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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Trutta.
scharf ausgeprägte Salmoneer-Form gewesen sein konnte1). Um über das
wahre Wesen dieses verkannten Salmo Goedenii näheren Aufschluss zu erhal-
ten, benutzte ich die Gelegenheit, einen in dem Berliner zoologischen Cabinete
unter jenem Namen aufbewahrten Salmoneer, der von der Sammlung Bloch's
herzurühren und mithin ein Original-Exemplar seines Salmo Goedenii zu sein
schien. Wie erstaunte ich aber, in diesem Salmoneer nach der Zeichnung und
Färbung des Leibes, nach der Bezahnung und Form des Vomer ein sehr ausge-
bleichtes Exemplar von Salmo salvelinus zu erkennen. Da Bloch ausdrück-
lich angiebt, dass er diesen Salmo Goedenii unter dem Namen "Seeforelle"
verschiedene Male aus der Ostsee erhalten habe und Salvelinen in der See
nicht vorkommen, so muss eine Verwechslung des Objects hier Statt gefun-
den haben2), was ich um so eher zu glauben geneigt bin, weil Bloch die
Rückenflosse seines Salmo Goedenii als mit braunen Flecken besetzt dargestellt
hat, und von diesen Flecken auch nicht eine Spur an der Rückenflosse jener
Seeforelle, welche von Bloch herrühren soll, wahrgenommen werden konnte.
Auf der anderen Seite muss es auch wieder auffallen, dass Bloch selbst
(a. a. O. pag. 156) sagte, die im Marsigli auf der 29ten Tafel unter Fig. 1
befindliche Zeichnung, welche einen Saibling darstellt, möchte er auf seinen
Salmo Goedenii beziehen.

In dem Wachsthume erreicht die Meerforelle nicht ganz den gemeinen
Lachs, indem dieselbe gewöhnlich eine Schwere von 10 Pfund erlangt und
nur selten bis zu einer Schwere von 25 bis 30 Pfund heranwächst.

In ihrer Verbreitung und Fortpflanzungsweise dagegen stimmt die Meer-
forelle so ziemlich mit dem gemeinen Lachse überein. Auch sie muss als Be-
wohnerin der Nord- und Ostsee, um zu laichen, die Mündungen der grösse-
ren Flüsse aufsuchen, in welche sie jedoch nicht so hoch hinaufwandert wie
der Lachs, daher dieselbe im Mittelrhein und in dessen Nebenflüssen, z. B.
im Main nur als grosse Seltenheit gekannt ist; bis in schweizerische Neben-
flüsse des Mittelrheins scheint die wandernde Meerforelle gar nicht zu ge-
langen. Ich berufe mich hier auf das Zeugniss des Ichthyologen Hartmann,
welcher (Nr. 38 b: pag. 110) die Seeforelle und Meerforelle gut unterscheidet

1) Zu eben dieser Salmoneer-Form scheint auch jener "Röthling" gezählt werden zu
müssen, von welchem Bock (Nr. 95: pag. 601) angegeben hat, dass er etwas röthliche
Flecke und die Länge eines Fusses besitze und in der Gegend um Danzig "Möllitz" genannt
werde. Nach meinen darüber eingezogenen Erkundigungen ist den Danziger Fischern noch
jetzt ein Salmoneer unter dem Namen "Möllitz" bekannt, der nach ihrer Beschreibung nichts
anderes als eine junge Meerforelle sein kann.
2) Leider hat man in früheren Jahren die Original-Exemplare der Bloch'schen Samm-
lung, welche dem zoologischen Cabinete zu Berlin einverleibt worden ist, nicht mit der
ihnen gebührenden Pietät zu conserviren gesucht. In einigen Gläsern sieht man deutlich,
dass die alten Originale mit frischeren Exemplaren vertauscht worden sind, von mehreren
Arten sind gar keine Bloch'schen Typen mehr vorhanden.

Gattung: Trutta.
scharf ausgeprägte Salmoneer-Form gewesen sein konnte1). Um über das
wahre Wesen dieses verkannten Salmo Goedenii näheren Aufschluss zu erhal-
ten, benutzte ich die Gelegenheit, einen in dem Berliner zoologischen Cabinete
unter jenem Namen aufbewahrten Salmoneer, der von der Sammlung Bloch’s
herzurühren und mithin ein Original-Exemplar seines Salmo Goedenii zu sein
schien. Wie erstaunte ich aber, in diesem Salmoneer nach der Zeichnung und
Färbung des Leibes, nach der Bezahnung und Form des Vomer ein sehr ausge-
bleichtes Exemplar von Salmo salvelinus zu erkennen. Da Bloch ausdrück-
lich angiebt, dass er diesen Salmo Goedenii unter dem Namen »Seeforelle«
verschiedene Male aus der Ostsee erhalten habe und Salvelinen in der See
nicht vorkommen, so muss eine Verwechslung des Objects hier Statt gefun-
den haben2), was ich um so eher zu glauben geneigt bin, weil Bloch die
Rückenflosse seines Salmo Goedenii als mit braunen Flecken besetzt dargestellt
hat, und von diesen Flecken auch nicht eine Spur an der Rückenflosse jener
Seeforelle, welche von Bloch herrühren soll, wahrgenommen werden konnte.
Auf der anderen Seite muss es auch wieder auffallen, dass Bloch selbst
(a. a. O. pag. 156) sagte, die im Marsigli auf der 29ten Tafel unter Fig. 1
befindliche Zeichnung, welche einen Saibling darstellt, möchte er auf seinen
Salmo Goedenii beziehen.

In dem Wachsthume erreicht die Meerforelle nicht ganz den gemeinen
Lachs, indem dieselbe gewöhnlich eine Schwere von 10 Pfund erlangt und
nur selten bis zu einer Schwere von 25 bis 30 Pfund heranwächst.

In ihrer Verbreitung und Fortpflanzungsweise dagegen stimmt die Meer-
forelle so ziemlich mit dem gemeinen Lachse überein. Auch sie muss als Be-
wohnerin der Nord- und Ostsee, um zu laichen, die Mündungen der grösse-
ren Flüsse aufsuchen, in welche sie jedoch nicht so hoch hinaufwandert wie
der Lachs, daher dieselbe im Mittelrhein und in dessen Nebenflüssen, z. B.
im Main nur als grosse Seltenheit gekannt ist; bis in schweizerische Neben-
flüsse des Mittelrheins scheint die wandernde Meerforelle gar nicht zu ge-
langen. Ich berufe mich hier auf das Zeugniss des Ichthyologen Hartmann,
welcher (Nr. 38 b: pag. 110) die Seeforelle und Meerforelle gut unterscheidet

