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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
ren Abbildung, welche Agassiz (a. a. O. Tab. XV) von Salmo lacustris (der
sterilen Seeforelle aus dem Bodensee) geliefert hat. Ungleich gegründeter ist
dagegen Heckel's Vorwurf (Nr. 11 f: pag. 351), dass Bloch in der Beschrei-
bung des Salar Schiffermülleri den Seelachs unserer Alpenseen mit dem Meer-
lachs der Ost- und Nordsee zusammengeworfen habe.

Heckel wollte übrigens zwischen seinem Salar Schiffermülleri und Fario
Marsiglii
auch einen anatomischen Unterschied gefunden haben, auf den er wie-
derholt hingewiesen1), nämlich einen vorn einreihig, hinten zweireihig bezahn-
ten Vomerstiel bei ersterem, und einen durchweg einreihig bezahnten Vomer-
stiel bei letzterem; ich habe aber diesen Unterschied nicht bestätigt gefunden,
sondern die Stellung der Zahnreihen auf dem Vomerstiel beider Seelachsfor-
men sehr wandelbar angetroffen, was ich mit folgenden Erfahrungen belegen
kann. Von 33 Vomerknochen, welche ich aus männlichen und weiblichen
brünstigen Seeforellen des Chiemsees von 8 bis 20 Pfund Gewicht heraus-
präparirt habe, zeigten 17 einreihig geordnete Zähne am Vorderende des
Stiels, auf dem hinteren Ende desselben waren bereits die Zähne wegen des
vorgerückten Alters der Fische gänzlich verschwunden, auf 6 Vomerstielen
standen die Zähne vorn einreihig hinten zweireihig, auf 3 Vomerstielen stan-
den dagegen die Zähne vorn und hinten einreihig und in der Mitte zweireihig,
auf 2 Stielen sah ich die Zähne von vorn bis hinten einreihig geordnet, auf
2 anderen Stielen waren nur hinten die Zähne einreihig, vorn und in der
Mitte aber zweireihig geordnet, auf zwei anderen erkannte ich ebenfalls vorn
die Zähne doppelreihig gestellt, auf dem übrigen Theile des Vomerstiels aber
wegen vorgerückten Alters völlig verschwunden, nur ein grösserer Vomerstiel
bot vorn einreihig und in der Mitte doppelreihig gestellte Zähne dar, während
hinten alle Zähne spurlos verschwunden waren. Es befand sich unter diesen
von mir untersuchten Seelachsen bestimmt keine sogenannte Maiforelle, die
ich etwa unrichtig bestimmt hätte; an allen diesen Chiemsee-Lachsen waren
die Fortpflanzungsorgane bis zur vollkommenen Brünstigkeit entwickelt, auch
waren sie sämmtlich in der Achen gefangen worden, in welche sie vom
Chiemsee aus, um zu laichen, eingewandert waren. Dennoch muss ich glau-
ben, dass die sterile Seeforelle auch im Chiemsee vorkömmt, da mir von den
Chiemsee-Fischern die Mittheilung gemacht wurde, dass im Chiemsee, aber
nie in der Achen eine schlanke, silberfarbige Lachsforelle mit wenig kleinen,
schwarzen Tupfen das ganze Jahr hindurch an der Angel gefangen werde,
welche weder Rogen noch Milch enthalte. Es ist dies offenbar die sterile Mai-
forelle der östreichischen Seen, welche aber am Chiemsee keinen besonderen
Namen erhalten hat, obwohl der Name "Maifisch" am Chiemsee gekannt ist.

1) S. Nr. 11 f: pag. 348. Taf. III. Fig. 3 u. 8, und Nr. 11 i: pag. 195, ferner Nr. 13:
pag. 268. Fig. 146 u. 150.

Familie: Salmonoidei.
ren Abbildung, welche Agassiz (a. a. O. Tab. XV) von Salmo lacustris (der
sterilen Seeforelle aus dem Bodensee) geliefert hat. Ungleich gegründeter ist
dagegen Heckel’s Vorwurf (Nr. 11 f: pag. 351), dass Bloch in der Beschrei-
bung des Salar Schiffermülleri den Seelachs unserer Alpenseen mit dem Meer-
lachs der Ost- und Nordsee zusammengeworfen habe.

