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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Einleitung.
noch eine andere krankhafte Farbenausartung auf, welche ich noch nirgends
erwähnt und beschrieben gefunden habe und welche, wenn man erst darauf
aufmerksam sein wird, vielleicht nicht so selten, als es den Anschein hat,
unter den Fischen anzutreffen sein dürfte. Ich nenne diese Entartung Alampia,
das heisst "Glanzlosigkeit". Die Farbenveränderung alampetischer Fische be-
steht darin, dass dieselben keine Spur von Silberglanz an sich erkennen
lassen, denn es fehlen diesen Fischen durchaus jene mikroskopischen lang-
gestreckten krystallinischen, meist sechsseitigen Plättchen, welche die hintere
Fläche der durchsichtigen Schuppen, den Kiemendeckel-Apparat und die
Regenbogenhaut besetzt halten und die innere Fläche der Bauchhöhle in Form
einer besondern Haut auskleiden. Durch das Verschwinden dieser elemen-
taren krystallinischen Körperchen, von welchen allein der den Fischen eigen-
thümliche Silber- oder Metallglanz ausgeht, entsteht nicht bloss die oben ge-
nannte Glanzlosigkeit, sondern auch eine eigenthümliche Färbung dieser alam-
petischen Fische, indem durch die farblosen, durchsichtigen Schuppen die
darunterliegenden Haut- und Fleischtheile meistens blassröthlich hindurch-
schimmern. Ich habe bis jetzt nur drei Fälle dieser Abnormität kennen ge-
lernt 1). Der erste alampetische Fisch, der mir zu Gesichte kam, war ein
Chondrostoma Genei aus Oberitalien, der zweite und dritte Fall von Alampia
zeigte sich bei einem Squalius Cephalus und einer Trutta Fario, welche ich
durch den hiesigen Stadtfischer Kuffer lebend erhalten hatte, da sie ihm we-
gen ihrer abweichenden Färbung aufgefallen waren. Es ist interessant, dass
diese Glanzlosigkeit bei gewissen Fischen, nämlich bei den Helmichthyden als
ein ebenso natürlicher Zustand vorkömmt, wie die nicht als Leukosis auftre-
tende weisse Färbung bei gewissen Säugethieren und Vögeln. Gleichwie diese
letzteren durch das Vorhandensein von schwarzem Pigmente in ihren Augen
sich als normal weissgefärbte Thiere verrathen, deutet auch bei den Hel-
michthyden die Anwesenheit von Metallglanz in der Regenbogenhaut ihrer
Augen auf die normale Glanzlosigkeit ihres Körpers hin.

Die wichtige Frage, ob es bei Fischen an ihren natürlichen Aufenthalts-

licher Fische besprochen worden, jedoch ohne genauere Angabe über das Verhalten der
Augen, so dass man in Zweifel bleibt, ob diese Fische auch wirklich echte Kakerlaken ge-
wesen sind. Hieher rechne ich den weissen Ruffolk (Lota vulgaris) und die helle Grundel
(Cobitis barbatula), welche Baldner in seiner: Recht natürlich. Beschreibung u. Abmahlung
der Wasser-Vögel, Fischen u. s. w. (Casseler Manuscript) pag. 179. Taf. 21 u. pag. 222.
Taf. 44 beschrieben und abgebildet hat. Auch jener von Meunier (in d'Orbigny's Diction-
naire d'hist. naturelle Tom. I. 1841. pag. 249) beschriebene Aal dürfte hieher gehören,
welcher bei Paris gefangen wurde und mit Ausnahme der Schnauze und des Schwanzes
nankinggelb gefärbt war.
1) Die erste öffentliche Mittheilung über diese Glanzlosigkeit der Fische machte ich in
der zoologischen Section der Königsberger Naturforscher-Versammlung. Vergl. den amtli-
chen Bericht dieser Versammlung a. a. O. pag. 76.
2*

Einleitung.
noch eine andere krankhafte Farbenausartung auf, welche ich noch nirgends
erwähnt und beschrieben gefunden habe und welche, wenn man erst darauf
aufmerksam sein wird, vielleicht nicht so selten, als es den Anschein hat,
unter den Fischen anzutreffen sein dürfte. Ich nenne diese Entartung Alampia,
das heisst »Glanzlosigkeit«. Die Farbenveränderung alampetischer Fische be-
steht darin, dass dieselben keine Spur von Silberglanz an sich erkennen
lassen, denn es fehlen diesen Fischen durchaus jene mikroskopischen lang-
gestreckten krystallinischen, meist sechsseitigen Plättchen, welche die hintere
Fläche der durchsichtigen Schuppen, den Kiemendeckel-Apparat und die
Regenbogenhaut besetzt halten und die innere Fläche der Bauchhöhle in Form
einer besondern Haut auskleiden. Durch das Verschwinden dieser elemen-
taren krystallinischen Körperchen, von welchen allein der den Fischen eigen-
thümliche Silber- oder Metallglanz ausgeht, entsteht nicht bloss die oben ge-
nannte Glanzlosigkeit, sondern auch eine eigenthümliche Färbung dieser alam-
petischen Fische, indem durch die farblosen, durchsichtigen Schuppen die
darunterliegenden Haut- und Fleischtheile meistens blassröthlich hindurch-
schimmern. Ich habe bis jetzt nur drei Fälle dieser Abnormität kennen ge-
lernt 1). Der erste alampetische Fisch, der mir zu Gesichte kam, war ein
Chondrostoma Genei aus Oberitalien, der zweite und dritte Fall von Alampia
zeigte sich bei einem Squalius Cephalus und einer Trutta Fario, welche ich
durch den hiesigen Stadtfischer Kuffer lebend erhalten hatte, da sie ihm we-
gen ihrer abweichenden Färbung aufgefallen waren. Es ist interessant, dass
diese Glanzlosigkeit bei gewissen Fischen, nämlich bei den Helmichthyden als
ein ebenso natürlicher Zustand vorkömmt, wie die nicht als Leukosis auftre-
tende weisse Färbung bei gewissen Säugethieren und Vögeln. Gleichwie diese
letzteren durch das Vorhandensein von schwarzem Pigmente in ihren Augen
sich als normal weissgefärbte Thiere verrathen, deutet auch bei den Hel-
michthyden die Anwesenheit von Metallglanz in der Regenbogenhaut ihrer
Augen auf die normale Glanzlosigkeit ihres Körpers hin.

