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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Erinnerungs Vorrede

Wann derowegen der Günstige Leser in die-
sen Reimen hin und wider derogleichen finden
wird; so wolle er sie auch nach disem Verstande
richten und verstehen.

Wie wol ich nun was disen Punct anbe-
langt zur genüge mich vermeine erklärt zuha-
ben; so muß ich doch noch einen schönen Text
auß
Dionijsio Carthusiano anher setzen: dieser
redet
Artic. 42. in Exod. also/ Alsdann wird die
Seele gantz in das unendliche Licht außgebreitet/ der
überwesentlichen GOttheit und überseeligsten Dreyei-
nigkeit/ so strahlend/ Liebreich und nahe copulirt oder
verbunden/ daß sie nichts andres verspüret/ noch ihre ei-
gne Würckung warnimt: sondern sie Verfleust von jhr
selbst/ und fleust wider in jhren eigenen Bronnen/ und
also wird sie in die Reichtümber der Glorien verzukket/
in dem Feuer der ungeschaffenen unaußmäßlichen Liebe
verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet
und verschlukket/ daß sie scheint etlicher massen das ge-
schaffene Wesen auß- und das ungeschaffene und erste
Musterwesen (esse ideale) wider anzuziehen, Nicht daß
die Selbständigkeit verwandelt oder das eigene Wesen
weg genommen werde/ sondern weil die Weise zuseyn/
und die Eigenschafft oder qualitet zuleben Vergöttet
wird: Das ist/ GOtte und seiner überseeligsten Seelig-
keit übernatürlich und genädiglich vergleichet wird:
und also wird fürtrefflich erfüllet deß Apostels Wort;
Wer dem HErren anhängt ist ein Geist mit ihm/ etc.

Wenn nu der Mensch zu solcher Vollkomner
gleichheit GOttes gelangt ist/ daß er ein Geist
mit GOtt/ und eins mit jhm worden/ und in
Christo die gäntzliche Kind- oder Sohnschafft

erreicht
Erinnerungs Vorrede

Wann derowegen der Guͤnſtige Leſer in die-
ſen Reimen hin und wider derogleichen finden
wird; ſo wolle er ſie auch nach diſem Verſtande
richten und verſtehen.

Wie wol ich nun was diſen Punct anbe-
langt zur genuͤge mich vermeine erklaͤrt zuha-
ben; ſo muß ich doch noch einen ſchoͤnen Text
auß
Dionijſio Carthuſiano anher ſetzen: dieſer
redet
Artic. 42. in Exod. alſo/ Alsdann wird die
Seele gantz in das unendliche Licht außgebreitet/ der
uͤberweſentlichen GOttheit und uͤberſeeligſten Dreyei-
nigkeit/ ſo ſtrahlend/ Liebreich und nahe copulirt oder
verbunden/ daß ſie nichts andres verſpuͤret/ noch ihre ei-
gne Wuͤrckung warnimt: ſondern ſie Verfleuſt von jhr
ſelbſt/ und fleuſt wider in jhren eigenen Bronnen/ und
alſo wird ſie in die Reichtuͤmber der Glorien verzukket/
in dem Feuer der ungeſchaffenen unaußmaͤßlichen Liebe
verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet
und verſchlukket/ daß ſie ſcheint etlicher maſſen das ge-
ſchaffene Weſen auß- und das ungeſchaffene und erſte
Muſterweſen (eſſe ideale) wider anzuziehen, Nicht daß
die Selbſtaͤndigkeit verwandelt oder das eigene Weſen
weg genommen werde/ ſondern weil die Weiſe zuſeyn/
und die Eigenſchafft oder qualitet zuleben Vergoͤttet
wird: Das iſt/ GOtte und ſeiner uͤberſeeligſten Seelig-
keit uͤbernatuͤrlich und genaͤdiglich vergleichet wird:
und alſo wird fuͤrtrefflich erfuͤllet deß Apoſtels Wort;
Wer dem HErren anhaͤngt iſt ein Geiſt mit ihm/ ꝛc.

Wenn nu der Menſch zu ſolcher Vollkomner
gleichheit GOttes gelangt iſt/ daß er ein Geiſt
mit GOtt/ und eins mit jhm worden/ und in
Chriſto die gaͤntzliche Kind- oder Sohnſchafft

erreicht
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[14/0020] Erinnerungs Vorrede Wann derowegen der Guͤnſtige Leſer in die- ſen Reimen hin und wider derogleichen finden wird; ſo wolle er ſie auch nach diſem Verſtande richten und verſtehen. Wie wol ich nun was diſen Punct anbe- langt zur genuͤge mich vermeine erklaͤrt zuha- ben; ſo muß ich doch noch einen ſchoͤnen Text auß Dionijſio Carthuſiano anher ſetzen: dieſer redet Artic. 42. in Exod. alſo/ Alsdann wird die Seele gantz in das unendliche Licht außgebreitet/ der uͤberweſentlichen GOttheit und uͤberſeeligſten Dreyei- nigkeit/ ſo ſtrahlend/ Liebreich und nahe copulirt oder verbunden/ daß ſie nichts andres verſpuͤret/ noch ihre ei- gne Wuͤrckung warnimt: ſondern ſie Verfleuſt von jhr ſelbſt/ und fleuſt wider in jhren eigenen Bronnen/ und alſo wird ſie in die Reichtuͤmber der Glorien verzukket/ in dem Feuer der ungeſchaffenen unaußmaͤßlichen Liebe verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet und verſchlukket/ daß ſie ſcheint etlicher maſſen das ge- ſchaffene Weſen auß- und das ungeſchaffene und erſte Muſterweſen (eſſe ideale) wider anzuziehen, Nicht daß die Selbſtaͤndigkeit verwandelt oder das eigene Weſen weg genommen werde/ ſondern weil die Weiſe zuſeyn/ und die Eigenſchafft oder qualitet zuleben Vergoͤttet wird: Das iſt/ GOtte und ſeiner uͤberſeeligſten Seelig- keit uͤbernatuͤrlich und genaͤdiglich vergleichet wird: und alſo wird fuͤrtrefflich erfuͤllet deß Apoſtels Wort; Wer dem HErren anhaͤngt iſt ein Geiſt mit ihm/ ꝛc. Wenn nu der Menſch zu ſolcher Vollkomner gleichheit GOttes gelangt iſt/ daß er ein Geiſt mit GOtt/ und eins mit jhm worden/ und in Chriſto die gaͤntzliche Kind- oder Sohnſchafft erreicht

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/20>, abgerufen am 28.03.2024.