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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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im anfang eingebildet/ (so gar daß ich dergleichen vorsehende zu
der herausgebung schwer würde gekommen seyn) sondern auch
insgesamt von meinem ietzigen zustand nachricht zu geben.

So ist es nun an dem/ daß ich zwar göttliche güte/ wie
vor alles übrige mir erzeigte gute/ also auch vor diese gnade nicht
gnugsam zu preisen vermag/ die mich über mein und ander
menschen vermuthen dermassen bishero gestärcket/ daß in gegen-
wärtigem 68. jährigen alter nicht allein solche kräffte/ vor so vie-
len andern/ die etwa noch nicht so viele jahre zählen/ an gemüth
und leib behalten/ aus denen noch ziemlicher massen fortkom-
men/ meine amts-verrichtungen und predigten unverhindert selbs
ablegen/ und den gantzen tag in meiner arbeit ausharren kan/
(welches eine ungemeine und tieffsten dancks würdige himmli-
sche wohlthat an mir unwürdigen und schwachen erzeiget ist) ie-
doch bereits die abnehmung der kräfften/ in gegenhaltung der
vorigen jahre/ in unterschiedlichem (dardurch mich der himmli-
sche Vater nach seiner barmhertzigkeit meines bevorstehenden en-
des heilsamlich erinnert) vornemlich aber darinne/ spüre/ daß
die hand zu schreiben bey einigen jahren so langsam wird/ daß
nun mehr als zwey stunden an etwas zu schreiben nöthig habe/
worzu ich vor diesem keine gantze stunde bedorfft hätte. Da lasse
ich nun einen Christlichen menschen urtheilen/ nachdem ich wö-
chentlich amtswegen zweymal zu predigen habe/ mich auch nach
vermögen es selbs zu verrichten verbunden achte/ daher selten et-
was bestelle/ hingegen gewohnet bin ordentlich alle meine pre-
digten völlig zu concipiren/ ob mir bey meiner jetzigen langsa-
men hand/ wann die zeit zu den beyden concepten/ sodann an-
dern amts-geschäfften/ zuspruch und dergleichen anzuwenden/
abgerechnet wird/ fast noch einige zeit zu verfertigung anderer
arbeiten und briefe übrig bleibe; wie in der that manche woche
verstreich et/ in dero kaum zu einigen zeilen ein viertelstündlein
erübrigen kan.

Jch führe diese bewandnüß bey gegenwärtiger gelegenheit
gerne an/ nicht damit mich über den liebsten Vater zu beschwe-

ren/
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im anfang eingebildet/ (ſo gar daß ich dergleichen vorſehende zu
der herausgebung ſchwer wuͤrde gekommen ſeyn) ſondern auch
insgeſamt von meinem ietzigen zuſtand nachricht zu geben.

So iſt es nun an dem/ daß ich zwar goͤttliche guͤte/ wie
vor alles uͤbrige mir erzeigte gute/ alſo auch vor dieſe gnade nicht
gnugſam zu preiſen vermag/ die mich uͤber mein und ander
menſchen vermuthen dermaſſen bishero geſtaͤrcket/ daß in gegen-
waͤrtigem 68. jaͤhrigen alter nicht allein ſolche kraͤffte/ vor ſo vie-
len andern/ die etwa noch nicht ſo viele jahre zaͤhlen/ an gemuͤth
und leib behalten/ aus denen noch ziemlicher maſſen fortkom-
men/ meine amts-verrichtungen und predigten unverhindert ſelbs
ablegen/ und den gantzen tag in meiner arbeit ausharren kan/
(welches eine ungemeine und tieffſten dancks wuͤrdige himmli-
ſche wohlthat an mir unwuͤrdigen und ſchwachen erzeiget iſt) ie-
doch bereits die abnehmung der kraͤfften/ in gegenhaltung der
vorigen jahre/ in unterſchiedlichem (dardurch mich der himmli-
ſche Vater nach ſeiner barmhertzigkeit meines bevorſtehenden en-
des heilſamlich erinnert) vornemlich aber darinne/ ſpuͤre/ daß
die hand zu ſchreiben bey einigen jahren ſo langſam wird/ daß
nun mehr als zwey ſtunden an etwas zu ſchreiben noͤthig habe/
worzu ich vor dieſem keine gantze ſtunde bedorfft haͤtte. Da laſſe
ich nun einen Chriſtlichen menſchen urtheilen/ nachdem ich woͤ-
chentlich amtswegen zweymal zu predigen habe/ mich auch nach
vermoͤgen es ſelbs zu verrichten verbunden achte/ daher ſelten et-
was beſtelle/ hingegen gewohnet bin ordentlich alle meine pre-
digten voͤllig zu concipiren/ ob mir bey meiner jetzigen langſa-
men hand/ wann die zeit zu den beyden concepten/ ſodann an-
dern amts-geſchaͤfften/ zuſpruch und dergleichen anzuwenden/
abgerechnet wird/ faſt noch einige zeit zu verfertigung anderer
arbeiten und briefe uͤbrig bleibe; wie in der that manche woche
verſtreich et/ in dero kaum zu einigen zeilen ein viertelſtuͤndlein
eruͤbrigen kan.

Jch fuͤhre dieſe bewandnuͤß bey gegenwaͤrtiger gelegenheit
gerne an/ nicht damit mich uͤber den liebſten Vater zu beſchwe-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/9>, abgerufen am 28.03.2024.