Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Gattung: Squalius.
Rücken und seine grossen, starken Schuppen machen denselben leicht kennt-
lich. Die Augen desselben sind verhältnissmässig klein, der Oberkiefer ragt
nicht über den Unterkiefer hervor. Die Form des Maules und der Schlund-
zähne lassen errathen, dass der Aitel sich von animalischer Kost nährt. Sein
weites Maul erlaubt ihm sogar Mäuse und Frösche zu verschlingen, weshalb
dieser Fisch in manchen Gegenden Norddeutschlands auch "Mausefresser" ge-
nannt wird 1).

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 33.


Schlundknochen und Schlundzähne
(nach Heckel und Kner).

Die beiden Schlundknochen des Aitel,
deren nach vorn gerichteter Fortsatz
ziemlich in die Länge gestreckt er-
scheint, sind mit ausgezeichneten Fang-
zähnen bewaffnet. Alle Zähne der-
selben erscheinen sehr lang und com-
primirt und endigen mit einem starken,
nach oben umgebogenen Haken; unter-
halb dieses Hakens ist die nach oben
gerichtete Schneide zuweilen schwach
gekerbt. Abgeriebene Kauflächen habe ich nur ganz vereinzelt und in sehr ge-
ringem Grade an einem oder dem anderen hinteren Zahne wahrnehmen können.

Der Rücken des Aitel besitzt eine schwarzgrüne Färbung, die Seiten
desselben glänzen entweder silberweiss oder goldgelb; alle Schuppen sind
an ihrer Basis und ihrem Hinterrande durch eine schwarze Pigmentirung ein-
gefasst, wodurch die ganze, mit Schuppen bedeckte Hautoberfläche ein netz-
artiges Ansehen erhält. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der Brustflossen,
besitzen mehr oder weniger eine rothe Färbung, welche an der Rücken- und
Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung stark getrübt ist. Die Brust-
flossen haben eine orangengelbe Färbung, die auch durch schwarzes Pigment
mehr oder weniger verwischt sein kann.

Der Aitel kömmt fast in allen Seen, Flüssen und Bächen von Mitteleuropa
ziemlich häufig vor, kann eine ansehnliche Grösse und ein Gewicht von
8 Pfund und darüber erreichen, wird aber wegen seines sehr grätigen Flei-
sches nirgends sehr geachtet.

Die Laichzeit des Aitel fällt in die Monate Mai und Juni, während welcher
Zeit die Männchen, ähnlich wie bei Idus melanotus, einen feinkörnigen Haut-
ausschlag erhalten.

Der Aitel ist einer von denjenigen Cyprinoiden, welche zu unzähligen
Verwechselungen Veranlassung gegeben haben. Es musste daher der Ver-

1) Vergl. Schonevelde Nr. 81: pag. 42. "Musebyter, Maussesser". Bei den Fischern
in Magdeburg fand ich den Aitel ebenfalls unter diesem Namen gekannt.

Gattung: Squalius.
Rücken und seine grossen, starken Schuppen machen denselben leicht kennt-
lich. Die Augen desselben sind verhältnissmässig klein, der Oberkiefer ragt
nicht über den Unterkiefer hervor. Die Form des Maules und der Schlund-
zähne lassen errathen, dass der Aitel sich von animalischer Kost nährt. Sein
weites Maul erlaubt ihm sogar Mäuse und Frösche zu verschlingen, weshalb
dieser Fisch in manchen Gegenden Norddeutschlands auch »Mausefresser« ge-
nannt wird 1).

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 33.


Schlundknochen und Schlundzähne
(nach Heckel und Kner).

Die beiden Schlundknochen des Aitel,
deren nach vorn gerichteter Fortsatz
ziemlich in die Länge gestreckt er-
scheint, sind mit ausgezeichneten Fang-
zähnen bewaffnet. Alle Zähne der-
selben erscheinen sehr lang und com-
primirt und endigen mit einem starken,
nach oben umgebogenen Haken; unter-
halb dieses Hakens ist die nach oben
gerichtete Schneide zuweilen schwach
gekerbt. Abgeriebene Kauflächen habe ich nur ganz vereinzelt und in sehr ge-
ringem Grade an einem oder dem anderen hinteren Zahne wahrnehmen können.

