Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Familie: Salmonoidei.
förmig nach hinten umbiegt und anfangs in eine am Gaumen sich entwickelnde
Grube passt, wodurch dem Fische das gänzliche Schliessen der Mundhöhle
noch möglich wird; später nimmt aber jener hakenförmige Fortsatz an Um-
fang so zu, dass derselbe das Anschliessen der Kieferränder durchaus ver-
hindert.

Bei keinem unserer einheimischen Fische findet je nach den verschie-
denen Einwirkungen der Nahrung, des Wassers, des Lichts und der Tem-
peratur eine so grosse Farbenverschiedenheit der Haut statt, wie bei den be-
zahnten Salmoneern, sogar die Farbe des Fleisches, welche bei gewissen
Arten rosenfarben oder orangenroth auftreten kann, variirt innerhalb einer
und derselben Species in allen Abstufungen je nach den verschiedenen Auf-
enthaltsorten der Fische.

Vor Eintritt der Laichzeit, während welcher diese Salmoneer nur sehr
wenig oder gar keine Nahrung verzehren, nehmen sowohl die Milchner wie
Rogener an Fleisch und Fett ausserordentlich zu, so dass sie alsdann dem
Menschen ein köstliches Nahrungsmittel gewähren. Nach vollendetem Fort-
pflanzungsgeschäfte, wobei sie meistens als Wanderfische die schwierigsten
Hindernisse mit vieler körperlicher Anstrengung zu überwinden haben, er-
scheinen dieselben in einem so abgemagerten und ausgehungerten Zustande,
dass sie kaum wieder zu erkennen sind.

Während der Laichzeit zeichnen sich die männlichen Individuen der hie-
her gehörigen Salmoneer durch eine ganz eigenthümliche Hautwucherung aus,
welche wie eine Art Schwarte den Hinterrücken und gewöhnlich auch die
Unterseite des Schwanzes überzieht. Da diese Wucherung auf dem Theil der
Haut ausbleibt, welcher mit dem Hinterrande der Schuppen fest verwachsen
und innig verschmolzen ist, so entstehen auf diese Weise der Zahl der Schup-
pen entsprechende Gruben, welche der Haut das Ansehen geben, als seien
hier die Schuppen ausgefallen, zumal bei sehr dicker Schwarten-Bildung die
Schuppen gänzlich unsichtbar werden. Es ist diese Schwarte nichts anderes
als eine Wucherung und eigenthümliche Verdichtung des Epithelüberzugs,
und bisher von den Ichthyologen gänzlich übersehen worden oder unerwähnt
geblieben, nur Jardine macht eine Ausnahme, welcher in seinem grossen
Salmoneer-Werke, das nur in sehr wenige Hände gelangt zu sein scheint,
diese Hautveränderung besprochen hat. Die Eier werden von den Weibchen
in Gesellschaft und nächster Nähe der Männchen lose in den kiesigen Grund
der Gewässer versenkt und vergraben, zu welchem Zwecke von ihnen tiefe,
muldenförmige Gruben mit dem Schwanze aufgewühlt werden.

Ein anderer höchst merkwürdiger Umstand, welcher das Interesse des
Studiums dieser Salmoneer-Abtheilung sehr erhöhen muss, aber bis jetzt ganz
unbeachtet geblieben ist, besteht in dem Auftreten von sterilen Formen,
welche in einer von den geschlechtlich sich entwickelnden Individuen sehr

Familie: Salmonoidei.
förmig nach hinten umbiegt und anfangs in eine am Gaumen sich entwickelnde
Grube passt, wodurch dem Fische das gänzliche Schliessen der Mundhöhle
noch möglich wird; später nimmt aber jener hakenförmige Fortsatz an Um-
fang so zu, dass derselbe das Anschliessen der Kieferränder durchaus ver-
hindert.

Bei keinem unserer einheimischen Fische findet je nach den verschie-
denen Einwirkungen der Nahrung, des Wassers, des Lichts und der Tem-
peratur eine so grosse Farbenverschiedenheit der Haut statt, wie bei den be-
zahnten Salmoneern, sogar die Farbe des Fleisches, welche bei gewissen
Arten rosenfarben oder orangenroth auftreten kann, variirt innerhalb einer
und derselben Species in allen Abstufungen je nach den verschiedenen Auf-
enthaltsorten der Fische.

Vor Eintritt der Laichzeit, während welcher diese Salmoneer nur sehr
wenig oder gar keine Nahrung verzehren, nehmen sowohl die Milchner wie
Rogener an Fleisch und Fett ausserordentlich zu, so dass sie alsdann dem
Menschen ein köstliches Nahrungsmittel gewähren. Nach vollendetem Fort-
pflanzungsgeschäfte, wobei sie meistens als Wanderfische die schwierigsten
Hindernisse mit vieler körperlicher Anstrengung zu überwinden haben, er-
scheinen dieselben in einem so abgemagerten und ausgehungerten Zustande,
dass sie kaum wieder zu erkennen sind.

