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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
wircklich etwas der schuldigen liebes-wercke deswegen entzeucht (wie
dann pracht und unbarmhertzigkeit gemeiniglich beysammen sind/ nach
dem exempel des schlemmers Luc. 16/ 19. 20. 21.) oder sich dergleichen reich-
licher thun zu können unfähig macht/ und dann ihm selbs und den seinigen
an demjenigen schaden thut/ was er besser hätte anwenden sollen. Ob nun
wol diese sünde an denjenigen noch so viel schwehrer ist/ welche ohne daß
der mittel wenig haben/ und sie also destomehr zurath zuhalten hätten/ so
bleibets doch auch sünde bey denen/ welche durch den pracht nicht eben so
mercklichen abgang der mittel/ die sie überflüßig haben/ spüren: dann gleich-
wol auch derselbigen nichts um unnützlich zu verthun von GOtt gegeben
ist.
6. Es ist auch sündlich die leichtsinnigkeit in änderung der kleider und moden/
und der den kindern GOttes anständigen beständigkeit und bescheidenheit
entgegen: gehöret auch allerdings unter die eitelkeit des sinnes/ liebe der
welt und gleichstellung derselbigen/ davon Christen entfernt sollen seyn:
und achte ich es auch mit recht zu zählen unter die pompas seculi, welchen
die alte Christen bey der tauff abzusagen pflegten/ an welcher wort platz
in einigen unsrer Kirchen in dem reich gesetzt wird/ der weltlichen üppig-
keit:
dero man widersage.
7. Endlich kan auch in der sache gesündiget werden durch ärgernüß/ wo leute/
sonderlich welche sonsten vor Christlich und gottsfürchtig angesehen wer-
den wollen/ einige dinge tragen/ welche sie wissen/ daß sie/ vornemlich ih-
res orts und zu ihrer zeit/ vor eiteln pracht gehalten werden/ indem andre/
meistens aber schwache/ sich bey ihnen daran stossen und ärgern: um wel-
cher willen gleichwol/ wo wahre liebe bey ihnen wäre/ sie sich lieber auch so
gar ihrer freyheit zu begeben/ als einen anstoß andern zu setzen/ verbunden
wären/ hingegen sich mit solchem schein des bösen allerdings versündigen.

Auff diese/ und vielleicht einige andre dergleichen arten können kleider
und schmuck zur sünde werden/ aber wie wir sehen/ daß allezeit das formale
der sünden in etwas stehet/ das in des menschen hertz und gemüth stecket.

Voraus gesetzt nun dessen/ wirds so viel leichter/ die meinung der stellen
beyder Apostel zu fassen/ als welche den allgemeinen principiis nicht entge-
gen seyn können/ sondern nach denselben verstanden werden müssen.

Nemlich 1. daß nicht bloß dahin alles gold und perlen/ oder ander
köstliches gewandt/ noch alle ordnung der haar/ als etwas an sich selbs und
allen Christinnen unanständiges/ verboten seyn könne/ erhellet aus obigem: ab-
sonderlich aber auch aus dem/ daß unter Christen solche seyn können/ welchen
GOtt auch in dem irrdischen durch ihren hohen stand sonderbahre ehre bey-
gele-
Das erſte Capitel.
wircklich etwas der ſchuldigen liebes-wercke deswegen entzeucht (wie
dann pracht und unbarmhertzigkeit gemeiniglich beyſammen ſind/ nach
dem exempel des ſchlemmers Luc. 16/ 19. 20. 21.) oder ſich dergleichen reich-
licher thun zu koͤnnen unfaͤhig macht/ und dann ihm ſelbs und den ſeinigen
an demjenigen ſchaden thut/ was er beſſer haͤtte anwenden ſollen. Ob nun
wol dieſe ſuͤnde an denjenigen noch ſo viel ſchwehrer iſt/ welche ohne daß
der mittel wenig haben/ und ſie alſo deſtomehr zurath zuhalten haͤtten/ ſo
bleibets doch auch ſuͤnde bey denen/ welche durch den pracht nicht eben ſo
mercklichen abgang der mittel/ die ſie uͤberfluͤßig haben/ ſpuͤren: dann gleich-
wol auch derſelbigen nichts um unnuͤtzlich zu verthun von GOtt gegeben
iſt.
6. Es iſt auch ſuͤndlich die leichtſinnigkeit in aͤnderung der kleider und moden/
und der den kindern GOttes anſtaͤndigen beſtaͤndigkeit und beſcheidenheit
entgegen: gehoͤret auch allerdings unter die eitelkeit des ſinnes/ liebe der
welt und gleichſtellung derſelbigen/ davon Chriſten entfernt ſollen ſeyn:
und achte ich es auch mit recht zu zaͤhlen unter die pompas ſeculi, welchen
die alte Chriſten bey der tauff abzuſagen pflegten/ an welcher wort platz
in einigen unſrer Kirchen in dem reich geſetzt wird/ der weltlichen uͤppig-
keit:
dero man widerſage.
7. Endlich kan auch in der ſache geſuͤndiget werden durch aͤrgernuͤß/ wo leute/
ſonderlich welche ſonſten vor Chriſtlich und gottsfuͤrchtig angeſehen wer-
den wollen/ einige dinge tragen/ welche ſie wiſſen/ daß ſie/ vornemlich ih-
res orts und zu ihrer zeit/ vor eiteln pracht gehalten werden/ indem andre/
meiſtens aber ſchwache/ ſich bey ihnen daran ſtoſſen und aͤrgern: um wel-
cher willen gleichwol/ wo wahre liebe bey ihnen waͤre/ ſie ſich lieber auch ſo
gar ihrer freyheit zu begeben/ als einen anſtoß andern zu ſetzen/ verbunden
waͤren/ hingegen ſich mit ſolchem ſchein des boͤſen allerdings verſuͤndigen.

