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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Cyprinus.

Artcharakter: Maul weit und mit dicken Lippen umgeben, Bartfäden
stark und lang; Schwanzflosse tief halbmondförmig aus-
geschnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken- und
Afterflosse grob gezähnt
.

D. 3--4/17--22, P. 1/15--16, V. 2/8--9, A. 3/5, C. 17--19, Squ. 5--6/35--39/5--6.

Da der Karpf nicht bloss im freien Zustande als Fluss- und Seekarpf
vorkömmt, sondern auch als Teichkarpf seit Jahrhunderten in ganz Europa
gezüchtet wird, so konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Fisch, wie schon
oben bemerkt wurde, in sehr viele Varietäten ausgeartet ist, von denen
manche, z. B. der Spiegelkarpf, zu einer bleibenden Rassenform sich nach
und nach herangebildet haben. Aus diesem Grunde hält es aber auch ausser-
ordentlich schwer, einen gemeinschaftlichen Species-Charakter für diese ver-
schiedenen Karpfen-Varietäten festzustellen, indem an ihnen sowohl die
Farbe, als die Zeichnung, die Beschuppung und die Umrisse des Körpers den
verschiedenen Veränderungen ausgesetzt gewesen sind.

Dass man die an ihrer Beschuppung ausgearteten Karpfen, nämlich den
mit wenigen unverhältnissmässig grossen Schuppen besetzten Spiegelkarpf
(Cyprinus Rex Cyprinorum, Cyprinus specularis sive macrolepidotus) und den
von allen Schuppen entblössten Lederkarpf (Cyprinus nudus, sive coriaceus,
sive alepidotus
) nur als Varietäten und nicht, wie man früher glaubte, als be-
sondere Arten zu betrachten habe, daran hat man sich lange gewöhnt. Dass
aber auch Karpfen-Rassen veränderte Körperumrisse, wie sie bei unseren
warmblütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weise vorkommen, an sich
tragen können, das mögen selbst manche Ichthyologen noch nicht einräumen.
Von Heckel und Kner (a. a. O. pag. 57) wird zugegeben, dass der Karpf als
Culturfisch zahlreichen Abänderungen ausgesetzt sei, dennoch werden aber
von ihnen als die wichtigsten Varietäten und Rassenbildungen des Karpfen
nur der Spiegelkarpf und Lederkarpf in der östreichischen Fischfauna aufge-
führt, während in derselben Fauna ein Paar vor längerer Zeit von Heckel auf-
gestellte Karpfen-Species beschrieben und abgebildet worden sind, die ich
nicht als selbstständige Arten anerkennen kann, sondern für die extremen For-
men zweier Varietäten-Reihen ansehen muss.

Es kann nämlich der Karpf, dessen Körper in ursprünglicher Form läng-
lich und etwas seitlich zusammengedrückt erscheint, unter gewissen Ein-
flüssen sich länger strecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken sich
seitlich abrunden, oder unter anderen Einflüssen sich verkürzen und einen
steiler ansteigenden sowie noch mehr zusammengedrückten Rücken erhalten.
Eine dieser Rassenformen, bei welcher die zuerst erwähnten Veränderungen

Gattung: Cyprinus.

Artcharakter: Maul weit und mit dicken Lippen umgeben, Bartfäden
stark und lang; Schwanzflosse tief halbmondförmig aus-
geschnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken- und
Afterflosse grob gezähnt
.

D. 3—4/17—22, P. 1/15—16, V. 2/8—9, A. 3/5, C. 17—19, Squ. 5—6/35—39/5—6.

Da der Karpf nicht bloss im freien Zustande als Fluss- und Seekarpf
vorkömmt, sondern auch als Teichkarpf seit Jahrhunderten in ganz Europa
gezüchtet wird, so konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Fisch, wie schon
oben bemerkt wurde, in sehr viele Varietäten ausgeartet ist, von denen
manche, z. B. der Spiegelkarpf, zu einer bleibenden Rassenform sich nach
und nach herangebildet haben. Aus diesem Grunde hält es aber auch ausser-
ordentlich schwer, einen gemeinschaftlichen Species-Charakter für diese ver-
schiedenen Karpfen-Varietäten festzustellen, indem an ihnen sowohl die
Farbe, als die Zeichnung, die Beschuppung und die Umrisse des Körpers den
verschiedenen Veränderungen ausgesetzt gewesen sind.

