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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Coregonus.
sowie der Fisch aus dem Wasser gehoben wird, gewöhnlich mit einem Knall
berstet. Dass auch Bodenrenken, wenn sie aus grosser Tiefe herausgefischt
werden, einer ähnlichen Trommelsucht ausgesetzt sind, habe ich bereits er-
wähnt. Da aber diese Coregonen eine festere Schwimmblase und derbere
Bauchwandungen besitzen, so kann die Trommelsucht bei ihnen nicht den
hohen Grad erreichen wie bei den Kilchen. Dass auch die Madui-Maräne
(Coreg. Maraena) der Gefahr ausgesetzt ist, durch Trommelsucht aufgetrieben
zu werden, wenn sie unvorsichtig aus der Tiefe ihres gewöhnlichen Aufent-
haltsortes auftaucht, geht aus einer Mittheilung Bloch's 1) hervor, nach wel-
cher dieser Fisch, wenn er im Sommer entweder beim Haschen nach einem
Insect, oder auf der Flucht vor dem Hechte der Oberfläche des Wassers zu
nahe kommt, durch Windsucht und tödtliche Abzehrung zu Grunde geht 2).

An den aufgeblähten Kilchen erscheint die Gegend des Bauchs hinter den
Brustflossen am stärksten ausgedehnt, wobei alle Bauchschuppen auseinander-
gerückt sind. Schon unterhalb der Seitenlinie macht sich die eingetretene
Auftreibung der Bauchhöhle bemerkbar, indem die oberen Längsschuppen-
reihen durch Furchen schärfer abgegrenzt erscheinen und die unteren Längs-
schuppenreihen durch gleichbreite dünnhäutige nackte Streifen auseinander
gehalten werden. Auf der Mitte des Bauches, welche von innen durch die
ausgedehnte Luft am stärksten hervorgetrieben wird, treten die ganz ausein-
ander gerückten und sich nicht mehr deckenden Schuppen gegen die weit
ausgedehnten und nackten Hautstellen fast ganz in den Hintergrund. Ob-
gleich die Kilche ihres zarten und feinen Fleisches wegen sehr geschätzt zu
werden verdienen, so werden sie doch nirgends zu Markte gebracht, wahr-
scheinlich weil dieselben durch ihren aufgetriebenen oder geborstenen Bauch
ein ungewöhnliches Aussehen erhalten und dem Verderben leichter ausge-
setzt sind. Aus diesem Grunde geben sich auch nur wenige Fischer mit die-
sem mühsamen und geringen Lohn einbringenden Kilchfang ab.

Ausser Mangolt scheint von den älteren Ichthyologen nur Gesner den
Coreg. hiemalis gekannt zu haben. Derselbe 3) sagt in der lateinischen Aus-
gabe seines Fischbuchs: "Constantiae 'Kirchlin, vocant albulae genus candi-
dum, et simile iis quos 'Gangfisch, vocant, ventribus magnis. -- Degunt in
profundo et pariunt aestate -- Alii 'Kilchen, vocant, et ventre candido infla-
toque, dorso fusco describunt, in locis profundis morari addunt." Alles dies
passt auf den Coreg. hiemalis; Gesner hat noch die Vermuthung hinzugefügt,

1) S. dessen: Naturgesch. der Fische Deutschlands. Th. I. pag. 174.
2) Auch die Schwimmblase des Saiblings kann, wenn dieser Fisch aus grosser Tiefe
schnell an die Wasseroberfläche gezogen wird, trommelsüchtig aufgetrieben werden, wie
ich das selbst an Saiblingen des Bodensees und Ammersees beobachtet habe und wie dies
von Hartmann (Nr. 23 b: pag. 130) schon früher mitgetheilt wurde.
3) Vergl. Nr. 34a: pag. 37. De Albulae genere, quod Buz et Kilch vulgo nominant.
v. Siebold, Fische. 17

Gattung: Coregonus.
sowie der Fisch aus dem Wasser gehoben wird, gewöhnlich mit einem Knall
berstet. Dass auch Bodenrenken, wenn sie aus grosser Tiefe herausgefischt
werden, einer ähnlichen Trommelsucht ausgesetzt sind, habe ich bereits er-
wähnt. Da aber diese Coregonen eine festere Schwimmblase und derbere
Bauchwandungen besitzen, so kann die Trommelsucht bei ihnen nicht den
hohen Grad erreichen wie bei den Kilchen. Dass auch die Madui-Maräne
(Coreg. Maraena) der Gefahr ausgesetzt ist, durch Trommelsucht aufgetrieben
zu werden, wenn sie unvorsichtig aus der Tiefe ihres gewöhnlichen Aufent-
haltsortes auftaucht, geht aus einer Mittheilung Bloch’s 1) hervor, nach wel-
cher dieser Fisch, wenn er im Sommer entweder beim Haschen nach einem
Insect, oder auf der Flucht vor dem Hechte der Oberfläche des Wassers zu
nahe kommt, durch Windsucht und tödtliche Abzehrung zu Grunde geht 2).

An den aufgeblähten Kilchen erscheint die Gegend des Bauchs hinter den
Brustflossen am stärksten ausgedehnt, wobei alle Bauchschuppen auseinander-
gerückt sind. Schon unterhalb der Seitenlinie macht sich die eingetretene
Auftreibung der Bauchhöhle bemerkbar, indem die oberen Längsschuppen-
reihen durch Furchen schärfer abgegrenzt erscheinen und die unteren Längs-
schuppenreihen durch gleichbreite dünnhäutige nackte Streifen auseinander
gehalten werden. Auf der Mitte des Bauches, welche von innen durch die
ausgedehnte Luft am stärksten hervorgetrieben wird, treten die ganz ausein-
ander gerückten und sich nicht mehr deckenden Schuppen gegen die weit
ausgedehnten und nackten Hautstellen fast ganz in den Hintergrund. Ob-
gleich die Kilche ihres zarten und feinen Fleisches wegen sehr geschätzt zu
werden verdienen, so werden sie doch nirgends zu Markte gebracht, wahr-
scheinlich weil dieselben durch ihren aufgetriebenen oder geborstenen Bauch
ein ungewöhnliches Aussehen erhalten und dem Verderben leichter ausge-
setzt sind. Aus diesem Grunde geben sich auch nur wenige Fischer mit die-
sem mühsamen und geringen Lohn einbringenden Kilchfang ab.

Ausser Mangolt scheint von den älteren Ichthyologen nur Gesner den
Coreg. hiemalis gekannt zu haben. Derselbe 3) sagt in der lateinischen Aus-
gabe seines Fischbuchs: »Constantiae ’Kirchlin٬ vocant albulae genus candi-
dum, et simile iis quos ’Gangfisch٬ vocant, ventribus magnis. — Degunt in
profundo et pariunt aestate — Alii ’Kilchen٬ vocant, et ventre candido infla-
toque, dorso fusco describunt, in locis profundis morari addunt.« Alles dies
passt auf den Coreg. hiemalis; Gesner hat noch die Vermuthung hinzugefügt,

