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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
man unter mehreren hundert Maränen oder Felchen kaum eine, welche
mehrere Zoll länger wäre als eine andere". Aus dieser Aeusserung geht offen-
bar hervor, dass Schinz die gleichalterigen und mit besonderen Volksnamen
belegten Renken-Individuen für eigenthümliche Coregonus-Arten genommen
hat. Man sieht hieraus, wie leicht Ichthyologen, die sich die Mühe nahmen,
bei Fischern über Renken und Maränen Erkundigungen einzuziehen, durch
Verwechslungen und Missverständnisse verleitet werden konnten, statt die
Coregonus-Arten schärfer abzugrenzen, sie nur noch mehr zu verwirren.
Diese Verwirrungen wurden um so leichter hervorgerufen, da die Fischer an
allen grösseren Seen in der französischen und deutschen Schweiz, in Süd-
bayern und Oberöstreich die verschiedenen Alterszustände der Coregonen mit
besonderen und zwar fast an jedem See mit anderen Namen belegen. Schon
Heckel 1) hat auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, welche sich Valen-
ciennes
bei der Bearbeitung der Coregonus-Arten zu Schulden kommen liess,
ist aber selbst nicht so glücklich gewesen, über die Abgrenzung der alpinen
Renken-Arten vollkommen genügende Auskunft zu geben, wie ich später
nachweisen werde. Ich habe seit mehreren Jahren diesen Salmoneern grosse
Aufmerksamkeit geschenkt und mir aus den verschiedensten Seen der Alpen
und Voralpen Coregonen in älteren und jüngeren Wachsthumszuständen ver-
schafft und bin nach vieler Mühe und sorgfältiger Vergleichung zu dem Re-
sultate gelangt, dass sich aus den genannten Gewässern mit Sicherheit nur
die drei folgenden Coregonen-Arten feststellen lassen, wobei mir hauptsäch-
lich die Verschiedenheit in der Art und Zeit zu laichen als Prüfstein für die
Richtigkeit dieser drei aufgestellten Renken-Species gedient hat.

Bei aller Mühe, die ich mir gegeben habe, die drei alpinen Coregonus-
Arten unterscheiden zu lernen, wird es mir auch heute noch nicht leicht, die
Coregoni aus den verschiedenen Alpenseen auf den ersten Blick zu unterschei-
den, indem die Profile und Grössen-Verhältnisse der einzelnen Körpertheile
dieser Fische nach Alter und Aufenthaltsort ausserordentlich variiren. Noch
schwerer wird es mir aber, wenn ich entscheiden soll, ob die Coregoni der
alpinen Seen von Mitteleuropa mit gewissen nordischen Coregonen-Formen
als Rassen einer und derselben Species zu vereinigen sind oder von denselben
als vollkommen specifisch verschiedene Species getrennt gehalten werden
müssen.


1) S. dessen: Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 374.

Familie: Salmonoidei.
man unter mehreren hundert Maränen oder Felchen kaum eine, welche
mehrere Zoll länger wäre als eine andere«. Aus dieser Aeusserung geht offen-
bar hervor, dass Schinz die gleichalterigen und mit besonderen Volksnamen
belegten Renken-Individuen für eigenthümliche Coregonus-Arten genommen
hat. Man sieht hieraus, wie leicht Ichthyologen, die sich die Mühe nahmen,
bei Fischern über Renken und Maränen Erkundigungen einzuziehen, durch
Verwechslungen und Missverständnisse verleitet werden konnten, statt die
Coregonus-Arten schärfer abzugrenzen, sie nur noch mehr zu verwirren.
Diese Verwirrungen wurden um so leichter hervorgerufen, da die Fischer an
allen grösseren Seen in der französischen und deutschen Schweiz, in Süd-
bayern und Oberöstreich die verschiedenen Alterszustände der Coregonen mit
besonderen und zwar fast an jedem See mit anderen Namen belegen. Schon
Heckel 1) hat auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, welche sich Valen-
ciennes
bei der Bearbeitung der Coregonus-Arten zu Schulden kommen liess,
ist aber selbst nicht so glücklich gewesen, über die Abgrenzung der alpinen
Renken-Arten vollkommen genügende Auskunft zu geben, wie ich später
nachweisen werde. Ich habe seit mehreren Jahren diesen Salmoneern grosse
Aufmerksamkeit geschenkt und mir aus den verschiedensten Seen der Alpen
und Voralpen Coregonen in älteren und jüngeren Wachsthumszuständen ver-
schafft und bin nach vieler Mühe und sorgfältiger Vergleichung zu dem Re-
sultate gelangt, dass sich aus den genannten Gewässern mit Sicherheit nur
die drei folgenden Coregonen-Arten feststellen lassen, wobei mir hauptsäch-
lich die Verschiedenheit in der Art und Zeit zu laichen als Prüfstein für die
Richtigkeit dieser drei aufgestellten Renken-Species gedient hat.