1) Zu eben dieser Salmoneer-Form scheint auch jener »Röthling« gezählt werden zu
müssen, von welchem Bock (Nr. 95: pag. 601) angegeben hat, dass er etwas röthliche
Flecke und die Länge eines Fusses besitze und in der Gegend um Danzig »Möllitz« genannt
werde. Nach meinen darüber eingezogenen Erkundigungen ist den Danziger Fischern noch
jetzt ein Salmoneer unter dem Namen »Möllitz« bekannt, der nach ihrer Beschreibung nichts
anderes als eine junge Meerforelle sein kann.
2) Leider hat man in früheren Jahren die Original-Exemplare der Bloch’schen Samm-
lung, welche dem zoologischen Cabinete zu Berlin einverleibt worden ist, nicht mit der
ihnen gebührenden Pietät zu conserviren gesucht. In einigen Gläsern sieht man deutlich,
dass die alten Originale mit frischeren Exemplaren vertauscht worden sind, von mehreren
Arten sind gar keine Bloch’schen Typen mehr vorhanden.
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[317/0330] Gattung: Trutta. scharf ausgeprägte Salmoneer-Form gewesen sein konnte 1). Um über das wahre Wesen dieses verkannten Salmo Goedenii näheren Aufschluss zu erhal- ten, benutzte ich die Gelegenheit, einen in dem Berliner zoologischen Cabinete unter jenem Namen aufbewahrten Salmoneer, der von der Sammlung Bloch’s herzurühren und mithin ein Original-Exemplar seines Salmo Goedenii zu sein schien. Wie erstaunte ich aber, in diesem Salmoneer nach der Zeichnung und Färbung des Leibes, nach der Bezahnung und Form des Vomer ein sehr ausge- bleichtes Exemplar von Salmo salvelinus zu erkennen. Da Bloch ausdrück- lich angiebt, dass er diesen Salmo Goedenii unter dem Namen »Seeforelle« verschiedene Male aus der Ostsee erhalten habe und Salvelinen in der See nicht vorkommen, so muss eine Verwechslung des Objects hier Statt gefun- den haben 2), was ich um so eher zu glauben geneigt bin, weil Bloch die Rückenflosse seines Salmo Goedenii als mit braunen Flecken besetzt dargestellt hat, und von diesen Flecken auch nicht eine Spur an der Rückenflosse jener Seeforelle, welche von Bloch herrühren soll, wahrgenommen werden konnte. Auf der anderen Seite muss es auch wieder auffallen, dass Bloch selbst (a. a. O. pag. 156) sagte, die im Marsigli auf der 29ten Tafel unter Fig. 1 befindliche Zeichnung, welche einen Saibling darstellt, möchte er auf seinen Salmo Goedenii beziehen. In dem Wachsthume erreicht die Meerforelle nicht ganz den gemeinen Lachs, indem dieselbe gewöhnlich eine Schwere von 10 Pfund erlangt und nur selten bis zu einer Schwere von 25 bis 30 Pfund heranwächst. In ihrer Verbreitung und Fortpflanzungsweise dagegen stimmt die Meer- forelle so ziemlich mit dem gemeinen Lachse überein. Auch sie muss als Be- wohnerin der Nord- und Ostsee, um zu laichen, die Mündungen der grösse- ren Flüsse aufsuchen, in welche sie jedoch nicht so hoch hinaufwandert wie der Lachs, daher dieselbe im Mittelrhein und in dessen Nebenflüssen, z. B. im Main nur als grosse Seltenheit gekannt ist; bis in schweizerische Neben- flüsse des Mittelrheins scheint die wandernde Meerforelle gar nicht zu ge- langen. Ich berufe mich hier auf das Zeugniss des Ichthyologen Hartmann, welcher (Nr. 38 b: pag. 110) die Seeforelle und Meerforelle gut unterscheidet 1) Zu eben dieser Salmoneer-Form scheint auch jener »Röthling« gezählt werden zu müssen, von welchem Bock (Nr. 95: pag. 601) angegeben hat, dass er etwas röthliche Flecke und die Länge eines Fusses besitze und in der Gegend um Danzig »Möllitz« genannt werde. Nach meinen darüber eingezogenen Erkundigungen ist den Danziger Fischern noch jetzt ein Salmoneer unter dem Namen »Möllitz« bekannt, der nach ihrer Beschreibung nichts anderes als eine junge Meerforelle sein kann. 2) Leider hat man in früheren Jahren die Original-Exemplare der Bloch’schen Samm- lung, welche dem zoologischen Cabinete zu Berlin einverleibt worden ist, nicht mit der ihnen gebührenden Pietät zu conserviren gesucht. In einigen Gläsern sieht man deutlich, dass die alten Originale mit frischeren Exemplaren vertauscht worden sind, von mehreren Arten sind gar keine Bloch’schen Typen mehr vorhanden.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/330>, abgerufen am 28.03.2024.