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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Coregonus.
ständigen Entwicklung gelangen; ausserdem sind auch von den sieben bis
acht Längsstreifen die Erhabenheiten des obersten und untersten Streifen am
schwächsten entwickelt, sowie auch die Erhabenheiten an den vorderen und
hinteren Enden der übrigen sehr stark entwickelten Längsstreifen immer
etwas schwächer zur Entwicklung kommen. Es ist auffallend, dass dieser
Hautausschlag bisher von den Ichthyologen fast gänzlich unbeachtet geblieben
ist; meines Wissens hat nur Rapp (Nr. 41: pag. 14) von Coregonus Wart-
manni
und Ascanius 1), Ekström 2) und Nilsson 3) von Coregonus oxyrhynchus
diesen Hautausschlag erwähnt. Ueberhaupt sind die Renken- und Felchen-
Arten von den Ichthyologen höchst ungenügend untersucht und beobachtet
worden; die meisten haben sich damit begnügt, einzelne Individuen der dem
Genus Coregonus angehörenden Renken oder Felchen, die sie aus diesem oder
jenem See erhalten haben, als besondere Arten hinzustellen, ohne sie vorher
genauer mit verwandten Formen aus anderen Fundorten verglichen zu haben.
Auf diese Weise ist die Gattung Coregonus mit verschiedenen unsicheren Ar-
ten belastet, welche die Uebersicht der wirklich von der Natur begründeten
Arten ausserordentlich erschwert, indem zugleich alle jene Abänderungen
ausser Acht gelassen wurden, welche durch die mannichfaltigen Einflüsse der
verschiedenen Seen, in denen die einzelnen Coregonus-Arten hier und dort
heranwuchsen, bedingt sind.

Ein anderer Umstand, der das Herausfinden der natürlichen Coregonus-
Arten ausserordentlich erschwert, ist die Eigenthümlichkeit der Renken und
Maränen immer in Gesellschaft beisammen zu leben, wobei sich die gleichalte-
rigen Individuen stets zusammenhalten, und diese verschiedenen Gesellschaf-
ten von älteren und jüngeren Coregonus-Arten je nach den Jahreszeiten, den
Witterungsverhältnissen und den verschiedenen Zuständen des Fortpflan-
zungsgeschäftes sowohl ihren Aufenthaltsort, ihre Lebensweise, sowie ihr
ganzes Benehmen verändern. Schinz, welcher in den Schweizerseen vier bis
fünf Coregonus-Arten erkannt haben will, muss von den eben erwähnten
Lebensverhältnissen dieser Fische gar keine Notiz genommen haben, sonst
hätte er sich gewiss nicht in folgender Weise ausgesprochen 4): "es ist merk-
würdig, dass alle Arten unserer Coregonen jede nur eine bestimmte Grösse
annehmen und bei weitem weniger abweichen als andere Fische; so findet

1) Vergl. dessen: Icones rerum naturalium. III. Copenhagae, 1806. pag. 6. Tab. 30.
"Le Lavaret est en saison, dans les trois derniers mois de l'annee, et alors le male porte des
ecailles pointues en plusieurs lignes sur les cotes, qui disparoissent ensuite". Auf der colo-
rirten Tafel sind die einzelnen Auswüchse der Schuppen nur durch schwarze Striche dar-
gestellt.
2) S. dessen: Fische von Mörkö, a. a. O. pag. 200.
3) S. dessen: Skandinavisk Fauna, IV. pag. 458, oder die Zeitschrift für die gesammten
Naturwissenschaften, 1860, Juli August, pag. 38 (Creplin's Uebersetzung).
4) Vergl. dessen: Europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 356.
v. Siebold, Fische. 16

Gattung: Coregonus.
ständigen Entwicklung gelangen; ausserdem sind auch von den sieben bis
acht Längsstreifen die Erhabenheiten des obersten und untersten Streifen am
schwächsten entwickelt, sowie auch die Erhabenheiten an den vorderen und
hinteren Enden der übrigen sehr stark entwickelten Längsstreifen immer
etwas schwächer zur Entwicklung kommen. Es ist auffallend, dass dieser
Hautausschlag bisher von den Ichthyologen fast gänzlich unbeachtet geblieben
ist; meines Wissens hat nur Rapp (Nr. 41: pag. 14) von Coregonus Wart-
manni
und Ascanius 1), Ekström 2) und Nilsson 3) von Coregonus oxyrhynchus
diesen Hautausschlag erwähnt. Ueberhaupt sind die Renken- und Felchen-
Arten von den Ichthyologen höchst ungenügend untersucht und beobachtet
worden; die meisten haben sich damit begnügt, einzelne Individuen der dem
Genus Coregonus angehörenden Renken oder Felchen, die sie aus diesem oder
jenem See erhalten haben, als besondere Arten hinzustellen, ohne sie vorher
genauer mit verwandten Formen aus anderen Fundorten verglichen zu haben.
Auf diese Weise ist die Gattung Coregonus mit verschiedenen unsicheren Ar-
ten belastet, welche die Uebersicht der wirklich von der Natur begründeten
Arten ausserordentlich erschwert, indem zugleich alle jene Abänderungen
ausser Acht gelassen wurden, welche durch die mannichfaltigen Einflüsse der
verschiedenen Seen, in denen die einzelnen Coregonus-Arten hier und dort
heranwuchsen, bedingt sind.

