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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Muraenoidei.
besitzt in Ermangelung der Schuppenporen kurze weiche, in grösseren Zwi-
schenräumen von einander entfernte Röhrchen.

Die Färbung des Aals ist dunkelgrün, spielt aber auch ins blauschwarze
oder ins graugelbe, der Bauch erscheint dabei immer heller und nimmt bald
eine blauweisse bald eine gelbweisse Färbung an. Die Rückenflosse sowie
die beiden Brustflossen tragen die Farbe des Rückens, die Afterflosse dagegen
stimmt mit der Farbe des Bauchs überein.

Der Aal kann bis zu einer Schwere von 8 Pfund und darüber heranwach-
sen, und dabei die Länge von 34 Zoll überschreiten. Trotzdem, dass der Aal
als ein sehr gefrässiger Raubfisch gekannt ist, wird noch immer wieder die
alte Sage von ihm wiederholt, dass er des Nachts sich gern auf das Land be-
gebe, um den Erbsen in den Erbsenfeldern nachzugehen 1). Ich habe mich
sogar mehrmals überzeugt, dass diese Fabel sogar von Fischern geglaubt
wurde, indem sie ihren Aalen in den Fischbehältern Erbsen als Futter vor-
warfen. Wenn ich meine Zweifel darüber aussprach und solche Fischer be-
fragte, ob denn wirklich die Erbsen von den Aalen gefressen würden, antwor-
tete man mir, letzteres müsse wohl geschehen, da ja nach einiger Zeit die
Erbsen aus den mit engen Gittern an der Ausflussöffnung versehenen Fisch-
behältern verschwunden wären. Sie dachten aber nicht daran, dass die Erb-
sen mit der Zeit im Wasser aufquellen, durch Fäulniss zerfallen und so aus
den Behältern fortgespült werden. Nilsson 2) hat die Lust der Aale, Erbsen-
felder aufzusuchen, dahin zu deuten gesucht, dass sie dort nicht den Erbsen
sondern den Schnecken und Würmern nachgiengen. Obgleich die Aale theils
ihrer engen Kiemenspalten theils ihrer ganzen Organisation wegen eine unge-
wöhnliche Lebenszähigkeit besitzen, so möchte ich es doch bezweifeln, dass
dieselben freiwillig das Wasser verlassen und berufe mich auf den erfahrenen
Fischer Baldner, der seiner oben citirten Aal-Abbildung folgende Erläuterung
beifügt: "Fressen Fisch, kommen nicht aufs Land und fressen nicht Erbsen
sondern bleiben im Wasser und sind Nachtthiere". Auch Spallanzani 3) machte
darauf aufmerksam, dass bei Comacchio, wo seit langer Zeit ein grossartiger
Aalfang betrieben wird, die Fischer noch niemals Aale auf dem Lande beo-
bachtet haben, und dass, als einmal die Aale in den Lagunen von Comacchio
wegen Verdorbenheit des Wassers zu vielen tausenden umgekommen waren,

1) Diese Sage scheint von Albertus Magnus herzurühren, welcher in seinem Thierbuch
(Frankfurt a. M. 1545. Von den Fischen) erzählt: "Der Aal soll auch ettwan des nachts
auss dem wasser schlieffen auff dem feldt, da er linsen, erbsen oder bonen gesehet findet".
2) S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 669. oder in der Uebersetzung von Crep-
lin
: Aufenthalt, Lebensweise, Nahrung und Fortpflanzung des Süsswasser-Aales (in der
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1860. nr. VII. VIII. pag. 20).
3) Vergl. Opere di Lazzaro Spallanzani (Edit. Milano 1826) Tom. III. Opuscoli due so-
pra le anguille dove singolarmente si ragiona di quelle che si pescano nelle valli di Co-
machio. pag. 518.

Familie: Muraenoidei.
besitzt in Ermangelung der Schuppenporen kurze weiche, in grösseren Zwi-
schenräumen von einander entfernte Röhrchen.

Die Färbung des Aals ist dunkelgrün, spielt aber auch ins blauschwarze
oder ins graugelbe, der Bauch erscheint dabei immer heller und nimmt bald
eine blauweisse bald eine gelbweisse Färbung an. Die Rückenflosse sowie
die beiden Brustflossen tragen die Farbe des Rückens, die Afterflosse dagegen
stimmt mit der Farbe des Bauchs überein.

Der Aal kann bis zu einer Schwere von 8 Pfund und darüber heranwach-
sen, und dabei die Länge von 34 Zoll überschreiten. Trotzdem, dass der Aal
als ein sehr gefrässiger Raubfisch gekannt ist, wird noch immer wieder die
alte Sage von ihm wiederholt, dass er des Nachts sich gern auf das Land be-
gebe, um den Erbsen in den Erbsenfeldern nachzugehen 1). Ich habe mich
sogar mehrmals überzeugt, dass diese Fabel sogar von Fischern geglaubt
wurde, indem sie ihren Aalen in den Fischbehältern Erbsen als Futter vor-
warfen. Wenn ich meine Zweifel darüber aussprach und solche Fischer be-
fragte, ob denn wirklich die Erbsen von den Aalen gefressen würden, antwor-
tete man mir, letzteres müsse wohl geschehen, da ja nach einiger Zeit die
Erbsen aus den mit engen Gittern an der Ausflussöffnung versehenen Fisch-
behältern verschwunden wären. Sie dachten aber nicht daran, dass die Erb-
sen mit der Zeit im Wasser aufquellen, durch Fäulniss zerfallen und so aus
den Behältern fortgespült werden. Nilsson 2) hat die Lust der Aale, Erbsen-
felder aufzusuchen, dahin zu deuten gesucht, dass sie dort nicht den Erbsen
sondern den Schnecken und Würmern nachgiengen. Obgleich die Aale theils
ihrer engen Kiemenspalten theils ihrer ganzen Organisation wegen eine unge-
wöhnliche Lebenszähigkeit besitzen, so möchte ich es doch bezweifeln, dass
dieselben freiwillig das Wasser verlassen und berufe mich auf den erfahrenen
Fischer Baldner, der seiner oben citirten Aal-Abbildung folgende Erläuterung
beifügt: »Fressen Fisch, kommen nicht aufs Land und fressen nicht Erbsen
sondern bleiben im Wasser und sind Nachtthiere«. Auch Spallanzani 3) machte
darauf aufmerksam, dass bei Comacchio, wo seit langer Zeit ein grossartiger
Aalfang betrieben wird, die Fischer noch niemals Aale auf dem Lande beo-
bachtet haben, und dass, als einmal die Aale in den Lagunen von Comacchio
wegen Verdorbenheit des Wassers zu vielen tausenden umgekommen waren,

