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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.

Das Vorkommen des Saiblings ist nur auf die Alpenseen und auf einige
vor den Alpen gelegenen Seen beschränkt; ich besitze denselben aus den
meisten Gebirgsseen der durch Bayern sich hinziehenden Alpenkette, aus dem
Bodensee, Christsee, Walchensee, Tegernsee, Schliersee, Hintersee und Kö-
nigssee, ferner aus dem vor den Alpen gelegenen Ammersee und Starenber-
ger See. Der nach Angabe Nau's (Nr. 45 b: pag. 130) im Altwasser des Mit-
telrheins bei Mainz beobachtete Saibling hatte sich gewiss aus einem der mit
dem Rhein zusammenhängenden schweizer Seen dorthin verirrt. Obgleich
der Saibling als Raubfisch betrachtet werden muss und derselbe vermöge sei-
ner Gefrässigkeit in grösseren künstlichen Weihern sich mit Fischen sehr gut
mästen lässt, so scheint derselbe in seinen natürlichen Aufenthaltsorten nicht
immer Fische als Nahrung zu bedürfen; ich habe wenigstens in fast allen von
mir untersuchten frisch eingefangenen Saiblingen den Magen und Darm nur
allein mit kleinen Entomostraceen (Daphnoiden und Cyclopiden) vollgestopft
gefunden; wenn daher Linne nicht begreifen konnte1), wie die Saiblinge in
den Seen Lapplands, in welchen sie die einzigen Fische sind, Nahrung fänden,
so hatte Schrank (Nr. 23 b: pag. 306) ganz richtig darauf erwidert, dass sich
in solchen Gewässern immer eine grosse Menge Insecten aufzuhalten pflegen,
von welchen jene Fische leben können. Die Laichzeit der Saiblinge beginnt
gegen Ende des Octobers und währt bis gegen Ende des November, um wel-
che Zeit dieselben, ohne die Seen zu verlassen, kiesigen Grund zum Ablegen
der Eier aufsuchen. Bei den brünstigen Saiblings-Männchen, an denen die
oben erwähnten rothen Färbungen besonders schön hervortreten, breitet sich
sowohl auf dem ganzen Rücken wie am Bauche eine schwartenförmige Haut-
verdickung aus, welche der Oberfläche dieser Körpergegenden ein sammet-
artiges Aussehen giebt.

Dass unter den Saiblingen auch sterile Individuen vorkommen, geht aus
den Aussagen verschiedener Fischer hervor. Durch Hartmann2) erfahren wir,
dass die Fischer am Egerisee behaupten, es gebe unter den Rothforellen
(Saiblingen) nicht gar selten geschlechtslose Individuen bis zu drei Pfund
schwer. Auch die Fischer von Oberbayern finde ich mit dieser Erscheinung
bekannt. Dass es auch unter den schwedischen Saiblingen, (welche Linne mit
dem Namen Salmo alpinus bezeichnet hat, sterile Individuen giebt, geht aus
einer Notiz hervor, welche sich in Gissler's "Anmerkungen von der Sikfische-
rei in den nordländischen Elben und Scheeren" vorfindet3). Hier erzählt näm-

1) S. dessen Fauna suecica. pag. 124.
2) S. dessen helvetische Ichthyologie. pag. 130. und dessen Naturgeschichte der Roth-
forelle, in der Alpina, Bd. I. pag. 97.
3) Vergl. der k. schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, auf das
Jahr 1753 (Bd. 15. 1756. pag. 208).
Familie: Salmonoidei.

Das Vorkommen des Saiblings ist nur auf die Alpenseen und auf einige
vor den Alpen gelegenen Seen beschränkt; ich besitze denselben aus den
meisten Gebirgsseen der durch Bayern sich hinziehenden Alpenkette, aus dem
Bodensee, Christsee, Walchensee, Tegernsee, Schliersee, Hintersee und Kö-
nigssee, ferner aus dem vor den Alpen gelegenen Ammersee und Starenber-
ger See. Der nach Angabe Nau’s (Nr. 45 b: pag. 130) im Altwasser des Mit-
telrheins bei Mainz beobachtete Saibling hatte sich gewiss aus einem der mit
dem Rhein zusammenhängenden schweizer Seen dorthin verirrt. Obgleich
der Saibling als Raubfisch betrachtet werden muss und derselbe vermöge sei-
ner Gefrässigkeit in grösseren künstlichen Weihern sich mit Fischen sehr gut
mästen lässt, so scheint derselbe in seinen natürlichen Aufenthaltsorten nicht
immer Fische als Nahrung zu bedürfen; ich habe wenigstens in fast allen von
mir untersuchten frisch eingefangenen Saiblingen den Magen und Darm nur
allein mit kleinen Entomostraceen (Daphnoiden und Cyclopiden) vollgestopft
gefunden; wenn daher Linné nicht begreifen konnte1), wie die Saiblinge in
den Seen Lapplands, in welchen sie die einzigen Fische sind, Nahrung fänden,
so hatte Schrank (Nr. 23 b: pag. 306) ganz richtig darauf erwidert, dass sich
in solchen Gewässern immer eine grosse Menge Insecten aufzuhalten pflegen,
von welchen jene Fische leben können. Die Laichzeit der Saiblinge beginnt
gegen Ende des Octobers und währt bis gegen Ende des November, um wel-
che Zeit dieselben, ohne die Seen zu verlassen, kiesigen Grund zum Ablegen
der Eier aufsuchen. Bei den brünstigen Saiblings-Männchen, an denen die
oben erwähnten rothen Färbungen besonders schön hervortreten, breitet sich
sowohl auf dem ganzen Rücken wie am Bauche eine schwartenförmige Haut-
verdickung aus, welche der Oberfläche dieser Körpergegenden ein sammet-
artiges Aussehen giebt.

