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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Leuciscus.
zuschreibt 1). Aus der kurzen Laichzeit des Frauenfisches, welche ziemlich
regelmässig in der ersten Hälfte des Mai eintritt, erklärt es sich, warum die-
ser Fisch nur einmal im Jahre nach München zum Verkauf abgeliefert wird.
Ich habe seit einigen Jahren bei meinen regelmässigen Besuchen des hiesigen
Fischmarktes auf die Ankunft des L. Meidingeri genau geachtet und folgende
Erfahrungen darüber gemacht. Im Jahre 1855 wurde dieser Chiemsee-Fisch
am 11ten Mai, im Jahre 1856 am 2ten Mai, im Jahre 1857 am 15ten Mai und
im Jahre 1858 und 1860 am 14ten Mai auf dem hiesigen Markte verkauft. In-
dem Agassiz (Nr. 6: a. a. O.) von dem Frauenfisch des Chiemsee sagt, dass
derselbe nicht sehr häufig sei, so findet das seltene Vorkommen dieses Fisches
in dem eben Mitgetheilten seine Erklärung; wenn derselbe aber hinzufügt,
"dieser Fisch sei so zart, dass er nie lebendig auf den Markt kömmt", so muss
ich gegen diese Bemerkung einwenden, dass nach meinen Erfahrungen die
meisten Maifische des Chiemsee lebendig hier angelangt waren, und dass auch
Heckel (Nr. 11 g: pag. 92) dem L. Meidingeri ein zähes Leben zuschreibt.

Zu den vielfachen Verwechslungen, denen der L. Meidingeri bis auf die
neuste Zeit ausgesetzt gewesen ist, hat auch Schrank das Seinige beigetragen,
indem derselbe, wie aus seinen Reise-Notizen hervorgeht 2), unbegreiflicher
Weise diesen Fisch mit der Lachs- oder Seeforelle des Chiemsee zusammenwarf,
wahrscheinlich weil die sterile Lachsforelle der östreichischen Seen mit dem
Namen "Mailachs", "Maiforelle" bezeichnet wird. Derselbe wollte nämlich in
Seebruck über den Silberlachs des Chiemsee Erkundigungen einziehen und
glaubte herausgefunden zu haben, "dass der Fisch, der am Chiemsee seiner
Farbe wegen Weissfisch, in der Ostsee aus eben derselben Ursache Silber-
lachs, und in Oestreich von der Zeit, zu welcher man ihn fängt, Mayfisch und
Mayforelle heisst, einerlei sei". Von diesem Silberlachs des Chiemsee theilte
Schrank unter anderen fälsclich mit, dass zur Laichzeit, welche in den An-
fang des Maimonates falle, die Schuppen bei dem Männchen rauh werden und
zu dieser Zeit dieser Fisch aus dem See in die Alz gehe, um hier zu laichen,
was der Silberlachs niemals thut, aber von dem L. Meidingeri, wie ich bereits
erwähnt habe, regelmässig um die genannte Zeit geschieht.


1) Vergl. Nr. 11 g: pag. 92 u. Nr. 13: pag. 179.
2) Vergl. dessen: Reise nach den südlichen Gebirgen von Bayern. München, 1793.
pag. 355.

Gattung: Leuciscus.
zuschreibt 1). Aus der kurzen Laichzeit des Frauenfisches, welche ziemlich
regelmässig in der ersten Hälfte des Mai eintritt, erklärt es sich, warum die-
ser Fisch nur einmal im Jahre nach München zum Verkauf abgeliefert wird.
Ich habe seit einigen Jahren bei meinen regelmässigen Besuchen des hiesigen
Fischmarktes auf die Ankunft des L. Meidingeri genau geachtet und folgende
Erfahrungen darüber gemacht. Im Jahre 1855 wurde dieser Chiemsee-Fisch
am 11ten Mai, im Jahre 1856 am 2ten Mai, im Jahre 1857 am 15ten Mai und
im Jahre 1858 und 1860 am 14ten Mai auf dem hiesigen Markte verkauft. In-
dem Agassiz (Nr. 6: a. a. O.) von dem Frauenfisch des Chiemsee sagt, dass
derselbe nicht sehr häufig sei, so findet das seltene Vorkommen dieses Fisches
in dem eben Mitgetheilten seine Erklärung; wenn derselbe aber hinzufügt,
»dieser Fisch sei so zart, dass er nie lebendig auf den Markt kömmt«, so muss
ich gegen diese Bemerkung einwenden, dass nach meinen Erfahrungen die
meisten Maifische des Chiemsee lebendig hier angelangt waren, und dass auch
Heckel (Nr. 11 g: pag. 92) dem L. Meidingeri ein zähes Leben zuschreibt.