Die wichtige Frage, ob es bei Fischen an ihren natürlichen Aufenthalts-

licher Fische besprochen worden, jedoch ohne genauere Angabe über das Verhalten der
Augen, so dass man in Zweifel bleibt, ob diese Fische auch wirklich echte Kakerlaken ge-
wesen sind. Hieher rechne ich den weissen Ruffolk (Lota vulgaris) und die helle Grundel
(Cobitis barbatula), welche Baldner in seiner: Recht natürlich. Beschreibung u. Abmahlung
der Wasser-Vögel, Fischen u. s. w. (Casseler Manuscript) pag. 179. Taf. 21 u. pag. 222.
Taf. 44 beschrieben und abgebildet hat. Auch jener von Meunier (in d’Orbigny’s Diction-
naire d’hist. naturelle Tom. I. 1841. pag. 249) beschriebene Aal dürfte hieher gehören,
welcher bei Paris gefangen wurde und mit Ausnahme der Schnauze und des Schwanzes
nankinggelb gefärbt war.
1) Die erste öffentliche Mittheilung über diese Glanzlosigkeit der Fische machte ich in
der zoologischen Section der Königsberger Naturforscher-Versammlung. Vergl. den amtli-
chen Bericht dieser Versammlung a. a. O. pag. 76.
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[19/0032] Einleitung. noch eine andere krankhafte Farbenausartung auf, welche ich noch nirgends erwähnt und beschrieben gefunden habe und welche, wenn man erst darauf aufmerksam sein wird, vielleicht nicht so selten, als es den Anschein hat, unter den Fischen anzutreffen sein dürfte. Ich nenne diese Entartung Alampia, das heisst »Glanzlosigkeit«. Die Farbenveränderung alampetischer Fische be- steht darin, dass dieselben keine Spur von Silberglanz an sich erkennen lassen, denn es fehlen diesen Fischen durchaus jene mikroskopischen lang- gestreckten krystallinischen, meist sechsseitigen Plättchen, welche die hintere Fläche der durchsichtigen Schuppen, den Kiemendeckel-Apparat und die Regenbogenhaut besetzt halten und die innere Fläche der Bauchhöhle in Form einer besondern Haut auskleiden. Durch das Verschwinden dieser elemen- taren krystallinischen Körperchen, von welchen allein der den Fischen eigen- thümliche Silber- oder Metallglanz ausgeht, entsteht nicht bloss die oben ge- nannte Glanzlosigkeit, sondern auch eine eigenthümliche Färbung dieser alam- petischen Fische, indem durch die farblosen, durchsichtigen Schuppen die darunterliegenden Haut- und Fleischtheile meistens blassröthlich hindurch- schimmern. Ich habe bis jetzt nur drei Fälle dieser Abnormität kennen ge- lernt 1). Der erste alampetische Fisch, der mir zu Gesichte kam, war ein Chondrostoma Genei aus Oberitalien, der zweite und dritte Fall von Alampia zeigte sich bei einem Squalius Cephalus und einer Trutta Fario, welche ich durch den hiesigen Stadtfischer Kuffer lebend erhalten hatte, da sie ihm we- gen ihrer abweichenden Färbung aufgefallen waren. Es ist interessant, dass diese Glanzlosigkeit bei gewissen Fischen, nämlich bei den Helmichthyden als ein ebenso natürlicher Zustand vorkömmt, wie die nicht als Leukosis auftre- tende weisse Färbung bei gewissen Säugethieren und Vögeln. Gleichwie diese letzteren durch das Vorhandensein von schwarzem Pigmente in ihren Augen sich als normal weissgefärbte Thiere verrathen, deutet auch bei den Hel- michthyden die Anwesenheit von Metallglanz in der Regenbogenhaut ihrer Augen auf die normale Glanzlosigkeit ihres Körpers hin. Die wichtige Frage, ob es bei Fischen an ihren natürlichen Aufenthalts- 2) 1) Die erste öffentliche Mittheilung über diese Glanzlosigkeit der Fische machte ich in der zoologischen Section der Königsberger Naturforscher-Versammlung. Vergl. den amtli- chen Bericht dieser Versammlung a. a. O. pag. 76. 2) licher Fische besprochen worden, jedoch ohne genauere Angabe über das Verhalten der Augen, so dass man in Zweifel bleibt, ob diese Fische auch wirklich echte Kakerlaken ge- wesen sind. Hieher rechne ich den weissen Ruffolk (Lota vulgaris) und die helle Grundel (Cobitis barbatula), welche Baldner in seiner: Recht natürlich. Beschreibung u. Abmahlung der Wasser-Vögel, Fischen u. s. w. (Casseler Manuscript) pag. 179. Taf. 21 u. pag. 222. Taf. 44 beschrieben und abgebildet hat. Auch jener von Meunier (in d’Orbigny’s Diction- naire d’hist. naturelle Tom. I. 1841. pag. 249) beschriebene Aal dürfte hieher gehören, welcher bei Paris gefangen wurde und mit Ausnahme der Schnauze und des Schwanzes nankinggelb gefärbt war. 2*

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/32>, abgerufen am 29.03.2024.