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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. VII.
SECTIO VII.
Von dem dritten Engel Offenb. Joh. 14. Wer
er seye? Wie man sich in der wachsenden gefahr vor
dem Pabstum zu halten und die gemeinden dar-
vor zu verwahren habe. Christiani Aletho-
phili
schrifft.

DEsselben Christliche gedancken über den zustand unserer zeit habe
wol verstanden, und beantworte itzo in der furcht des HERREN
so viel als itzo von mir geschehen kan. 1. Was die zeit selbs anlangt,
meine ich, es werden mit uns die meiste, so etwas tieffer unser wesen einsehen,
einig seyn, daß nemlich das gericht, so von dem hause des HErrn anfahen,
und zurück auf Babel zu seinem endlichen untergang fallen solle, vorhanden
und uns nechst seye. So möchte auch der berührte grosse König ein ziemlich
instrument solcher gerichte seyn. Aber 2. was die pflicht anlangt der jünger
des HErrn zu solcher zeit, sehe ich die sache nicht auf einerley weise an. Jch
lasse gelten, der Engel Offenb. 14, 9. hat seine stimme hören lassen oder wird
sich bald hören lassen: Es folget aber nicht E. müssen alle, die engel sind,
diese stimme auf gleiche weise führen. Sondern es mögen wol jegliche
Engel, mit den posaunen und schalen, singula individua der lehrer bedeuten,
wo nemlich damit etwas menschliches angedeutet werden solle: oder ob et-
wa, wie die Apocalypsis ein drama ist, die Engel so aufgeführet werden, nur
mit ihren verrichtungen und stimmen andeuten, was als denn geschehen wer-
de, so den nachkommenden, und denen welche als dann leben werden, zum be-
richt dienen kan. Den ersten Engel halten die unsrige insgemein vor Luthe-
rum, und also eine einzele person, so ich zwar dahin gestellet seyn lasse, und zu
bedencken wäre, ob er nicht der andere Engel vielmehr wäre. Dem seye aber
wie ihm wolle, sehe ich nicht mehr aus solches dritten Engels predigt, als daß
es eine gefährliche zeit seyn werde, wegen der macht und grimm des thiers,
so die menschen zu seiner anbetung und verehrung nöthigen will, damit lässt
GOTT durch einen Engel solche leute dieser zeit warnen, daß sie nicht ge-
horsamen sondern die schreckliche straffen des sonsten folgenden zorns anse-
hen sollen. Mehr folget nicht daraus. Dann wir prediger nicht eben al-
le derselbe dritte Engel seynd, sondern vielmehr mit unter der zahl der jenigen
denen GOTT durch ihn zuruffen lässet/ daß wir also uns selbs hüten und
die gemeinde verwahren und wehren helffen sollen. Auf was weise aber
solches geschehen solle. stehet hie nicht, sondern ist eines jeglichen christlichen

erwe-
d 3
ARTIC. I. SECT. VII.
SECTIO VII.
Von dem dritten Engel Offenb. Joh. 14. Wer
er ſeye? Wie man ſich in der wachſenden gefahr vor
dem Pabſtum zu halten und die gemeinden dar-
vor zu verwahren habe. Chriſtiani Aletho-
phili
ſchrifft.

DEſſelben Chriſtliche gedancken uͤber den zuſtand unſerer zeit habe
wol verſtanden, und beantworte itzo in der furcht des HERREN
ſo viel als itzo von mir geſchehen kan. 1. Was die zeit ſelbs anlangt,
meine ich, es werden mit uns die meiſte, ſo etwas tieffer unſer weſen einſehen,
einig ſeyn, daß nemlich das gericht, ſo von dem hauſe des HErrn anfahen,
und zuruͤck auf Babel zu ſeinem endlichen untergang fallen ſolle, vorhanden
und uns nechſt ſeye. So moͤchte auch der beruͤhrte groſſe Koͤnig ein ziemlich
inſtrument ſolcher gerichte ſeyn. Aber 2. was die pflicht anlangt der juͤnger
des HErrn zu ſolcher zeit, ſehe ich die ſache nicht auf einerley weiſe an. Jch
laſſe gelten, der Engel Offenb. 14, 9. hat ſeine ſtimme hoͤren laſſen oder wird
ſich bald hoͤren laſſen: Es folget aber nicht E. muͤſſen alle, die engel ſind,
dieſe ſtimme auf gleiche weiſe fuͤhren. Sondern es moͤgen wol jegliche
Engel, mit den poſaunen und ſchalen, ſingula individua der lehrer bedeuten,
wo nemlich damit etwas menſchliches angedeutet werden ſolle: oder ob et-
wa, wie die Apocalypſis ein drama iſt, die Engel ſo aufgefuͤhret werden, nur
mit ihren verrichtungen und ſtimmen andeuten, was als denn geſchehen wer-
de, ſo den nachkommenden, und denen welche als dann leben werden, zum be-
richt dienen kan. Den erſten Engel halten die unſrige insgemein vor Luthe-
rum, und alſo eine einzele perſon, ſo ich zwar dahin geſtellet ſeyn laſſe, und zu
bedencken waͤre, ob er nicht der andere Engel vielmehr waͤre. Dem ſeye aber
wie ihm wolle, ſehe ich nicht mehr aus ſolches dritten Engels predigt, als daß
es eine gefaͤhrliche zeit ſeyn werde, wegen der macht und grimm des thiers,
ſo die menſchen zu ſeiner anbetung und verehrung noͤthigen will, damit laͤſſt
GOTT durch einen Engel ſolche leute dieſer zeit warnen, daß ſie nicht ge-
horſamen ſondern die ſchreckliche ſtraffen des ſonſten folgenden zorns anſe-
hen ſollen. Mehr folget nicht daraus. Dann wir prediger nicht eben al-
le derſelbe dritte Engel ſeynd, ſondern vielmehr mit unter der zahl der jenigen
denen GOTT durch ihn zuruffen laͤſſet/ daß wir alſo uns ſelbs huͤten und
die gemeinde verwahren und wehren helffen ſollen. Auf was weiſe aber
ſolches geſchehen ſolle. ſtehet hie nicht, ſondern iſt eines jeglichen chriſtlichen

