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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Muraenoidei.
Spallanzani 1) wurde an den genannten beiden Localitäten diese Calata be-
nutzt, um sich über die Geschlechtsverhältnisse der Aale Aufschluss zu ver-
schaffen, ohne dass es ihm gelungen war, den berühmten Streit über die
Fortpflanzungsweise der Aale auch nur um einen Schritt der Entscheidung
näher zu bringen. Es ist dies ein Beweis mehr, dass die Aale nicht im
geringsten für das Fortpflanzungsgeschäft vorbereitet in das Meer hinaustreten.

Mit ähnlichem Erfolge, wie in Italien 2), wird auch in Skandinavien an
den Meeresküsten den, während der dunkeln Nächte der Herbstmonate in das
Meer hinabwandernden Aalen nachgestellt, wobei man, wie Nilsson 3) ver-
sichert, niemals bemerkt hat, dass die aus den Binnenseen und Flüssen in
die Ostsee hinabsteigenden erwachsenen Aale während irgend einer Jahres-
zeit schaarenweise aus dem Meere die Flüsse wieder hinaufwandern, mithin
niemals mehr in die Flüsse und Seen zurückkehren, sondern einmal im Meere
angelangt, dort bleiben. Ganz dasselbe wird auch von Yarrell 4) berichtet.

Ich habe schon oben erwähnt (pag. 343), dass die Fischer nach den Um-
rissen des Kopfes und der Färbung des Leibes verschiedene Aalformen unter-
scheiden, welche von einigen Ichthyologen zu eben so vielen Aalarten erho-
ben wurden, womit ich nicht übereinstimmen kann. Von der einen dieser
Aalformen wird behauptet, dass dieselbe, wenn sie auch ausgewachsen sei,
niemals wandere, sondern Sommer und Winter in Seen und Flüssen zurück-
bleibe. Als ein solches Beispiel führe ich Risso's Anguilla acutirostris an, von
welcher dieser Ichthyologe aussagt 5): "cette anguille ne va jamais dans la
mer". Nilsson, welcher die drei Aalformen, den gemeinen oder Reusen-Aal,
den Gras-Aal (wegen seiner grünen Farbe so genannt) und den Raub-Aal in
seiner skandinavischen Fauna aufführt 6), ohne jedoch dieselben als besondere
Arten zu betrachten, behauptet 7) von dem Gras-Aal, dass derselbe nie in den
Strom hinabgeht. Wenn sich die Richtigkeit dieser Aussagen bestätigen sollte,
so liegt alsdann die Frage nahe, ob diese niemals wandernden Aale nicht
steril gebliebene Individuen sein könnten, während vielleicht die anderen
Formen bei genauerer Untersuchung sich als die weiblichen, sowie als die
bis jetzt unerkannten männlichen Individuen herausstellen dürften.


1) S. dessen: Opuscoli due sopra le anguille. A. a. O. Op. II. Cap. 3. pag. 553 und dessen:
Viaggi alle due Sicilie, ebenda Tom. III. Cap. 33. pag. 143, in welchen Reisen Spallanzani
seine Beobachtungen über die Aale des See Orbitello niedergelegt hat.
2) Ueber den vom süssen in das salzige Wasser ziehenden Aal und dessen Verbreitung
in Italien vergleiche man G. v. Martens: Italien. Bd. II. 1844. pag. 334.
3) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 664 u. 675. (Uebersetzt a. a. O. pag. 15
und 26.)
4) S. dessen: History of british fishes. II. 1841. pag. 384, wo es heisst: "it is also said
that these parent fish never return up the rivers".
5) S. Risso: a. a. O. Tom. III. pag. 198.
6) A. a. O. pag. 663.
7) A. a. O. pag. 668. (Uebersetzt a. a. O. pag. 19.)

Familie: Muraenoidei.
Spallanzani 1) wurde an den genannten beiden Localitäten diese Calata be-
nutzt, um sich über die Geschlechtsverhältnisse der Aale Aufschluss zu ver-
schaffen, ohne dass es ihm gelungen war, den berühmten Streit über die
Fortpflanzungsweise der Aale auch nur um einen Schritt der Entscheidung
näher zu bringen. Es ist dies ein Beweis mehr, dass die Aale nicht im
geringsten für das Fortpflanzungsgeschäft vorbereitet in das Meer hinaustreten.

Mit ähnlichem Erfolge, wie in Italien 2), wird auch in Skandinavien an
den Meeresküsten den, während der dunkeln Nächte der Herbstmonate in das
Meer hinabwandernden Aalen nachgestellt, wobei man, wie Nilsson 3) ver-
sichert, niemals bemerkt hat, dass die aus den Binnenseen und Flüssen in
die Ostsee hinabsteigenden erwachsenen Aale während irgend einer Jahres-
zeit schaarenweise aus dem Meere die Flüsse wieder hinaufwandern, mithin
niemals mehr in die Flüsse und Seen zurückkehren, sondern einmal im Meere
angelangt, dort bleiben. Ganz dasselbe wird auch von Yarrell 4) berichtet.

