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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Idus.
beruht diese Angabe, wie ich weiter unten nachweisen werde, auf einer Ver-
wechslung der Goldorfe mit einer rothgefärbten Varietät des Leuciscus rutilus.
Es ist das Fehlen der Goldorfe in Norddeutschland um so auffallender, als der
Schwarznerfling dort überall verbreitet ist und unter den verschiedensten Na-
men auf den Fischmärkten Norddeutschlands angetroffen wird. Im Elbe-Ge-
biet hörte ich ihn "Aland, Alander" nennen, in Pommern führt er den Namen
"Hartkopf", in Preussen wird er "Göse, Gesenitz" und an den masurischen Seen
"Rohrkarpfen" genannt. Eine ganz eigenthümliche Abart des Nerfling erhielt
ich ganz kürzlich aus der Donau in zwei Exemplaren, welche sich durch einen
fast vollständigen Mangel des schwarzkörnigen Pigmentes auf der Rückenseite
des Körpers auszeichneten, ohne dass rothes Pigment an die Stelle getreten
war, wodurch mich diese beiden Fische an jene ganz blass colorirte Abbil-
dung erinnerten, in welcher Meidinger 1) seinen Cyprinus Idbarus dargestellt
hat. Eine ähnliche blassrothe Varietät, welche von Heckel unter dem Namen
Idus miniatus zu einer besonderen Art erhoben wurde, lebt in dem Teiche
des kais. Hofgartens der Burg in Wien. Ich fand wenigstens zwischen den
im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrten Individuen dieses I. miniatus
und dem I. melanotus keinen anderen Unterschied, als dass an denselben eine
blassrothe Farbe die normale blauschwarze Färbung verdrängt hatte und
diese letztere sich nur noch als verwaschene unregelmässige Binden oder
Flecke geltend machte.

Die Laichzeit des Nerfling beginnt im April und währt bis Ende Mai. Um
diese Zeit kömmt an den männlichen Individuen jener Hautausschlag zum
Vorschein, der bei den meisten Cyprinoiden-Männchen die Brunstzeit anzeigt.
Bei Idus melanotus bedeckt derselbe in Form von vielen kleinen weisslichen
Wärzchen die ganze Oberseite des Kopfes bis nach vorne zwischen den bei-
den Nasenlöchern, auch der Hautüberzug des Kiemendeckel-Apparates ist
von solchen kleinen Wärzchen dicht übersät, ebenso sind alle Schuppen des
Rückens und der Leibes-Seiten bis weit hinter der Rückenflosse an dem Hin-
terrande mit einer einfachen Reihe solcher Wärzchen dicht eingefasst und auf
der Fläche derselben mit einigen solchen Wärzchen besetzt, während zugleich
auf der inneren Seite der Brustflossen der erste bis neunte Strahl dichtge-
drängte Wärzchen-Reihen trägt, die auf den einzelnen Radien der getheilten
Strahlen in ebenso viele einzelne Wärzchen-Reihen auslaufen.

Ich muss hier noch bemerken, dass die Bezeichnungen Cypr. Idus, Cypr.
Jeses, Cypr. Dobula, Cypr. Idbarus, Cypr. Cephalus
vielfältig von den Ichthyo-
logen untereinander verwechselt worden sind, und dass Idus melanotus zu
denjenigen Fischen gehört, für welche fast alle die eben erwähnten Namen
von den verschiedenen Autoren verbraucht worden sind. Man muss es daher

1) Vergl. Nr. 30: Dec. II. Tab. XIV.
12*

Gattung: Idus.
beruht diese Angabe, wie ich weiter unten nachweisen werde, auf einer Ver-
wechslung der Goldorfe mit einer rothgefärbten Varietät des Leuciscus rutilus.
Es ist das Fehlen der Goldorfe in Norddeutschland um so auffallender, als der
Schwarznerfling dort überall verbreitet ist und unter den verschiedensten Na-
men auf den Fischmärkten Norddeutschlands angetroffen wird. Im Elbe-Ge-
biet hörte ich ihn »Aland, Alander« nennen, in Pommern führt er den Namen
»Hartkopf«, in Preussen wird er »Göse, Gesenitz« und an den masurischen Seen
»Rohrkarpfen« genannt. Eine ganz eigenthümliche Abart des Nerfling erhielt
ich ganz kürzlich aus der Donau in zwei Exemplaren, welche sich durch einen
fast vollständigen Mangel des schwarzkörnigen Pigmentes auf der Rückenseite
des Körpers auszeichneten, ohne dass rothes Pigment an die Stelle getreten
war, wodurch mich diese beiden Fische an jene ganz blass colorirte Abbil-
dung erinnerten, in welcher Meidinger 1) seinen Cyprinus Idbarus dargestellt
hat. Eine ähnliche blassrothe Varietät, welche von Heckel unter dem Namen
Idus miniatus zu einer besonderen Art erhoben wurde, lebt in dem Teiche
des kais. Hofgartens der Burg in Wien. Ich fand wenigstens zwischen den
im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrten Individuen dieses I. miniatus
und dem I. melanotus keinen anderen Unterschied, als dass an denselben eine
blassrothe Farbe die normale blauschwarze Färbung verdrängt hatte und
diese letztere sich nur noch als verwaschene unregelmässige Binden oder
Flecke geltend machte.

Die Laichzeit des Nerfling beginnt im April und währt bis Ende Mai. Um
diese Zeit kömmt an den männlichen Individuen jener Hautausschlag zum
Vorschein, der bei den meisten Cyprinoiden-Männchen die Brunstzeit anzeigt.
Bei Idus melanotus bedeckt derselbe in Form von vielen kleinen weisslichen
Wärzchen die ganze Oberseite des Kopfes bis nach vorne zwischen den bei-
den Nasenlöchern, auch der Hautüberzug des Kiemendeckel-Apparates ist
von solchen kleinen Wärzchen dicht übersät, ebenso sind alle Schuppen des
Rückens und der Leibes-Seiten bis weit hinter der Rückenflosse an dem Hin-
terrande mit einer einfachen Reihe solcher Wärzchen dicht eingefasst und auf
der Fläche derselben mit einigen solchen Wärzchen besetzt, während zugleich
auf der inneren Seite der Brustflossen der erste bis neunte Strahl dichtge-
drängte Wärzchen-Reihen trägt, die auf den einzelnen Radien der getheilten
Strahlen in ebenso viele einzelne Wärzchen-Reihen auslaufen.

Ich muss hier noch bemerken, dass die Bezeichnungen Cypr. Idus, Cypr.
Jeses, Cypr. Dobula, Cypr. Idbarus, Cypr. Cephalus
vielfältig von den Ichthyo-
logen untereinander verwechselt worden sind, und dass Idus melanotus zu
denjenigen Fischen gehört, für welche fast alle die eben erwähnten Namen
von den verschiedenen Autoren verbraucht worden sind. Man muss es daher

1) Vergl. Nr. 30: Dec. II. Tab. XIV.
12*
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[179/0192] Gattung: Idus. beruht diese Angabe, wie ich weiter unten nachweisen werde, auf einer Ver- wechslung der Goldorfe mit einer rothgefärbten Varietät des Leuciscus rutilus. