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Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

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Erjnnerungs Vorred
sey. Derowegen sagt Thaulerus in seinen Geist-
lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Aller-
höchste nicht machen kondte/ daß wir von Na-
tur GOtt wären (denn diß steht Jhm alleine
zu) so hat Er gemacht/ daß wir GOtt wäre
auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in
jmmerwehrender Liebe besitzen mögen eine See-
ligkeit/ eine Freüde/ und ein einiges König-
reich: Sondern dieses ist sein Sinn/ daß die
Gewürdigte und Heilige Seele zu solcher naher
Vereinigung mit GOtt und seinem Göttlichen
Wesen gelange/ daß sie mit demselben gantz und
gar durchdrungen/ überformet/ Vereinigt und
eines sey; dermassen/ daß wenn man sie sehen
solte/ man an jhr nichts anders sehen und erken-
nen würde als GOtt; wie dann im ewigen Le-
den geschehen wird: Weil sie von dem Glantze
seiner Herrlichkeit gleichsamb gantz Verschlun-
gen sein wird. Ja daß sie zu solcher Vollkomner
gleichnüß GOttes gelangen könne/ daß sie eben
daß Jenige sey (auß Genaden) was GOtt ist
(von Natur;) und also in disem Verstande
recht und wol ein Liecht in dem Liechte/ ein
Wort in dem Worte/ und ein GOTT in
GOtte (wie in den Reimen geredet wird) kön-
ne genennet werden. Sinthemal/ wie ein alter
Lehrer sagt/ GOtt der Vatter hat nur einen
Sohn/ und derselbe sind wir alle in Christo.
Sind wir nun Söhne in Christo so müssen wir

auch

Erjnnerungs Vorred
ſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt-
lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Aller-
hoͤchſte nicht machen kondte/ daß wir von Na-
tur GOtt waͤren (denn diß ſteht Jhm alleine
zu) ſo hat Er gemacht/ daß wir GOtt waͤre
auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in
jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See-
ligkeit/ eine Freuͤde/ und ein einiges Koͤnig-
reich: Sondern dieſes iſt ſein Sinn/ daß die
Gewuͤrdigte und Heilige Seele zu ſolcher naher
Vereinigung mit GOtt und ſeinem Goͤttlichen
Weſen gelange/ daß ſie mit demſelben gantz und
gar durchdrungen/ uͤberformet/ Vereinigt und
eines ſey; dermaſſen/ daß wenn man ſie ſehen
ſolte/ man an jhr nichts anders ſehen und erken-
nen wuͤrde als GOtt; wie dann im ewigen Le-
den geſchehen wird: Weil ſie von dem Glantze
ſeiner Herꝛlichkeit gleichſamb gantz Verſchlun-
gen ſein wird. Ja daß ſie zu ſolcher Vollkomner
gleichnuͤß GOttes gelangen koͤnne/ daß ſie eben
daß Jenige ſey (auß Genaden) was GOtt iſt
(von Natur;) und alſo in diſem Verſtande
recht und wol ein Liecht in dem Liechte/ ein
Wort in dem Worte/ und ein GOTT in
GOtte (wie in den Reimen geredet wird) koͤn-
ne genennet werden. Sinthemal/ wie ein alter
Lehrer ſagt/ GOtt der Vatter hat nur einen
Sohn/ und derſelbe ſind wir alle in Chriſto.
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[6/0012] Erjnnerungs Vorred ſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt- lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Aller- hoͤchſte nicht machen kondte/ daß wir von Na- tur GOtt waͤren (denn diß ſteht Jhm alleine zu) ſo hat Er gemacht/ daß wir GOtt waͤre auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See- ligkeit/ eine Freuͤde/ und ein einiges Koͤnig- reich: Sondern dieſes iſt ſein Sinn/ daß die Gewuͤrdigte und Heilige Seele zu ſolcher naher Vereinigung mit GOtt und ſeinem Goͤttlichen Weſen gelange/ daß ſie mit demſelben gantz und gar durchdrungen/ uͤberformet/ Vereinigt und eines ſey; dermaſſen/ daß wenn man ſie ſehen ſolte/ man an jhr nichts anders ſehen und erken- nen wuͤrde als GOtt; wie dann im ewigen Le- den geſchehen wird: Weil ſie von dem Glantze ſeiner Herꝛlichkeit gleichſamb gantz Verſchlun- gen ſein wird. Ja daß ſie zu ſolcher Vollkomner gleichnuͤß GOttes gelangen koͤnne/ daß ſie eben daß Jenige ſey (auß Genaden) was GOtt iſt (von Natur;) und alſo in diſem Verſtande recht und wol ein Liecht in dem Liechte/ ein Wort in dem Worte/ und ein GOTT in GOtte (wie in den Reimen geredet wird) koͤn- ne genennet werden. Sinthemal/ wie ein alter Lehrer ſagt/ GOtt der Vatter hat nur einen Sohn/ und derſelbe ſind wir alle in Chriſto. Sind wir nun Soͤhne in Chriſto ſo muͤſſen wir auch

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/12>, abgerufen am 18.04.2024.