Heckel wollte übrigens zwischen seinem Salar Schiffermülleri und Fario
Marsiglii
auch einen anatomischen Unterschied gefunden haben, auf den er wie-
derholt hingewiesen1), nämlich einen vorn einreihig, hinten zweireihig bezahn-
ten Vomerstiel bei ersterem, und einen durchweg einreihig bezahnten Vomer-
stiel bei letzterem; ich habe aber diesen Unterschied nicht bestätigt gefunden,
sondern die Stellung der Zahnreihen auf dem Vomerstiel beider Seelachsfor-
men sehr wandelbar angetroffen, was ich mit folgenden Erfahrungen belegen
kann. Von 33 Vomerknochen, welche ich aus männlichen und weiblichen
brünstigen Seeforellen des Chiemsees von 8 bis 20 Pfund Gewicht heraus-
präparirt habe, zeigten 17 einreihig geordnete Zähne am Vorderende des
Stiels, auf dem hinteren Ende desselben waren bereits die Zähne wegen des
vorgerückten Alters der Fische gänzlich verschwunden, auf 6 Vomerstielen
standen die Zähne vorn einreihig hinten zweireihig, auf 3 Vomerstielen stan-
den dagegen die Zähne vorn und hinten einreihig und in der Mitte zweireihig,
auf 2 Stielen sah ich die Zähne von vorn bis hinten einreihig geordnet, auf
2 anderen Stielen waren nur hinten die Zähne einreihig, vorn und in der
Mitte aber zweireihig geordnet, auf zwei anderen erkannte ich ebenfalls vorn
die Zähne doppelreihig gestellt, auf dem übrigen Theile des Vomerstiels aber
wegen vorgerückten Alters völlig verschwunden, nur ein grösserer Vomerstiel
bot vorn einreihig und in der Mitte doppelreihig gestellte Zähne dar, während
hinten alle Zähne spurlos verschwunden waren. Es befand sich unter diesen
von mir untersuchten Seelachsen bestimmt keine sogenannte Maiforelle, die
ich etwa unrichtig bestimmt hätte; an allen diesen Chiemsee-Lachsen waren
die Fortpflanzungsorgane bis zur vollkommenen Brünstigkeit entwickelt, auch
waren sie sämmtlich in der Achen gefangen worden, in welche sie vom
Chiemsee aus, um zu laichen, eingewandert waren. Dennoch muss ich glau-
ben, dass die sterile Seeforelle auch im Chiemsee vorkömmt, da mir von den
Chiemsee-Fischern die Mittheilung gemacht wurde, dass im Chiemsee, aber
nie in der Achen eine schlanke, silberfarbige Lachsforelle mit wenig kleinen,
schwarzen Tupfen das ganze Jahr hindurch an der Angel gefangen werde,
welche weder Rogen noch Milch enthalte. Es ist dies offenbar die sterile Mai-
forelle der östreichischen Seen, welche aber am Chiemsee keinen besonderen
Namen erhalten hat, obwohl der Name »Maifisch« am Chiemsee gekannt ist.

1) S. Nr. 11 f: pag. 348. Taf. III. Fig. 3 u. 8, und Nr. 11 i: pag. 195, ferner Nr. 13:
pag. 268. Fig. 146 u. 150.
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[308/0321] Familie: Salmonoidei. ren Abbildung, welche Agassiz (a. a. O. Tab. XV) von Salmo lacustris (der sterilen Seeforelle aus dem Bodensee) geliefert hat. Ungleich gegründeter ist dagegen Heckel’s Vorwurf (Nr. 11 f: pag. 351), dass Bloch in der Beschrei- bung des Salar Schiffermülleri den Seelachs unserer Alpenseen mit dem Meer- lachs der Ost- und Nordsee zusammengeworfen habe. Heckel wollte übrigens zwischen seinem Salar Schiffermülleri und Fario Marsiglii auch einen anatomischen Unterschied gefunden haben, auf den er wie- derholt hingewiesen 1), nämlich einen vorn einreihig, hinten zweireihig bezahn- ten Vomerstiel bei ersterem, und einen durchweg einreihig bezahnten Vomer- stiel bei letzterem; ich habe aber diesen Unterschied nicht bestätigt gefunden, sondern die Stellung der Zahnreihen auf dem Vomerstiel beider Seelachsfor- men sehr wandelbar angetroffen, was ich mit folgenden Erfahrungen belegen kann. Von 33 Vomerknochen, welche ich aus männlichen und weiblichen brünstigen Seeforellen des Chiemsees von 8 bis 20 Pfund Gewicht heraus- präparirt habe, zeigten 17 einreihig geordnete Zähne am Vorderende des Stiels, auf dem hinteren Ende desselben waren bereits die Zähne wegen des vorgerückten Alters der Fische gänzlich verschwunden, auf 6 Vomerstielen standen die Zähne vorn einreihig hinten zweireihig, auf 3 Vomerstielen stan- den dagegen die Zähne vorn und hinten einreihig und in der Mitte zweireihig, auf 2 Stielen sah ich die Zähne von vorn bis hinten einreihig geordnet, auf 2 anderen Stielen waren nur hinten die Zähne einreihig, vorn und in der Mitte aber zweireihig geordnet, auf zwei anderen erkannte ich ebenfalls vorn die Zähne doppelreihig gestellt, auf dem übrigen Theile des Vomerstiels aber wegen vorgerückten Alters völlig verschwunden, nur ein grösserer Vomerstiel bot vorn einreihig und in der Mitte doppelreihig gestellte Zähne dar, während hinten alle Zähne spurlos verschwunden waren. Es befand sich unter diesen von mir untersuchten Seelachsen bestimmt keine sogenannte Maiforelle, die ich etwa unrichtig bestimmt hätte; an allen diesen Chiemsee-Lachsen waren die Fortpflanzungsorgane bis zur vollkommenen Brünstigkeit entwickelt, auch waren sie sämmtlich in der Achen gefangen worden, in welche sie vom Chiemsee aus, um zu laichen, eingewandert waren. Dennoch muss ich glau- ben, dass die sterile Seeforelle auch im Chiemsee vorkömmt, da mir von den Chiemsee-Fischern die Mittheilung gemacht wurde, dass im Chiemsee, aber nie in der Achen eine schlanke, silberfarbige Lachsforelle mit wenig kleinen, schwarzen Tupfen das ganze Jahr hindurch an der Angel gefangen werde, welche weder Rogen noch Milch enthalte. Es ist dies offenbar die sterile Mai- forelle der östreichischen Seen, welche aber am Chiemsee keinen besonderen Namen erhalten hat, obwohl der Name »Maifisch« am Chiemsee gekannt ist. 1) S. Nr. 11 f: pag. 348. Taf. III. Fig. 3 u. 8, und Nr. 11 i: pag. 195, ferner Nr. 13: pag. 268. Fig. 146 u. 150.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/321>, abgerufen am 25.04.2024.