Bei aller Mühe, die ich mir gegeben habe, die drei alpinen Coregonus-
Arten unterscheiden zu lernen, wird es mir auch heute noch nicht leicht, die
Coregoni aus den verschiedenen Alpenseen auf den ersten Blick zu unterschei-
den, indem die Profile und Grössen-Verhältnisse der einzelnen Körpertheile
dieser Fische nach Alter und Aufenthaltsort ausserordentlich variiren. Noch
schwerer wird es mir aber, wenn ich entscheiden soll, ob die Coregoni der
alpinen Seen von Mitteleuropa mit gewissen nordischen Coregonen-Formen
als Rassen einer und derselben Species zu vereinigen sind oder von denselben
als vollkommen specifisch verschiedene Species getrennt gehalten werden
müssen.


1) S. dessen: Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 374.
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[242/0255] Familie: Salmonoidei. man unter mehreren hundert Maränen oder Felchen kaum eine, welche mehrere Zoll länger wäre als eine andere«. Aus dieser Aeusserung geht offen- bar hervor, dass Schinz die gleichalterigen und mit besonderen Volksnamen belegten Renken-Individuen für eigenthümliche Coregonus-Arten genommen hat. Man sieht hieraus, wie leicht Ichthyologen, die sich die Mühe nahmen, bei Fischern über Renken und Maränen Erkundigungen einzuziehen, durch Verwechslungen und Missverständnisse verleitet werden konnten, statt die Coregonus-Arten schärfer abzugrenzen, sie nur noch mehr zu verwirren. Diese Verwirrungen wurden um so leichter hervorgerufen, da die Fischer an allen grösseren Seen in der französischen und deutschen Schweiz, in Süd- bayern und Oberöstreich die verschiedenen Alterszustände der Coregonen mit besonderen und zwar fast an jedem See mit anderen Namen belegen. Schon Heckel 1) hat auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, welche sich Valen- ciennes bei der Bearbeitung der Coregonus-Arten zu Schulden kommen liess, ist aber selbst nicht so glücklich gewesen, über die Abgrenzung der alpinen Renken-Arten vollkommen genügende Auskunft zu geben, wie ich später nachweisen werde. Ich habe seit mehreren Jahren diesen Salmoneern grosse Aufmerksamkeit geschenkt und mir aus den verschiedensten Seen der Alpen und Voralpen Coregonen in älteren und jüngeren Wachsthumszuständen ver- schafft und bin nach vieler Mühe und sorgfältiger Vergleichung zu dem Re- sultate gelangt, dass sich aus den genannten Gewässern mit Sicherheit nur die drei folgenden Coregonen-Arten feststellen lassen, wobei mir hauptsäch- lich die Verschiedenheit in der Art und Zeit zu laichen als Prüfstein für die Richtigkeit dieser drei aufgestellten Renken-Species gedient hat. Bei aller Mühe, die ich mir gegeben habe, die drei alpinen Coregonus- Arten unterscheiden zu lernen, wird es mir auch heute noch nicht leicht, die Coregoni aus den verschiedenen Alpenseen auf den ersten Blick zu unterschei- den, indem die Profile und Grössen-Verhältnisse der einzelnen Körpertheile dieser Fische nach Alter und Aufenthaltsort ausserordentlich variiren. Noch schwerer wird es mir aber, wenn ich entscheiden soll, ob die Coregoni der alpinen Seen von Mitteleuropa mit gewissen nordischen Coregonen-Formen als Rassen einer und derselben Species zu vereinigen sind oder von denselben als vollkommen specifisch verschiedene Species getrennt gehalten werden müssen. 1) S. dessen: Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 374.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/255>, abgerufen am 24.04.2024.