Der Rücken des Aitel besitzt eine schwarzgrüne Färbung, die Seiten
desselben glänzen entweder silberweiss oder goldgelb; alle Schuppen sind
an ihrer Basis und ihrem Hinterrande durch eine schwarze Pigmentirung ein-
gefasst, wodurch die ganze, mit Schuppen bedeckte Hautoberfläche ein netz-
artiges Ansehen erhält. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der Brustflossen,
besitzen mehr oder weniger eine rothe Färbung, welche an der Rücken- und
Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung stark getrübt ist. Die Brust-
flossen haben eine orangengelbe Färbung, die auch durch schwarzes Pigment
mehr oder weniger verwischt sein kann.

Der Aitel kömmt fast in allen Seen, Flüssen und Bächen von Mitteleuropa
ziemlich häufig vor, kann eine ansehnliche Grösse und ein Gewicht von
8 Pfund und darüber erreichen, wird aber wegen seines sehr grätigen Flei-
sches nirgends sehr geachtet.

Die Laichzeit des Aitel fällt in die Monate Mai und Juni, während welcher
Zeit die Männchen, ähnlich wie bei Idus melanotus, einen feinkörnigen Haut-
ausschlag erhalten.

Der Aitel ist einer von denjenigen Cyprinoiden, welche zu unzähligen
Verwechselungen Veranlassung gegeben haben. Es musste daher der Ver-