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[29/0041] ARTIC. I. SECT. VII. SECTIO VII. Von dem dritten Engel Offenb. Joh. 14. Wer er ſeye? Wie man ſich in der wachſenden gefahr vor dem Pabſtum zu halten und die gemeinden dar- vor zu verwahren habe. Chriſtiani Aletho- phili ſchrifft. DEſſelben Chriſtliche gedancken uͤber den zuſtand unſerer zeit habe wol verſtanden, und beantworte itzo in der furcht des HERREN ſo viel als itzo von mir geſchehen kan. 1. Was die zeit ſelbs anlangt, meine ich, es werden mit uns die meiſte, ſo etwas tieffer unſer weſen einſehen, einig ſeyn, daß nemlich das gericht, ſo von dem hauſe des HErrn anfahen, und zuruͤck auf Babel zu ſeinem endlichen untergang fallen ſolle, vorhanden und uns nechſt ſeye. So moͤchte auch der beruͤhrte groſſe Koͤnig ein ziemlich inſtrument ſolcher gerichte ſeyn. Aber 2. was die pflicht anlangt der juͤnger des HErrn zu ſolcher zeit, ſehe ich die ſache nicht auf einerley weiſe an. Jch laſſe gelten, der Engel Offenb. 14, 9. hat ſeine ſtimme hoͤren laſſen oder wird ſich bald hoͤren laſſen: Es folget aber nicht E. muͤſſen alle, die engel ſind, dieſe ſtimme auf gleiche weiſe fuͤhren. Sondern es moͤgen wol jegliche Engel, mit den poſaunen und ſchalen, ſingula individua der lehrer bedeuten, wo nemlich damit etwas menſchliches angedeutet werden ſolle: oder ob et- wa, wie die Apocalypſis ein drama iſt, die Engel ſo aufgefuͤhret werden, nur mit ihren verrichtungen und ſtimmen andeuten, was als denn geſchehen wer- de, ſo den nachkommenden, und denen welche als dann leben werden, zum be- richt dienen kan. Den erſten Engel halten die unſrige insgemein vor Luthe- rum, und alſo eine einzele perſon, ſo ich zwar dahin geſtellet ſeyn laſſe, und zu bedencken waͤre, ob er nicht der andere Engel vielmehr waͤre. Dem ſeye aber wie ihm wolle, ſehe ich nicht mehr aus ſolches dritten Engels predigt, als daß es eine gefaͤhrliche zeit ſeyn werde, wegen der macht und grimm des thiers, ſo die menſchen zu ſeiner anbetung und verehrung noͤthigen will, damit laͤſſt GOTT durch einen Engel ſolche leute dieſer zeit warnen, daß ſie nicht ge- horſamen ſondern die ſchreckliche ſtraffen des ſonſten folgenden zorns anſe- hen ſollen. Mehr folget nicht daraus. Dann wir prediger nicht eben al- le derſelbe dritte Engel ſeynd, ſondern vielmehr mit unter der zahl der jenigen denen GOTT durch ihn zuruffen laͤſſet/ daß wir alſo uns ſelbs huͤten und die gemeinde verwahren und wehren helffen ſollen. Auf was weiſe aber ſolches geſchehen ſolle. ſtehet hie nicht, ſondern iſt eines jeglichen chriſtlichen erwe- d 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/41>, abgerufen am 19.04.2024.