Während der Laichzeit zeichnen sich die männlichen Individuen der hie-
her gehörigen Salmoneer durch eine ganz eigenthümliche Hautwucherung aus,
welche wie eine Art Schwarte den Hinterrücken und gewöhnlich auch die
Unterseite des Schwanzes überzieht. Da diese Wucherung auf dem Theil der
Haut ausbleibt, welcher mit dem Hinterrande der Schuppen fest verwachsen
und innig verschmolzen ist, so entstehen auf diese Weise der Zahl der Schup-
pen entsprechende Gruben, welche der Haut das Ansehen geben, als seien
hier die Schuppen ausgefallen, zumal bei sehr dicker Schwarten-Bildung die
Schuppen gänzlich unsichtbar werden. Es ist diese Schwarte nichts anderes
als eine Wucherung und eigenthümliche Verdichtung des Epithelüberzugs,
und bisher von den Ichthyologen gänzlich übersehen worden oder unerwähnt
geblieben, nur Jardine macht eine Ausnahme, welcher in seinem grossen
Salmoneer-Werke, das nur in sehr wenige Hände gelangt zu sein scheint,
diese Hautveränderung besprochen hat. Die Eier werden von den Weibchen
in Gesellschaft und nächster Nähe der Männchen lose in den kiesigen Grund
der Gewässer versenkt und vergraben, zu welchem Zwecke von ihnen tiefe,
muldenförmige Gruben mit dem Schwanze aufgewühlt werden.