1) S. dessen: Naturgesch. der Fische Deutschlands. Th. I. pag. 174.
2) Auch die Schwimmblase des Saiblings kann, wenn dieser Fisch aus grosser Tiefe
schnell an die Wasseroberfläche gezogen wird, trommelsüchtig aufgetrieben werden, wie
ich das selbst an Saiblingen des Bodensees und Ammersees beobachtet habe und wie dies
von Hartmann (Nr. 23 b: pag. 130) schon früher mitgetheilt wurde.
3) Vergl. Nr. 34a: pag. 37. De Albulae genere, quod Buz et Kilch vulgo nominant.
v. Siebold, Fische. 17
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[257/0270] Gattung: Coregonus. sowie der Fisch aus dem Wasser gehoben wird, gewöhnlich mit einem Knall berstet. Dass auch Bodenrenken, wenn sie aus grosser Tiefe herausgefischt werden, einer ähnlichen Trommelsucht ausgesetzt sind, habe ich bereits er- wähnt. Da aber diese Coregonen eine festere Schwimmblase und derbere Bauchwandungen besitzen, so kann die Trommelsucht bei ihnen nicht den hohen Grad erreichen wie bei den Kilchen. Dass auch die Madui-Maräne (Coreg. Maraena) der Gefahr ausgesetzt ist, durch Trommelsucht aufgetrieben zu werden, wenn sie unvorsichtig aus der Tiefe ihres gewöhnlichen Aufent- haltsortes auftaucht, geht aus einer Mittheilung Bloch’s 1) hervor, nach wel- cher dieser Fisch, wenn er im Sommer entweder beim Haschen nach einem Insect, oder auf der Flucht vor dem Hechte der Oberfläche des Wassers zu nahe kommt, durch Windsucht und tödtliche Abzehrung zu Grunde geht 2). An den aufgeblähten Kilchen erscheint die Gegend des Bauchs hinter den Brustflossen am stärksten ausgedehnt, wobei alle Bauchschuppen auseinander- gerückt sind. Schon unterhalb der Seitenlinie macht sich die eingetretene Auftreibung der Bauchhöhle bemerkbar, indem die oberen Längsschuppen- reihen durch Furchen schärfer abgegrenzt erscheinen und die unteren Längs- schuppenreihen durch gleichbreite dünnhäutige nackte Streifen auseinander gehalten werden. Auf der Mitte des Bauches, welche von innen durch die ausgedehnte Luft am stärksten hervorgetrieben wird, treten die ganz ausein- ander gerückten und sich nicht mehr deckenden Schuppen gegen die weit ausgedehnten und nackten Hautstellen fast ganz in den Hintergrund. Ob- gleich die Kilche ihres zarten und feinen Fleisches wegen sehr geschätzt zu werden verdienen, so werden sie doch nirgends zu Markte gebracht, wahr- scheinlich weil dieselben durch ihren aufgetriebenen oder geborstenen Bauch ein ungewöhnliches Aussehen erhalten und dem Verderben leichter ausge- setzt sind. Aus diesem Grunde geben sich auch nur wenige Fischer mit die- sem mühsamen und geringen Lohn einbringenden Kilchfang ab. Ausser Mangolt scheint von den älteren Ichthyologen nur Gesner den Coreg. hiemalis gekannt zu haben. Derselbe 3) sagt in der lateinischen Aus- gabe seines Fischbuchs: »Constantiae ’Kirchlin٬ vocant albulae genus candi- dum, et simile iis quos ’Gangfisch٬ vocant, ventribus magnis. — Degunt in profundo et pariunt aestate — Alii ’Kilchen٬ vocant, et ventre candido infla- toque, dorso fusco describunt, in locis profundis morari addunt.« Alles dies passt auf den Coreg. hiemalis; Gesner hat noch die Vermuthung hinzugefügt, 1) S. dessen: Naturgesch. der Fische Deutschlands. Th. I. pag. 174. 2) Auch die Schwimmblase des Saiblings kann, wenn dieser Fisch aus grosser Tiefe schnell an die Wasseroberfläche gezogen wird, trommelsüchtig aufgetrieben werden, wie ich das selbst an Saiblingen des Bodensees und Ammersees beobachtet habe und wie dies von Hartmann (Nr. 23 b: pag. 130) schon früher mitgetheilt wurde. 3) Vergl. Nr. 34a: pag. 37. De Albulae genere, quod Buz et Kilch vulgo nominant. v. Siebold, Fische. 17

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/270>, abgerufen am 28.03.2024.