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Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676.

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Wieviel sind der jenigen/ welche ein so
gar offenbahr unchristliches leben führen/
daß sie selbst nicht in abrede seyn können/ es
gehe in allen stücken von der regel ab/ ohne
vorsatz auch hinkünfftig anders zu leben/
die gleichwol bey allem deme ihnen eine veste
zuversicht einbilden/ daß sie ohneracht dessen
selig werden wollen? Fraget man/ worauff
sich dasselbe gründe/ so wird es sich finden/
sie auch selbst bekennen/ daß sie sich darauff
verlassen/ weil wir ja nicht dörfften auß un-
serm leben selig werden/ so glaubten sie ja
an Christum/ und setzten all ihr vertrauen
auff denselbigen/ daher könne es nicht fehlen/
sie würden gewiß auß solchem glauben selig/
halten deßwegen die fleischliche einbildung
eines glaubens (dann je der Göttliche glaube
nicht ohne den Heiligen Geist/ dieser aber
bey vorsetzlichen und herrschenden sünden
nicht seyn kan) vor den glauben/ der da selig
mache/ welches ein so schrecklicher betrug
deß teuffels ist/ als irgend ein irrthum ge-
wesen oder seyn mag/ einem solchen hirn-
gespänst eines sichern menschen die seligkeit
zu zuschreiben. Ach/ wie redet unser theure
Lutherus so gar anders von dem glauben:

Wo
C

Wieviel ſind der jenigen/ welche ein ſo
gar offenbahr unchriſtliches leben fuͤhren/
daß ſie ſelbſt nicht in abrede ſeyn koͤnnen/ es
gehe in allen ſtuͤcken von der regel ab/ ohne
vorſatz auch hinkuͤnfftig anders zu leben/
die gleichwol bey allem deme ihnen eine veſte
zuverſicht einbilden/ daß ſie ohneracht deſſen
ſelig werden wollen? Fraget man/ worauff
ſich daſſelbe gruͤnde/ ſo wird es ſich finden/
ſie auch ſelbſt bekennen/ daß ſie ſich darauff
verlaſſen/ weil wir ja nicht doͤrfften auß un-
ſerm leben ſelig werden/ ſo glaubten ſie ja
an Chriſtum/ und ſetzten all ihr vertrauen
auff denſelbigen/ daher koͤnne es nicht fehlen/
ſie wuͤrden gewiß auß ſolchem glauben ſelig/
halten deßwegen die fleiſchliche einbildung
eines glaubens (dann je der Goͤttliche glaube
nicht ohne den Heiligen Geiſt/ dieſer aber
bey vorſetzlichen und herꝛſchenden ſuͤnden
nicht ſeyn kan) vor den glauben/ der da ſelig
mache/ welches ein ſo ſchrecklicher betrug
deß teuffels iſt/ als irgend ein irꝛthum ge-
weſen oder ſeyn mag/ einem ſolchen hirn-
geſpaͤnſt eines ſichern menſchen die ſeligkeit
zu zuſchreiben. Ach/ wie redet unſer theure
Lutherus ſo gar anders von dem glauben:

Wo
C
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[49/0075] Wieviel ſind der jenigen/ welche ein ſo gar offenbahr unchriſtliches leben fuͤhren/ daß ſie ſelbſt nicht in abrede ſeyn koͤnnen/ es gehe in allen ſtuͤcken von der regel ab/ ohne vorſatz auch hinkuͤnfftig anders zu leben/ die gleichwol bey allem deme ihnen eine veſte zuverſicht einbilden/ daß ſie ohneracht deſſen ſelig werden wollen? Fraget man/ worauff ſich daſſelbe gruͤnde/ ſo wird es ſich finden/ ſie auch ſelbſt bekennen/ daß ſie ſich darauff verlaſſen/ weil wir ja nicht doͤrfften auß un- ſerm leben ſelig werden/ ſo glaubten ſie ja an Chriſtum/ und ſetzten all ihr vertrauen auff denſelbigen/ daher koͤnne es nicht fehlen/ ſie wuͤrden gewiß auß ſolchem glauben ſelig/ halten deßwegen die fleiſchliche einbildung eines glaubens (dann je der Goͤttliche glaube nicht ohne den Heiligen Geiſt/ dieſer aber bey vorſetzlichen und herꝛſchenden ſuͤnden nicht ſeyn kan) vor den glauben/ der da ſelig mache/ welches ein ſo ſchrecklicher betrug deß teuffels iſt/ als irgend ein irꝛthum ge- weſen oder ſeyn mag/ einem ſolchen hirn- geſpaͤnſt eines ſichern menſchen die ſeligkeit zu zuſchreiben. Ach/ wie redet unſer theure Lutherus ſo gar anders von dem glauben: Wo C

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/75>, abgerufen am 29.03.2024.