Auff dieſe/ und vielleicht einige andre dergleichen arten koͤnnen kleider
und ſchmuck zur ſuͤnde werden/ aber wie wir ſehen/ daß allezeit das formale
der ſuͤnden in etwas ſtehet/ das in des menſchen hertz und gemuͤth ſtecket.

Voraus geſetzt nun deſſen/ wirds ſo viel leichter/ die meinung der ſtellen
beyder Apoſtel zu faſſen/ als welche den allgemeinen principiis nicht entge-
gen ſeyn koͤnnen/ ſondern nach denſelben verſtanden werden muͤſſen.

Nemlich 1. daß nicht bloß dahin alles gold und perlen/ oder ander
koͤſtliches gewandt/ noch alle ordnung der haar/ als etwas an ſich ſelbs und
allen Chriſtinnen unanſtaͤndiges/ verboten ſeyn koͤñe/ erhellet aus obigem: ab-
ſonderlich aber auch aus dem/ daß unter Chriſten ſolche ſeyn koͤnnen/ welchen
GOtt auch in dem irrdiſchen durch ihren hohen ſtand ſonderbahre ehre bey-
gele-
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[28/0044] Das erſte Capitel. wircklich etwas der ſchuldigen liebes-wercke deswegen entzeucht (wie dann pracht und unbarmhertzigkeit gemeiniglich beyſammen ſind/ nach dem exempel des ſchlemmers Luc. 16/ 19. 20. 21.) oder ſich dergleichen reich- licher thun zu koͤnnen unfaͤhig macht/ und dann ihm ſelbs und den ſeinigen an demjenigen ſchaden thut/ was er beſſer haͤtte anwenden ſollen. Ob nun wol dieſe ſuͤnde an denjenigen noch ſo viel ſchwehrer iſt/ welche ohne daß der mittel wenig haben/ und ſie alſo deſtomehr zurath zuhalten haͤtten/ ſo bleibets doch auch ſuͤnde bey denen/ welche durch den pracht nicht eben ſo mercklichen abgang der mittel/ die ſie uͤberfluͤßig haben/ ſpuͤren: dann gleich- wol auch derſelbigen nichts um unnuͤtzlich zu verthun von GOtt gegeben iſt. 6. Es iſt auch ſuͤndlich die leichtſinnigkeit in aͤnderung der kleider und moden/ und der den kindern GOttes anſtaͤndigen beſtaͤndigkeit und beſcheidenheit entgegen: gehoͤret auch allerdings unter die eitelkeit des ſinnes/ liebe der welt und gleichſtellung derſelbigen/ davon Chriſten entfernt ſollen ſeyn: und achte ich es auch mit recht zu zaͤhlen unter die pompas ſeculi, welchen die alte Chriſten bey der tauff abzuſagen pflegten/ an welcher wort platz in einigen unſrer Kirchen in dem reich geſetzt wird/ der weltlichen uͤppig- keit: dero man widerſage. 7. Endlich kan auch in der ſache geſuͤndiget werden durch aͤrgernuͤß/ wo leute/ ſonderlich welche ſonſten vor Chriſtlich und gottsfuͤrchtig angeſehen wer- den wollen/ einige dinge tragen/ welche ſie wiſſen/ daß ſie/ vornemlich ih- res orts und zu ihrer zeit/ vor eiteln pracht gehalten werden/ indem andre/ meiſtens aber ſchwache/ ſich bey ihnen daran ſtoſſen und aͤrgern: um wel- cher willen gleichwol/ wo wahre liebe bey ihnen waͤre/ ſie ſich lieber auch ſo gar ihrer freyheit zu begeben/ als einen anſtoß andern zu ſetzen/ verbunden waͤren/ hingegen ſich mit ſolchem ſchein des boͤſen allerdings verſuͤndigen. Auff dieſe/ und vielleicht einige andre dergleichen arten koͤnnen kleider und ſchmuck zur ſuͤnde werden/ aber wie wir ſehen/ daß allezeit das formale der ſuͤnden in etwas ſtehet/ das in des menſchen hertz und gemuͤth ſtecket. Voraus geſetzt nun deſſen/ wirds ſo viel leichter/ die meinung der ſtellen beyder Apoſtel zu faſſen/ als welche den allgemeinen principiis nicht entge- gen ſeyn koͤnnen/ ſondern nach denſelben verſtanden werden muͤſſen. Nemlich 1. daß nicht bloß dahin alles gold und perlen/ oder ander koͤſtliches gewandt/ noch alle ordnung der haar/ als etwas an ſich ſelbs und allen Chriſtinnen unanſtaͤndiges/ verboten ſeyn koͤñe/ erhellet aus obigem: ab- ſonderlich aber auch aus dem/ daß unter Chriſten ſolche ſeyn koͤnnen/ welchen GOtt auch in dem irrdiſchen durch ihren hohen ſtand ſonderbahre ehre bey- gele-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/44>, abgerufen am 29.03.2024.