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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
Kante bildende Vorderrücken auffallend ab. Der Scheitel ist abgeflacht und
der Kopf nach vorn ganz niedergedrückt. Der mittlere Theil der mässig
kleinen Mundspalte steht quer, die seitlich zurückgebogenen Mundwinkel
ragen nur bis unter den Vorderrand der Augäpfel. Die Ränder der Zwischen-,
Ober- und Unterkiefer sind mit einer einfachen Reihe schwacher und spitzer
Zähne besetzt, auch auf dem Vomerknochen und auf den Gaumenbeinen steht
eine Gruppe ähnlicher Zähne; die dünne Knochenplatte der Zunge dagegen
ist zahnlos. Die mittelgrossen Schuppen der Aesche sind derber gebildet und
sitzen fester als bei den Coregonen. Sie sind auf der Unterseite des Schwan-
zes von den Bauchflossen bis zur Caudalflosse am grössten entwickelt, und
zeigen dagegen auf der Brust- und Bauchseite eine ausserordentliche Klein-
heit. Die Kehle und Umgebung der beiden Bauchflossen-Gelenke erscheinen
immer ganz nackt; von hier aus zieht sich sehr häufig ein nackter Hautstrei-
fen zu beiden Seiten der beschuppten Mittellinie in bald längerer, bald kür-
zerer Ausdehnung nach hinten. Die Beschuppung dieser Mittellinie auf Brust
und Bauch besteht aus einer Längsreihe von grösseren Schuppen, welche
nach hinten allmählich grösser werden, während die Seitentheile des Bauchs
von sehr kleinen, ja bis zum Verschwinden kleinen Schuppen bedeckt wer-
den. Valenciennes hat diejenigen Individuen, welche zwischen den Brust-
flossen sehr ausgebreitete nackte Hautstellen besitzen, unter dem Namen
Thymallus gymnothorax zu einer besonderen Art vereinigt. Es ist diese Art,
welche Valenciennes in Berlin angetroffen und aus Russland erhalten hatte 1),
aber unhaltbar und nicht einmal als eine klimatische nordische Abänderung
zu betrachten, da Günther (a. a. O.) diesen Thymallus gymnothorax auch im
Neckar, also in Mitteleuropa angetroffen hat, und ich an den Aeschen des hie-
sigen Fischmarktes alle Uebergänge von den sehr nackten Individuen bis zu
den ziemlich vollständig beschuppten Individuen habe herausfinden können.
Ich muss daher Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 244) beistimmen, welche den
Th. gymnothorax als besondere Aeschen-Art nicht anerkennen, indem sie
allen Exemplaren des Th. vexillifer nackte Stellen zwischen und hinter den
Brustflossen zuschreiben, die nach dem Alter bald eine etwas grössere, bald
eine etwas geringere Ausdehnung zeigen. Mir hat es scheinen wollen, als ob
die geringere Beschuppung an den jüngeren Aeschen besonders häufig anzu-
treffen wäre 2).


1) S. dessen: Hist. d. poissons. a. a. O. Auch der Thymallus gymnogaster aus der Newa,
in welchem Valenciennes (ebenda. pag. 446. Pl. 626) eine besondere Art erkannt haben
wollte, wird nichts anderes sein, als eine noch im höheren Grade von Schuppen entblösste
Abart der gemeinen Aesche.
2) Es kann die bald geringere, bald grössere Schuppenlosigkeit der Brust bei der
Aesche eben so wenig wie bei dem Kaulbarsch (s. oben pag. 59) als eine Artverschiedenheit
betrachtet werden.

Familie: Salmonoidei.
Kante bildende Vorderrücken auffallend ab. Der Scheitel ist abgeflacht und
der Kopf nach vorn ganz niedergedrückt. Der mittlere Theil der mässig
kleinen Mundspalte steht quer, die seitlich zurückgebogenen Mundwinkel
ragen nur bis unter den Vorderrand der Augäpfel. Die Ränder der Zwischen-,
Ober- und Unterkiefer sind mit einer einfachen Reihe schwacher und spitzer
Zähne besetzt, auch auf dem Vomerknochen und auf den Gaumenbeinen steht
eine Gruppe ähnlicher Zähne; die dünne Knochenplatte der Zunge dagegen
ist zahnlos. Die mittelgrossen Schuppen der Aesche sind derber gebildet und
sitzen fester als bei den Coregonen. Sie sind auf der Unterseite des Schwan-
zes von den Bauchflossen bis zur Caudalflosse am grössten entwickelt, und
zeigen dagegen auf der Brust- und Bauchseite eine ausserordentliche Klein-
heit. Die Kehle und Umgebung der beiden Bauchflossen-Gelenke erscheinen
immer ganz nackt; von hier aus zieht sich sehr häufig ein nackter Hautstrei-
fen zu beiden Seiten der beschuppten Mittellinie in bald längerer, bald kür-
zerer Ausdehnung nach hinten. Die Beschuppung dieser Mittellinie auf Brust
und Bauch besteht aus einer Längsreihe von grösseren Schuppen, welche
nach hinten allmählich grösser werden, während die Seitentheile des Bauchs
von sehr kleinen, ja bis zum Verschwinden kleinen Schuppen bedeckt wer-
den. Valenciennes hat diejenigen Individuen, welche zwischen den Brust-
flossen sehr ausgebreitete nackte Hautstellen besitzen, unter dem Namen
Thymallus gymnothorax zu einer besonderen Art vereinigt. Es ist diese Art,
welche Valenciennes in Berlin angetroffen und aus Russland erhalten hatte 1),
aber unhaltbar und nicht einmal als eine klimatische nordische Abänderung
zu betrachten, da Günther (a. a. O.) diesen Thymallus gymnothorax auch im
Neckar, also in Mitteleuropa angetroffen hat, und ich an den Aeschen des hie-
sigen Fischmarktes alle Uebergänge von den sehr nackten Individuen bis zu
den ziemlich vollständig beschuppten Individuen habe herausfinden können.
Ich muss daher Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 244) beistimmen, welche den
Th. gymnothorax als besondere Aeschen-Art nicht anerkennen, indem sie
allen Exemplaren des Th. vexillifer nackte Stellen zwischen und hinter den
Brustflossen zuschreiben, die nach dem Alter bald eine etwas grössere, bald
eine etwas geringere Ausdehnung zeigen. Mir hat es scheinen wollen, als ob
die geringere Beschuppung an den jüngeren Aeschen besonders häufig anzu-
treffen wäre 2).