Zu den vielfachen Verwechslungen, denen der L. Meidingeri bis auf die
neuste Zeit ausgesetzt gewesen ist, hat auch Schrank das Seinige beigetragen,
indem derselbe, wie aus seinen Reise-Notizen hervorgeht 2), unbegreiflicher
Weise diesen Fisch mit der Lachs- oder Seeforelle des Chiemsee zusammenwarf,
wahrscheinlich weil die sterile Lachsforelle der östreichischen Seen mit dem
Namen »Mailachs«, »Maiforelle« bezeichnet wird. Derselbe wollte nämlich in
Seebruck über den Silberlachs des Chiemsee Erkundigungen einziehen und
glaubte herausgefunden zu haben, »dass der Fisch, der am Chiemsee seiner
Farbe wegen Weissfisch, in der Ostsee aus eben derselben Ursache Silber-
lachs, und in Oestreich von der Zeit, zu welcher man ihn fängt, Mayfisch und
Mayforelle heisst, einerlei sei«. Von diesem Silberlachs des Chiemsee theilte
Schrank unter anderen fälsclich mit, dass zur Laichzeit, welche in den An-
fang des Maimonates falle, die Schuppen bei dem Männchen rauh werden und
zu dieser Zeit dieser Fisch aus dem See in die Alz gehe, um hier zu laichen,
was der Silberlachs niemals thut, aber von dem L. Meidingeri, wie ich bereits
erwähnt habe, regelmässig um die genannte Zeit geschieht.


1) Vergl. Nr. 11 g: pag. 92 u. Nr. 13: pag. 179.
2) Vergl. dessen: Reise nach den südlichen Gebirgen von Bayern. München, 1793.
pag. 355.
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[199/0212] Gattung: Leuciscus. zuschreibt 1). Aus der kurzen Laichzeit des Frauenfisches, welche ziemlich regelmässig in der ersten Hälfte des Mai eintritt, erklärt es sich, warum die- ser Fisch nur einmal im Jahre nach München zum Verkauf abgeliefert wird. Ich habe seit einigen Jahren bei meinen regelmässigen Besuchen des hiesigen Fischmarktes auf die Ankunft des L. Meidingeri genau geachtet und folgende Erfahrungen darüber gemacht. Im Jahre 1855 wurde dieser Chiemsee-Fisch am 11ten Mai, im Jahre 1856 am 2ten Mai, im Jahre 1857 am 15ten Mai und im Jahre 1858 und 1860 am 14ten Mai auf dem hiesigen Markte verkauft. In- dem Agassiz (Nr. 6: a. a. O.) von dem Frauenfisch des Chiemsee sagt, dass derselbe nicht sehr häufig sei, so findet das seltene Vorkommen dieses Fisches in dem eben Mitgetheilten seine Erklärung; wenn derselbe aber hinzufügt, »dieser Fisch sei so zart, dass er nie lebendig auf den Markt kömmt«, so muss ich gegen diese Bemerkung einwenden, dass nach meinen Erfahrungen die meisten Maifische des Chiemsee lebendig hier angelangt waren, und dass auch Heckel (Nr. 11 g: pag. 92) dem L. Meidingeri ein zähes Leben zuschreibt. Zu den vielfachen Verwechslungen, denen der L. Meidingeri bis auf die neuste Zeit ausgesetzt gewesen ist, hat auch Schrank das Seinige beigetragen, indem derselbe, wie aus seinen Reise-Notizen hervorgeht 2), unbegreiflicher Weise diesen Fisch mit der Lachs- oder Seeforelle des Chiemsee zusammenwarf, wahrscheinlich weil die sterile Lachsforelle der östreichischen Seen mit dem Namen »Mailachs«, »Maiforelle« bezeichnet wird. Derselbe wollte nämlich in Seebruck über den Silberlachs des Chiemsee Erkundigungen einziehen und glaubte herausgefunden zu haben, »dass der Fisch, der am Chiemsee seiner Farbe wegen Weissfisch, in der Ostsee aus eben derselben Ursache Silber- lachs, und in Oestreich von der Zeit, zu welcher man ihn fängt, Mayfisch und Mayforelle heisst, einerlei sei«. Von diesem Silberlachs des Chiemsee theilte Schrank unter anderen fälsclich mit, dass zur Laichzeit, welche in den An- fang des Maimonates falle, die Schuppen bei dem Männchen rauh werden und zu dieser Zeit dieser Fisch aus dem See in die Alz gehe, um hier zu laichen, was der Silberlachs niemals thut, aber von dem L. Meidingeri, wie ich bereits erwähnt habe, regelmässig um die genannte Zeit geschieht. 1) Vergl. Nr. 11 g: pag. 92 u. Nr. 13: pag. 179. 2) Vergl. dessen: Reise nach den südlichen Gebirgen von Bayern. München, 1793. pag. 355.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/212>, abgerufen am 20.04.2024.