1) Vergl. Schonevelde Nr. 81: pag. 42. »Musebyter, Maussesser«. Bei den Fischern
in Magdeburg fand ich den Aitel ebenfalls unter diesem Namen gekannt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0214" n="201"/><fw place="top" type="header">Gattung: Squalius.</fw><lb/>
Rücken und seine grossen, starken Schuppen machen denselben leicht kennt-<lb/>
lich. Die Augen desselben sind verhältnissmässig klein, der Oberkiefer ragt<lb/>
nicht über den Unterkiefer hervor. Die Form des Maules und der Schlund-<lb/>
zähne lassen errathen, dass der Aitel sich von animalischer Kost nährt. Sein<lb/>
weites Maul erlaubt ihm sogar Mäuse und Frösche zu verschlingen, weshalb<lb/>
dieser Fisch in manchen Gegenden Norddeutschlands auch »Mausefresser« ge-<lb/>
nannt wird <note place="foot" n="1)">Vergl. <hi rendition="#k">Schonevelde</hi> Nr. 81: pag. 42. »Musebyter, Maussesser«. Bei den Fischern<lb/>
in Magdeburg fand ich den Aitel ebenfalls unter diesem Namen gekannt.</note>.</p><lb/>
                <figure/>
                <figure>
                  <head>Fig. 33.</head>
                  <p><lb/>
Schlundknochen und Schlundzähne<lb/>
(nach <hi rendition="#k">Heckel</hi> und <hi rendition="#k">Kner</hi>).</p>
                </figure><lb/>
                <p>Die beiden Schlundknochen des Aitel,<lb/>
deren nach vorn gerichteter Fortsatz<lb/>
ziemlich in die Länge gestreckt er-<lb/>
scheint, sind mit ausgezeichneten Fang-<lb/>
zähnen bewaffnet. Alle Zähne der-<lb/>
selben erscheinen sehr lang und com-<lb/>
primirt und endigen mit einem starken,<lb/>
nach oben umgebogenen Haken; unter-<lb/>
halb dieses Hakens ist die nach oben<lb/>
gerichtete Schneide zuweilen schwach<lb/>
gekerbt. Abgeriebene Kauflächen habe ich nur ganz vereinzelt und in sehr ge-<lb/>
ringem Grade an einem oder dem anderen hinteren Zahne wahrnehmen können.</p><lb/>
                <p>Der Rücken des Aitel besitzt eine schwarzgrüne Färbung, die Seiten<lb/>
desselben glänzen entweder silberweiss oder goldgelb; alle Schuppen sind<lb/>
an ihrer Basis und ihrem Hinterrande durch eine schwarze Pigmentirung ein-<lb/>
gefasst, wodurch die ganze, mit Schuppen bedeckte Hautoberfläche ein netz-<lb/>
artiges Ansehen erhält. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der Brustflossen,<lb/>
besitzen mehr oder weniger eine rothe Färbung, welche an der Rücken- und<lb/>
Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung stark getrübt ist. Die Brust-<lb/>
flossen haben eine orangengelbe Färbung, die auch durch schwarzes Pigment<lb/>
mehr oder weniger verwischt sein kann.</p><lb/>
                <p>Der Aitel kömmt fast in allen Seen, Flüssen und Bächen von Mitteleuropa<lb/>
ziemlich häufig vor, kann eine ansehnliche Grösse und ein Gewicht von<lb/>
8 Pfund und darüber erreichen, wird aber wegen seines sehr grätigen Flei-<lb/>
sches nirgends sehr geachtet.</p><lb/>
                <p>Die Laichzeit des Aitel fällt in die Monate Mai und Juni, während welcher<lb/>
Zeit die Männchen, ähnlich wie bei <hi rendition="#i">Idus melanotus</hi>, einen feinkörnigen Haut-<lb/>
ausschlag erhalten.</p><lb/>
                <p>Der Aitel ist einer von denjenigen <hi rendition="#i">Cyprinoiden</hi>, welche zu unzähligen<lb/>
Verwechselungen Veranlassung gegeben haben. Es musste daher der Ver-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0214] Gattung: Squalius. Rücken und seine grossen, starken Schuppen machen denselben leicht kennt- lich. Die Augen desselben sind verhältnissmässig klein, der Oberkiefer ragt nicht über den Unterkiefer hervor. Die Form des Maules und der Schlund- zähne lassen errathen, dass der Aitel sich von animalischer Kost nährt. Sein weites Maul erlaubt ihm sogar Mäuse und Frösche zu verschlingen, weshalb dieser Fisch in manchen Gegenden Norddeutschlands auch »Mausefresser« ge- nannt wird 1). [Abbildung] [Abbildung Fig. 33. Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner). ] Die beiden Schlundknochen des Aitel, deren nach vorn gerichteter Fortsatz ziemlich in die Länge gestreckt er- scheint, sind mit ausgezeichneten Fang- zähnen bewaffnet. Alle Zähne der- selben erscheinen sehr lang und com- primirt und endigen mit einem starken, nach oben umgebogenen Haken; unter- halb dieses Hakens ist die nach oben gerichtete Schneide zuweilen schwach gekerbt. Abgeriebene Kauflächen habe ich nur ganz vereinzelt und in sehr ge- ringem Grade an einem oder dem anderen hinteren Zahne wahrnehmen können. Der Rücken des Aitel besitzt eine schwarzgrüne Färbung, die Seiten desselben glänzen entweder silberweiss oder goldgelb; alle Schuppen sind an ihrer Basis und ihrem Hinterrande durch eine schwarze Pigmentirung ein- gefasst, wodurch die ganze, mit Schuppen bedeckte Hautoberfläche ein netz- artiges Ansehen erhält. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der Brustflossen, besitzen mehr oder weniger eine rothe Färbung, welche an der Rücken- und Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung stark getrübt ist. Die Brust- flossen haben eine orangengelbe Färbung, die auch durch schwarzes Pigment mehr oder weniger verwischt sein kann. Der Aitel kömmt fast in allen Seen, Flüssen und Bächen von Mitteleuropa ziemlich häufig vor, kann eine ansehnliche Grösse und ein Gewicht von 8 Pfund und darüber erreichen, wird aber wegen seines sehr grätigen Flei- sches nirgends sehr geachtet. Die Laichzeit des Aitel fällt in die Monate Mai und Juni, während welcher Zeit die Männchen, ähnlich wie bei Idus melanotus, einen feinkörnigen Haut- ausschlag erhalten. Der Aitel ist einer von denjenigen Cyprinoiden, welche zu unzähligen Verwechselungen Veranlassung gegeben haben. Es musste daher der Ver- 1) Vergl. Schonevelde Nr. 81: pag. 42. »Musebyter, Maussesser«. Bei den Fischern in Magdeburg fand ich den Aitel ebenfalls unter diesem Namen gekannt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/214
Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/214>, abgerufen am 29.03.2024.