Dass man die an ihrer Beschuppung ausgearteten Karpfen, nämlich den
mit wenigen unverhältnissmässig grossen Schuppen besetzten Spiegelkarpf
(Cyprinus Rex Cyprinorum, Cyprinus specularis sive macrolepidotus) und den
von allen Schuppen entblössten Lederkarpf (Cyprinus nudus, sive coriaceus,
sive alepidotus
) nur als Varietäten und nicht, wie man früher glaubte, als be-
sondere Arten zu betrachten habe, daran hat man sich lange gewöhnt. Dass
aber auch Karpfen-Rassen veränderte Körperumrisse, wie sie bei unseren
warmblütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weise vorkommen, an sich
tragen können, das mögen selbst manche Ichthyologen noch nicht einräumen.
Von Heckel und Kner (a. a. O. pag. 57) wird zugegeben, dass der Karpf als
Culturfisch zahlreichen Abänderungen ausgesetzt sei, dennoch werden aber
von ihnen als die wichtigsten Varietäten und Rassenbildungen des Karpfen
nur der Spiegelkarpf und Lederkarpf in der östreichischen Fischfauna aufge-
führt, während in derselben Fauna ein Paar vor längerer Zeit von Heckel auf-
gestellte Karpfen-Species beschrieben und abgebildet worden sind, die ich
nicht als selbstständige Arten anerkennen kann, sondern für die extremen For-
men zweier Varietäten-Reihen ansehen muss.

Es kann nämlich der Karpf, dessen Körper in ursprünglicher Form läng-
lich und etwas seitlich zusammengedrückt erscheint, unter gewissen Ein-
flüssen sich länger strecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken sich
seitlich abrunden, oder unter anderen Einflüssen sich verkürzen und einen
steiler ansteigenden sowie noch mehr zusammengedrückten Rücken erhalten.
Eine dieser Rassenformen, bei welcher die zuerst erwähnten Veränderungen

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[85/0098] Gattung: Cyprinus. Artcharakter: Maul weit und mit dicken Lippen umgeben, Bartfäden stark und lang; Schwanzflosse tief halbmondförmig aus- geschnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken- und Afterflosse grob gezähnt. D. 3—4/17—22, P. 1/15—16, V. 2/8—9, A. 3/5, C. 17—19, Squ. 5—6/35—39/5—6. Da der Karpf nicht bloss im freien Zustande als Fluss- und Seekarpf vorkömmt, sondern auch als Teichkarpf seit Jahrhunderten in ganz Europa gezüchtet wird, so konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Fisch, wie schon oben bemerkt wurde, in sehr viele Varietäten ausgeartet ist, von denen manche, z. B. der Spiegelkarpf, zu einer bleibenden Rassenform sich nach und nach herangebildet haben. Aus diesem Grunde hält es aber auch ausser- ordentlich schwer, einen gemeinschaftlichen Species-Charakter für diese ver- schiedenen Karpfen-Varietäten festzustellen, indem an ihnen sowohl die Farbe, als die Zeichnung, die Beschuppung und die Umrisse des Körpers den verschiedenen Veränderungen ausgesetzt gewesen sind. Dass man die an ihrer Beschuppung ausgearteten Karpfen, nämlich den mit wenigen unverhältnissmässig grossen Schuppen besetzten Spiegelkarpf (Cyprinus Rex Cyprinorum, Cyprinus specularis sive macrolepidotus) und den von allen Schuppen entblössten Lederkarpf (Cyprinus nudus, sive coriaceus, sive alepidotus) nur als Varietäten und nicht, wie man früher glaubte, als be- sondere Arten zu betrachten habe, daran hat man sich lange gewöhnt. Dass aber auch Karpfen-Rassen veränderte Körperumrisse, wie sie bei unseren warmblütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weise vorkommen, an sich tragen können, das mögen selbst manche Ichthyologen noch nicht einräumen. Von Heckel und Kner (a. a. O. pag. 57) wird zugegeben, dass der Karpf als Culturfisch zahlreichen Abänderungen ausgesetzt sei, dennoch werden aber von ihnen als die wichtigsten Varietäten und Rassenbildungen des Karpfen nur der Spiegelkarpf und Lederkarpf in der östreichischen Fischfauna aufge- führt, während in derselben Fauna ein Paar vor längerer Zeit von Heckel auf- gestellte Karpfen-Species beschrieben und abgebildet worden sind, die ich nicht als selbstständige Arten anerkennen kann, sondern für die extremen For- men zweier Varietäten-Reihen ansehen muss. Es kann nämlich der Karpf, dessen Körper in ursprünglicher Form läng- lich und etwas seitlich zusammengedrückt erscheint, unter gewissen Ein- flüssen sich länger strecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken sich seitlich abrunden, oder unter anderen Einflüssen sich verkürzen und einen steiler ansteigenden sowie noch mehr zusammengedrückten Rücken erhalten. Eine dieser Rassenformen, bei welcher die zuerst erwähnten Veränderungen

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/98>, abgerufen am 29.03.2024.