1) Diese Sage scheint von Albertus Magnus herzurühren, welcher in seinem Thierbuch
(Frankfurt a. M. 1545. Von den Fischen) erzählt: »Der Aal soll auch ettwan des nachts
auss dem wasser schlieffen auff dem feldt, da er linsen, erbsen oder bonen gesehet findet«.
2) S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 669. oder in der Uebersetzung von Crep-
lin
: Aufenthalt, Lebensweise, Nahrung und Fortpflanzung des Süsswasser-Aales (in der
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1860. nr. VII. VIII. pag. 20).
3) Vergl. Opere di Lazzaro Spallanzani (Edit. Milano 1826) Tom. III. Opuscoli due so-
pra le anguille dove singolarmente si ragiona di quelle che si pescano nelle valli di Co-
machio. pag. 518.
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[344/0357] Familie: Muraenoidei. besitzt in Ermangelung der Schuppenporen kurze weiche, in grösseren Zwi- schenräumen von einander entfernte Röhrchen. Die Färbung des Aals ist dunkelgrün, spielt aber auch ins blauschwarze oder ins graugelbe, der Bauch erscheint dabei immer heller und nimmt bald eine blauweisse bald eine gelbweisse Färbung an. Die Rückenflosse sowie die beiden Brustflossen tragen die Farbe des Rückens, die Afterflosse dagegen stimmt mit der Farbe des Bauchs überein. Der Aal kann bis zu einer Schwere von 8 Pfund und darüber heranwach- sen, und dabei die Länge von 34 Zoll überschreiten. Trotzdem, dass der Aal als ein sehr gefrässiger Raubfisch gekannt ist, wird noch immer wieder die alte Sage von ihm wiederholt, dass er des Nachts sich gern auf das Land be- gebe, um den Erbsen in den Erbsenfeldern nachzugehen 1). Ich habe mich sogar mehrmals überzeugt, dass diese Fabel sogar von Fischern geglaubt wurde, indem sie ihren Aalen in den Fischbehältern Erbsen als Futter vor- warfen. Wenn ich meine Zweifel darüber aussprach und solche Fischer be- fragte, ob denn wirklich die Erbsen von den Aalen gefressen würden, antwor- tete man mir, letzteres müsse wohl geschehen, da ja nach einiger Zeit die Erbsen aus den mit engen Gittern an der Ausflussöffnung versehenen Fisch- behältern verschwunden wären. Sie dachten aber nicht daran, dass die Erb- sen mit der Zeit im Wasser aufquellen, durch Fäulniss zerfallen und so aus den Behältern fortgespült werden. Nilsson 2) hat die Lust der Aale, Erbsen- felder aufzusuchen, dahin zu deuten gesucht, dass sie dort nicht den Erbsen sondern den Schnecken und Würmern nachgiengen. Obgleich die Aale theils ihrer engen Kiemenspalten theils ihrer ganzen Organisation wegen eine unge- wöhnliche Lebenszähigkeit besitzen, so möchte ich es doch bezweifeln, dass dieselben freiwillig das Wasser verlassen und berufe mich auf den erfahrenen Fischer Baldner, der seiner oben citirten Aal-Abbildung folgende Erläuterung beifügt: »Fressen Fisch, kommen nicht aufs Land und fressen nicht Erbsen sondern bleiben im Wasser und sind Nachtthiere«. Auch Spallanzani 3) machte darauf aufmerksam, dass bei Comacchio, wo seit langer Zeit ein grossartiger Aalfang betrieben wird, die Fischer noch niemals Aale auf dem Lande beo- bachtet haben, und dass, als einmal die Aale in den Lagunen von Comacchio wegen Verdorbenheit des Wassers zu vielen tausenden umgekommen waren, 1) Diese Sage scheint von Albertus Magnus herzurühren, welcher in seinem Thierbuch (Frankfurt a. M. 1545. Von den Fischen) erzählt: »Der Aal soll auch ettwan des nachts auss dem wasser schlieffen auff dem feldt, da er linsen, erbsen oder bonen gesehet findet«. 2) S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 669. oder in der Uebersetzung von Crep- lin: Aufenthalt, Lebensweise, Nahrung und Fortpflanzung des Süsswasser-Aales (in der Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1860. nr. VII. VIII. pag. 20). 3) Vergl. Opere di Lazzaro Spallanzani (Edit. Milano 1826) Tom. III. Opuscoli due so- pra le anguille dove singolarmente si ragiona di quelle che si pescano nelle valli di Co- machio. pag. 518.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/357>, abgerufen am 29.03.2024.