre in suspenso bleibt und dann an die
Familie zurückfällt. Von den fünfundzwanzig müſſen
aber mindeſtens zwei- oder gar ſchon dreiundzwanzig
verfloſſen ſein, denn ich bin jetzt ſechsundzwanzig und
erinnere mich, daß ich mich jedesmal ärgerte, nicht
das teſtamentariſche Alter zu haben.“

„Warum?“

„Um mich wenigſtens in der reizenden Ungewißheit
wiegen zu können, ob ich nicht am Ende doch der
Ivanhoe wäre, der, aus ſeinem väterlichen Erbe ver¬
trieben, unbekannt in dem Lande umherirrt, trotz ſeiner
ritterlichen Abſtammung mit Schweinehirten Freund¬
ſchaft ſchließen und von alten ſchmutzigen Juden borgen
muß, bis er endlich das Incognito fallen laſſen und
die ſchöne Rowena als ſein ehelich Gemahl heim¬
führen kann, obgleich ich für mein Theil auf den
letzten Punkt weniger Gewicht legen würde.“

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[207/0217] Bärwalde, die ich ganz genau kenne, da ich ſie im vorigen Sommer vermeſſen habe, gemeint ſind.“ „Es müßte allerdings eine reizende Ueberraſchung für unſre liebenswürdigen Freunde ſein, wenn der im Teſtament vorgeſehene Fall einträte.“ ſagte Oswald. „Na, ob!“ erwiederte Albert; „leider iſt dazu nur noch ſehr wenig Ausſicht, da das Legat nur fünfund¬ zwanzig Jahre in suspenso bleibt und dann an die Familie zurückfällt. Von den fünfundzwanzig müſſen aber mindeſtens zwei- oder gar ſchon dreiundzwanzig verfloſſen ſein, denn ich bin jetzt ſechsundzwanzig und erinnere mich, daß ich mich jedesmal ärgerte, nicht das teſtamentariſche Alter zu haben.“ „Warum?“ „Um mich wenigſtens in der reizenden Ungewißheit wiegen zu können, ob ich nicht am Ende doch der Ivanhoe wäre, der, aus ſeinem väterlichen Erbe ver¬ trieben, unbekannt in dem Lande umherirrt, trotz ſeiner ritterlichen Abſtammung mit Schweinehirten Freund¬ ſchaft ſchließen und von alten ſchmutzigen Juden borgen muß, bis er endlich das Incognito fallen laſſen und die ſchöne Rowena als ſein ehelich Gemahl heim¬ führen kann, obgleich ich für mein Theil auf den letzten Punkt weniger Gewicht legen würde.“ „Haben Sie Ihrem Herrn Vater, wenn ſie ſich

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/217>, abgerufen am 28.03.2024.