Ich habe schon oben erwähnt (pag. 343), dass die Fischer nach den Um-
rissen des Kopfes und der Färbung des Leibes verschiedene Aalformen unter-
scheiden, welche von einigen Ichthyologen zu eben so vielen Aalarten erho-
ben wurden, womit ich nicht übereinstimmen kann. Von der einen dieser
Aalformen wird behauptet, dass dieselbe, wenn sie auch ausgewachsen sei,
niemals wandere, sondern Sommer und Winter in Seen und Flüssen zurück-
bleibe. Als ein solches Beispiel führe ich Risso’s Anguilla acutirostris an, von
welcher dieser Ichthyologe aussagt 5): »cette anguille ne va jamais dans la
mer«. Nilsson, welcher die drei Aalformen, den gemeinen oder Reusen-Aal,
den Gras-Aal (wegen seiner grünen Farbe so genannt) und den Raub-Aal in
seiner skandinavischen Fauna aufführt 6), ohne jedoch dieselben als besondere
Arten zu betrachten, behauptet 7) von dem Gras-Aal, dass derselbe nie in den
Strom hinabgeht. Wenn sich die Richtigkeit dieser Aussagen bestätigen sollte,
so liegt alsdann die Frage nahe, ob diese niemals wandernden Aale nicht
steril gebliebene Individuen sein könnten, während vielleicht die anderen
Formen bei genauerer Untersuchung sich als die weiblichen, sowie als die
bis jetzt unerkannten männlichen Individuen herausstellen dürften.


1) S. dessen: Opuscoli due sopra le anguille. A. a. O. Op. II. Cap. 3. pag. 553 und dessen:
Viaggi alle due Sicilie, ebenda Tom. III. Cap. 33. pag. 143, in welchen Reisen Spallanzani
seine Beobachtungen über die Aale des See Orbitello niedergelegt hat.
2) Ueber den vom süssen in das salzige Wasser ziehenden Aal und dessen Verbreitung
in Italien vergleiche man G. v. Martens: Italien. Bd. II. 1844. pag. 334.
3) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 664 u. 675. (Uebersetzt a. a. O. pag. 15
und 26.)
4) S. dessen: History of british fishes. II. 1841. pag. 384, wo es heisst: »it is also said
that these parent fish never return up the rivers«.
5) S. Risso: a. a. O. Tom. III. pag. 198.
6) A. a. O. pag. 663.
7) A. a. O. pag. 668. (Uebersetzt a. a. O. pag. 19.)
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[352/0365] Familie: Muraenoidei. Spallanzani 1) wurde an den genannten beiden Localitäten diese Calata be- nutzt, um sich über die Geschlechtsverhältnisse der Aale Aufschluss zu ver- schaffen, ohne dass es ihm gelungen war, den berühmten Streit über die Fortpflanzungsweise der Aale auch nur um einen Schritt der Entscheidung näher zu bringen. Es ist dies ein Beweis mehr, dass die Aale nicht im geringsten für das Fortpflanzungsgeschäft vorbereitet in das Meer hinaustreten. Mit ähnlichem Erfolge, wie in Italien 2), wird auch in Skandinavien an den Meeresküsten den, während der dunkeln Nächte der Herbstmonate in das Meer hinabwandernden Aalen nachgestellt, wobei man, wie Nilsson 3) ver- sichert, niemals bemerkt hat, dass die aus den Binnenseen und Flüssen in die Ostsee hinabsteigenden erwachsenen Aale während irgend einer Jahres- zeit schaarenweise aus dem Meere die Flüsse wieder hinaufwandern, mithin niemals mehr in die Flüsse und Seen zurückkehren, sondern einmal im Meere angelangt, dort bleiben. Ganz dasselbe wird auch von Yarrell 4) berichtet. Ich habe schon oben erwähnt (pag. 343), dass die Fischer nach den Um- rissen des Kopfes und der Färbung des Leibes verschiedene Aalformen unter- scheiden, welche von einigen Ichthyologen zu eben so vielen Aalarten erho- ben wurden, womit ich nicht übereinstimmen kann. Von der einen dieser Aalformen wird behauptet, dass dieselbe, wenn sie auch ausgewachsen sei, niemals wandere, sondern Sommer und Winter in Seen und Flüssen zurück- bleibe. Als ein solches Beispiel führe ich Risso’s Anguilla acutirostris an, von welcher dieser Ichthyologe aussagt 5): »cette anguille ne va jamais dans la mer«. Nilsson, welcher die drei Aalformen, den gemeinen oder Reusen-Aal, den Gras-Aal (wegen seiner grünen Farbe so genannt) und den Raub-Aal in seiner skandinavischen Fauna aufführt 6), ohne jedoch dieselben als besondere Arten zu betrachten, behauptet 7) von dem Gras-Aal, dass derselbe nie in den Strom hinabgeht. Wenn sich die Richtigkeit dieser Aussagen bestätigen sollte, so liegt alsdann die Frage nahe, ob diese niemals wandernden Aale nicht steril gebliebene Individuen sein könnten, während vielleicht die anderen Formen bei genauerer Untersuchung sich als die weiblichen, sowie als die bis jetzt unerkannten männlichen Individuen herausstellen dürften. 1) S. dessen: Opuscoli due sopra le anguille. A. a. O. Op. II. Cap. 3. pag. 553 und dessen: Viaggi alle due Sicilie, ebenda Tom. III. Cap. 33. pag. 143, in welchen Reisen Spallanzani seine Beobachtungen über die Aale des See Orbitello niedergelegt hat. 2) Ueber den vom süssen in das salzige Wasser ziehenden Aal und dessen Verbreitung in Italien vergleiche man G. v. Martens: Italien. Bd. II. 1844. pag. 334. 3) Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 664 u. 675. (Uebersetzt a. a. O. pag. 15 und 26.) 4) S. dessen: History of british fishes. II. 1841. pag. 384, wo es heisst: »it is also said that these parent fish never return up the rivers«. 5) S. Risso: a. a. O. Tom. III. pag. 198. 6) A. a. O. pag. 663. 7) A. a. O. pag. 668. (Uebersetzt a. a. O. pag. 19.)

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/365>, abgerufen am 29.03.2024.