Ein anderer Umstand, der das Herausfinden der natürlichen Coregonus-
Arten ausserordentlich erschwert, ist die Eigenthümlichkeit der Renken und
Maränen immer in Gesellschaft beisammen zu leben, wobei sich die gleichalte-
rigen Individuen stets zusammenhalten, und diese verschiedenen Gesellschaf-
ten von älteren und jüngeren Coregonus-Arten je nach den Jahreszeiten, den
Witterungsverhältnissen und den verschiedenen Zuständen des Fortpflan-
zungsgeschäftes sowohl ihren Aufenthaltsort, ihre Lebensweise, sowie ihr
ganzes Benehmen verändern. Schinz, welcher in den Schweizerseen vier bis
fünf Coregonus-Arten erkannt haben will, muss von den eben erwähnten
Lebensverhältnissen dieser Fische gar keine Notiz genommen haben, sonst
hätte er sich gewiss nicht in folgender Weise ausgesprochen 4): »es ist merk-
würdig, dass alle Arten unserer Coregonen jede nur eine bestimmte Grösse
annehmen und bei weitem weniger abweichen als andere Fische; so findet

1) Vergl. dessen: Icones rerum naturalium. III. Copenhagae, 1806. pag. 6. Tab. 30.
»Le Lavaret est en saison, dans les trois derniers mois de l’année, et alors le mâle porte des
écailles pointues en plusieurs lignes sur les côtes, qui disparoissent ensuite«. Auf der colo-
rirten Tafel sind die einzelnen Auswüchse der Schuppen nur durch schwarze Striche dar-
gestellt.
2) S. dessen: Fische von Mörkö, a. a. O. pag. 200.
3) S. dessen: Skandinavisk Fauna, IV. pag. 458, oder die Zeitschrift für die gesammten
Naturwissenschaften, 1860, Juli August, pag. 38 (Creplin’s Uebersetzung).
4) Vergl. dessen: Europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 356.
v. Siebold, Fische. 16
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[241/0254] Gattung: Coregonus. ständigen Entwicklung gelangen; ausserdem sind auch von den sieben bis acht Längsstreifen die Erhabenheiten des obersten und untersten Streifen am schwächsten entwickelt, sowie auch die Erhabenheiten an den vorderen und hinteren Enden der übrigen sehr stark entwickelten Längsstreifen immer etwas schwächer zur Entwicklung kommen. Es ist auffallend, dass dieser Hautausschlag bisher von den Ichthyologen fast gänzlich unbeachtet geblieben ist; meines Wissens hat nur Rapp (Nr. 41: pag. 14) von Coregonus Wart- manni und Ascanius 1), Ekström 2) und Nilsson 3) von Coregonus oxyrhynchus diesen Hautausschlag erwähnt. Ueberhaupt sind die Renken- und Felchen- Arten von den Ichthyologen höchst ungenügend untersucht und beobachtet worden; die meisten haben sich damit begnügt, einzelne Individuen der dem Genus Coregonus angehörenden Renken oder Felchen, die sie aus diesem oder jenem See erhalten haben, als besondere Arten hinzustellen, ohne sie vorher genauer mit verwandten Formen aus anderen Fundorten verglichen zu haben. Auf diese Weise ist die Gattung Coregonus mit verschiedenen unsicheren Ar- ten belastet, welche die Uebersicht der wirklich von der Natur begründeten Arten ausserordentlich erschwert, indem zugleich alle jene Abänderungen ausser Acht gelassen wurden, welche durch die mannichfaltigen Einflüsse der verschiedenen Seen, in denen die einzelnen Coregonus-Arten hier und dort heranwuchsen, bedingt sind. Ein anderer Umstand, der das Herausfinden der natürlichen Coregonus- Arten ausserordentlich erschwert, ist die Eigenthümlichkeit der Renken und Maränen immer in Gesellschaft beisammen zu leben, wobei sich die gleichalte- rigen Individuen stets zusammenhalten, und diese verschiedenen Gesellschaf- ten von älteren und jüngeren Coregonus-Arten je nach den Jahreszeiten, den Witterungsverhältnissen und den verschiedenen Zuständen des Fortpflan- zungsgeschäftes sowohl ihren Aufenthaltsort, ihre Lebensweise, sowie ihr ganzes Benehmen verändern. Schinz, welcher in den Schweizerseen vier bis fünf Coregonus-Arten erkannt haben will, muss von den eben erwähnten Lebensverhältnissen dieser Fische gar keine Notiz genommen haben, sonst hätte er sich gewiss nicht in folgender Weise ausgesprochen 4): »es ist merk- würdig, dass alle Arten unserer Coregonen jede nur eine bestimmte Grösse annehmen und bei weitem weniger abweichen als andere Fische; so findet 1) Vergl. dessen: Icones rerum naturalium. III. Copenhagae, 1806. pag. 6. Tab. 30. »Le Lavaret est en saison, dans les trois derniers mois de l’année, et alors le mâle porte des écailles pointues en plusieurs lignes sur les côtes, qui disparoissent ensuite«. Auf der colo- rirten Tafel sind die einzelnen Auswüchse der Schuppen nur durch schwarze Striche dar- gestellt. 2) S. dessen: Fische von Mörkö, a. a. O. pag. 200. 3) S. dessen: Skandinavisk Fauna, IV. pag. 458, oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften, 1860, Juli August, pag. 38 (Creplin’s Uebersetzung). 4) Vergl. dessen: Europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 356. v. Siebold, Fische. 16

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/254>, abgerufen am 29.03.2024.