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Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676.

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Dann derselbigen ärgernüß thut endlich so
viel schaden nicht. Aber viel schwerer ist
das jenige/ welches herkommt von sünden/
die man nicht mehr vor sünden erkennet/
oder je dero schwehre nicht achtet. Wir
müssen bekennen/ daß die Trunckenheit
unter die zahl gehöre/ welche nicht nur an
hohen und geringen orten bey geist- und
weltlichem stande regieret/ sondern auch ihre
vertheidiger findet/ welche ob sie wol beken-
nen/ daß der jenige/ welcher gar ein hand-
werck drauß machen wolte/ sich damit ver-
sündigte/ dannoch immer darvor halten
wollen/ daß bey gelegenheit einem guten
freund zu gefallen/ da es eben nicht zu offt
geschehe/ einen rausch zu trincken/ keine/
oder eine kaum deß andens würdige sünde
seye. Daher wird solche niemahl bußfertig
erkannt; dann solte sie erkannt werden/ so
muß einmahl der haß gegen sie gefasset seyn/
nun und nimmermehr dieselbe jemand zu
gefallen zu begehen. Wem kommt aber
bey dem gemeinen hauffen dieses nicht gantz
frembd und ungereimt vor/ daß er auch
diese sünde ein vor alle mahl verschweren
müsse/ solle er ein kind GOttes seyn?

Viel-
B 7

Dann derſelbigen aͤrgernuͤß thut endlich ſo
viel ſchaden nicht. Aber viel ſchwerer iſt
das jenige/ welches herkommt von ſuͤnden/
die man nicht mehr vor ſuͤnden erkennet/
oder je dero ſchwehre nicht achtet. Wir
muͤſſen bekennen/ daß die Trunckenheit
unter die zahl gehoͤre/ welche nicht nur an
hohen und geringen orten bey geiſt- und
weltlichem ſtande regieret/ ſondern auch ihre
vertheidiger findet/ welche ob ſie wol beken-
nen/ daß der jenige/ welcher gar ein hand-
werck drauß machen wolte/ ſich damit ver-
ſuͤndigte/ dannoch immer darvor halten
wollen/ daß bey gelegenheit einem guten
freund zu gefallen/ da es eben nicht zu offt
geſchehe/ einen rauſch zu trincken/ keine/
oder eine kaum deß andens wuͤrdige ſuͤnde
ſeye. Daher wird ſolche niemahl bußfertig
erkannt; dann ſolte ſie erkannt werden/ ſo
muß einmahl der haß gegen ſie gefaſſet ſeyn/
nun und nimmermehr dieſelbe jemand zu
gefallen zu begehen. Wem kommt aber
bey dem gemeinen hauffen dieſes nicht gantz
frembd und ungereimt vor/ daß er auch
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muͤſſe/ ſolle er ein kind GOttes ſeyn?

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[37/0063] Dann derſelbigen aͤrgernuͤß thut endlich ſo viel ſchaden nicht. Aber viel ſchwerer iſt das jenige/ welches herkommt von ſuͤnden/ die man nicht mehr vor ſuͤnden erkennet/ oder je dero ſchwehre nicht achtet. Wir muͤſſen bekennen/ daß die Trunckenheit unter die zahl gehoͤre/ welche nicht nur an hohen und geringen orten bey geiſt- und weltlichem ſtande regieret/ ſondern auch ihre vertheidiger findet/ welche ob ſie wol beken- nen/ daß der jenige/ welcher gar ein hand- werck drauß machen wolte/ ſich damit ver- ſuͤndigte/ dannoch immer darvor halten wollen/ daß bey gelegenheit einem guten freund zu gefallen/ da es eben nicht zu offt geſchehe/ einen rauſch zu trincken/ keine/ oder eine kaum deß andens wuͤrdige ſuͤnde ſeye. Daher wird ſolche niemahl bußfertig erkannt; dann ſolte ſie erkannt werden/ ſo muß einmahl der haß gegen ſie gefaſſet ſeyn/ nun und nimmermehr dieſelbe jemand zu gefallen zu begehen. Wem kommt aber bey dem gemeinen hauffen dieſes nicht gantz frembd und ungereimt vor/ daß er auch dieſe ſuͤnde ein vor alle mahl verſchweren muͤſſe/ ſolle er ein kind GOttes ſeyn? Viel- B 7

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/63>, abgerufen am 29.03.2024.