Ein anderer höchst merkwürdiger Umstand, welcher das Interesse des
Studiums dieser Salmoneer-Abtheilung sehr erhöhen muss, aber bis jetzt ganz
unbeachtet geblieben ist, besteht in dem Auftreten von sterilen Formen,
welche in einer von den geschlechtlich sich entwickelnden Individuen sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0289" n="276"/><fw place="top" type="header">Familie: Salmonoidei.</fw><lb/>
förmig nach hinten umbiegt und anfangs in eine am Gaumen sich entwickelnde<lb/>
Grube passt, wodurch dem Fische das gänzliche Schliessen der Mundhöhle<lb/>
noch möglich wird; später nimmt aber jener hakenförmige Fortsatz an Um-<lb/>
fang so zu, dass derselbe das Anschliessen der Kieferränder durchaus ver-<lb/>
hindert.</p><lb/>
                <p>Bei keinem unserer einheimischen Fische findet je nach den verschie-<lb/>
denen Einwirkungen der Nahrung, des Wassers, des Lichts und der Tem-<lb/>
peratur eine so grosse Farbenverschiedenheit der Haut statt, wie bei den be-<lb/>
zahnten <hi rendition="#i">Salmoneern</hi>, sogar die Farbe des Fleisches, welche bei gewissen<lb/>
Arten rosenfarben oder orangenroth auftreten kann, variirt innerhalb einer<lb/>
und derselben Species in allen Abstufungen je nach den verschiedenen Auf-<lb/>
enthaltsorten der Fische.</p><lb/>
                <p>Vor Eintritt der Laichzeit, während welcher diese <hi rendition="#i">Salmoneer</hi> nur sehr<lb/>
wenig oder gar keine Nahrung verzehren, nehmen sowohl die Milchner wie<lb/>
Rogener an Fleisch und Fett ausserordentlich zu, so dass sie alsdann dem<lb/>
Menschen ein köstliches Nahrungsmittel gewähren. Nach vollendetem Fort-<lb/>
pflanzungsgeschäfte, wobei sie meistens als Wanderfische die schwierigsten<lb/>
Hindernisse mit vieler körperlicher Anstrengung zu überwinden haben, er-<lb/>
scheinen dieselben in einem so abgemagerten und ausgehungerten Zustande,<lb/>
dass sie kaum wieder zu erkennen sind.</p><lb/>
                <p>Während der Laichzeit zeichnen sich die männlichen Individuen der hie-<lb/>
her gehörigen <hi rendition="#i">Salmoneer</hi> durch eine ganz eigenthümliche Hautwucherung aus,<lb/>
welche wie eine Art Schwarte den Hinterrücken und gewöhnlich auch die<lb/>
Unterseite des Schwanzes überzieht. Da diese Wucherung auf dem Theil der<lb/>
Haut ausbleibt, welcher mit dem Hinterrande der Schuppen fest verwachsen<lb/>
und innig verschmolzen ist, so entstehen auf diese Weise der Zahl der Schup-<lb/>
pen entsprechende Gruben, welche der Haut das Ansehen geben, als seien<lb/>
hier die Schuppen ausgefallen, zumal bei sehr dicker Schwarten-Bildung die<lb/>
Schuppen gänzlich unsichtbar werden. Es ist diese Schwarte nichts anderes<lb/>
als eine Wucherung und eigenthümliche Verdichtung des Epithelüberzugs,<lb/>
und bisher von den Ichthyologen gänzlich übersehen worden oder unerwähnt<lb/>
geblieben, nur <hi rendition="#k">Jardine</hi> macht eine Ausnahme, welcher in seinem grossen<lb/><hi rendition="#i">Salmoneer</hi>-Werke, das nur in sehr wenige Hände gelangt zu sein scheint,<lb/>
diese Hautveränderung besprochen hat. Die Eier werden von den Weibchen<lb/>
in Gesellschaft und nächster Nähe der Männchen lose in den kiesigen Grund<lb/>
der Gewässer versenkt und vergraben, zu welchem Zwecke von ihnen tiefe,<lb/>
muldenförmige Gruben mit dem Schwanze aufgewühlt werden.</p><lb/>
                <p>Ein anderer höchst merkwürdiger Umstand, welcher das Interesse des<lb/>
Studiums dieser <hi rendition="#i">Salmoneer</hi>-Abtheilung sehr erhöhen muss, aber bis jetzt ganz<lb/>
unbeachtet geblieben ist, besteht in dem Auftreten von sterilen Formen,<lb/>
welche in einer von den geschlechtlich sich entwickelnden Individuen sehr<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0289] Familie: Salmonoidei. förmig nach hinten umbiegt und anfangs in eine am Gaumen sich entwickelnde Grube passt, wodurch dem Fische das gänzliche Schliessen der Mundhöhle noch möglich wird; später nimmt aber jener hakenförmige Fortsatz an Um- fang so zu, dass derselbe das Anschliessen der Kieferränder durchaus ver- hindert. Bei keinem unserer einheimischen Fische findet je nach den verschie- denen Einwirkungen der Nahrung, des Wassers, des Lichts und der Tem- peratur eine so grosse Farbenverschiedenheit der Haut statt, wie bei den be- zahnten Salmoneern, sogar die Farbe des Fleisches, welche bei gewissen Arten rosenfarben oder orangenroth auftreten kann, variirt innerhalb einer und derselben Species in allen Abstufungen je nach den verschiedenen Auf- enthaltsorten der Fische. Vor Eintritt der Laichzeit, während welcher diese Salmoneer nur sehr wenig oder gar keine Nahrung verzehren, nehmen sowohl die Milchner wie Rogener an Fleisch und Fett ausserordentlich zu, so dass sie alsdann dem Menschen ein köstliches Nahrungsmittel gewähren. Nach vollendetem Fort- pflanzungsgeschäfte, wobei sie meistens als Wanderfische die schwierigsten Hindernisse mit vieler körperlicher Anstrengung zu überwinden haben, er- scheinen dieselben in einem so abgemagerten und ausgehungerten Zustande, dass sie kaum wieder zu erkennen sind. Während der Laichzeit zeichnen sich die männlichen Individuen der hie- her gehörigen Salmoneer durch eine ganz eigenthümliche Hautwucherung aus, welche wie eine Art Schwarte den Hinterrücken und gewöhnlich auch die Unterseite des Schwanzes überzieht. Da diese Wucherung auf dem Theil der Haut ausbleibt, welcher mit dem Hinterrande der Schuppen fest verwachsen und innig verschmolzen ist, so entstehen auf diese Weise der Zahl der Schup- pen entsprechende Gruben, welche der Haut das Ansehen geben, als seien hier die Schuppen ausgefallen, zumal bei sehr dicker Schwarten-Bildung die Schuppen gänzlich unsichtbar werden. Es ist diese Schwarte nichts anderes als eine Wucherung und eigenthümliche Verdichtung des Epithelüberzugs, und bisher von den Ichthyologen gänzlich übersehen worden oder unerwähnt geblieben, nur Jardine macht eine Ausnahme, welcher in seinem grossen Salmoneer-Werke, das nur in sehr wenige Hände gelangt zu sein scheint, diese Hautveränderung besprochen hat. Die Eier werden von den Weibchen in Gesellschaft und nächster Nähe der Männchen lose in den kiesigen Grund der Gewässer versenkt und vergraben, zu welchem Zwecke von ihnen tiefe, muldenförmige Gruben mit dem Schwanze aufgewühlt werden. Ein anderer höchst merkwürdiger Umstand, welcher das Interesse des Studiums dieser Salmoneer-Abtheilung sehr erhöhen muss, aber bis jetzt ganz unbeachtet geblieben ist, besteht in dem Auftreten von sterilen Formen, welche in einer von den geschlechtlich sich entwickelnden Individuen sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/289
Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/289>, abgerufen am 18.04.2024.