Dass unter den Saiblingen auch sterile Individuen vorkommen, geht aus
den Aussagen verschiedener Fischer hervor. Durch Hartmann2) erfahren wir,
dass die Fischer am Egerisee behaupten, es gebe unter den Rothforellen
(Saiblingen) nicht gar selten geschlechtslose Individuen bis zu drei Pfund
schwer. Auch die Fischer von Oberbayern finde ich mit dieser Erscheinung
bekannt. Dass es auch unter den schwedischen Saiblingen, (welche Linné mit
dem Namen Salmo alpinus bezeichnet hat, sterile Individuen giebt, geht aus
einer Notiz hervor, welche sich in Gissler’s »Anmerkungen von der Sikfische-
rei in den nordländischen Elben und Scheeren« vorfindet3). Hier erzählt näm-

1) S. dessen Fauna suecica. pag. 124.
2) S. dessen helvetische Ichthyologie. pag. 130. und dessen Naturgeschichte der Roth-
forelle, in der Alpina, Bd. I. pag. 97.
3) Vergl. der k. schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, auf das
Jahr 1753 (Bd. 15. 1756. pag. 208).
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[284/0297] Familie: Salmonoidei. Das Vorkommen des Saiblings ist nur auf die Alpenseen und auf einige vor den Alpen gelegenen Seen beschränkt; ich besitze denselben aus den meisten Gebirgsseen der durch Bayern sich hinziehenden Alpenkette, aus dem Bodensee, Christsee, Walchensee, Tegernsee, Schliersee, Hintersee und Kö- nigssee, ferner aus dem vor den Alpen gelegenen Ammersee und Starenber- ger See. Der nach Angabe Nau’s (Nr. 45 b: pag. 130) im Altwasser des Mit- telrheins bei Mainz beobachtete Saibling hatte sich gewiss aus einem der mit dem Rhein zusammenhängenden schweizer Seen dorthin verirrt. Obgleich der Saibling als Raubfisch betrachtet werden muss und derselbe vermöge sei- ner Gefrässigkeit in grösseren künstlichen Weihern sich mit Fischen sehr gut mästen lässt, so scheint derselbe in seinen natürlichen Aufenthaltsorten nicht immer Fische als Nahrung zu bedürfen; ich habe wenigstens in fast allen von mir untersuchten frisch eingefangenen Saiblingen den Magen und Darm nur allein mit kleinen Entomostraceen (Daphnoiden und Cyclopiden) vollgestopft gefunden; wenn daher Linné nicht begreifen konnte 1), wie die Saiblinge in den Seen Lapplands, in welchen sie die einzigen Fische sind, Nahrung fänden, so hatte Schrank (Nr. 23 b: pag. 306) ganz richtig darauf erwidert, dass sich in solchen Gewässern immer eine grosse Menge Insecten aufzuhalten pflegen, von welchen jene Fische leben können. Die Laichzeit der Saiblinge beginnt gegen Ende des Octobers und währt bis gegen Ende des November, um wel- che Zeit dieselben, ohne die Seen zu verlassen, kiesigen Grund zum Ablegen der Eier aufsuchen. Bei den brünstigen Saiblings-Männchen, an denen die oben erwähnten rothen Färbungen besonders schön hervortreten, breitet sich sowohl auf dem ganzen Rücken wie am Bauche eine schwartenförmige Haut- verdickung aus, welche der Oberfläche dieser Körpergegenden ein sammet- artiges Aussehen giebt. Dass unter den Saiblingen auch sterile Individuen vorkommen, geht aus den Aussagen verschiedener Fischer hervor. Durch Hartmann 2) erfahren wir, dass die Fischer am Egerisee behaupten, es gebe unter den Rothforellen (Saiblingen) nicht gar selten geschlechtslose Individuen bis zu drei Pfund schwer. Auch die Fischer von Oberbayern finde ich mit dieser Erscheinung bekannt. Dass es auch unter den schwedischen Saiblingen, (welche Linné mit dem Namen Salmo alpinus bezeichnet hat, sterile Individuen giebt, geht aus einer Notiz hervor, welche sich in Gissler’s »Anmerkungen von der Sikfische- rei in den nordländischen Elben und Scheeren« vorfindet 3). Hier erzählt näm- 1) S. dessen Fauna suecica. pag. 124. 2) S. dessen helvetische Ichthyologie. pag. 130. und dessen Naturgeschichte der Roth- forelle, in der Alpina, Bd. I. pag. 97. 3) Vergl. der k. schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, auf das Jahr 1753 (Bd. 15. 1756. pag. 208).

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/297>, abgerufen am 16.04.2024.