1) S. dessen: Hist. d. poissons. a. a. O. Auch der Thymallus gymnogaster aus der Newa,
in welchem Valenciennes (ebenda. pag. 446. Pl. 626) eine besondere Art erkannt haben
wollte, wird nichts anderes sein, als eine noch im höheren Grade von Schuppen entblösste
Abart der gemeinen Aesche.
2) Es kann die bald geringere, bald grössere Schuppenlosigkeit der Brust bei der
Aesche eben so wenig wie bei dem Kaulbarsch (s. oben pag. 59) als eine Artverschiedenheit
betrachtet werden.
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[268/0281] Familie: Salmonoidei. Kante bildende Vorderrücken auffallend ab. Der Scheitel ist abgeflacht und der Kopf nach vorn ganz niedergedrückt. Der mittlere Theil der mässig kleinen Mundspalte steht quer, die seitlich zurückgebogenen Mundwinkel ragen nur bis unter den Vorderrand der Augäpfel. Die Ränder der Zwischen-, Ober- und Unterkiefer sind mit einer einfachen Reihe schwacher und spitzer Zähne besetzt, auch auf dem Vomerknochen und auf den Gaumenbeinen steht eine Gruppe ähnlicher Zähne; die dünne Knochenplatte der Zunge dagegen ist zahnlos. Die mittelgrossen Schuppen der Aesche sind derber gebildet und sitzen fester als bei den Coregonen. Sie sind auf der Unterseite des Schwan- zes von den Bauchflossen bis zur Caudalflosse am grössten entwickelt, und zeigen dagegen auf der Brust- und Bauchseite eine ausserordentliche Klein- heit. Die Kehle und Umgebung der beiden Bauchflossen-Gelenke erscheinen immer ganz nackt; von hier aus zieht sich sehr häufig ein nackter Hautstrei- fen zu beiden Seiten der beschuppten Mittellinie in bald längerer, bald kür- zerer Ausdehnung nach hinten. Die Beschuppung dieser Mittellinie auf Brust und Bauch besteht aus einer Längsreihe von grösseren Schuppen, welche nach hinten allmählich grösser werden, während die Seitentheile des Bauchs von sehr kleinen, ja bis zum Verschwinden kleinen Schuppen bedeckt wer- den. Valenciennes hat diejenigen Individuen, welche zwischen den Brust- flossen sehr ausgebreitete nackte Hautstellen besitzen, unter dem Namen Thymallus gymnothorax zu einer besonderen Art vereinigt. Es ist diese Art, welche Valenciennes in Berlin angetroffen und aus Russland erhalten hatte 1), aber unhaltbar und nicht einmal als eine klimatische nordische Abänderung zu betrachten, da Günther (a. a. O.) diesen Thymallus gymnothorax auch im Neckar, also in Mitteleuropa angetroffen hat, und ich an den Aeschen des hie- sigen Fischmarktes alle Uebergänge von den sehr nackten Individuen bis zu den ziemlich vollständig beschuppten Individuen habe herausfinden können. Ich muss daher Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 244) beistimmen, welche den Th. gymnothorax als besondere Aeschen-Art nicht anerkennen, indem sie allen Exemplaren des Th. vexillifer nackte Stellen zwischen und hinter den Brustflossen zuschreiben, die nach dem Alter bald eine etwas grössere, bald eine etwas geringere Ausdehnung zeigen. Mir hat es scheinen wollen, als ob die geringere Beschuppung an den jüngeren Aeschen besonders häufig anzu- treffen wäre 2). 1) S. dessen: Hist. d. poissons. a. a. O. Auch der Thymallus gymnogaster aus der Newa, in welchem Valenciennes (ebenda. pag. 446. Pl. 626) eine besondere Art erkannt haben wollte, wird nichts anderes sein, als eine noch im höheren Grade von Schuppen entblösste Abart der gemeinen Aesche. 2) Es kann die bald geringere, bald grössere Schuppenlosigkeit der Brust bei der Aesche eben so wenig wie bei dem Kaulbarsch (s. oben pag. 59) als eine Artverschiedenheit betrachtet werden.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/281>, abgerufen am 19.04.2024.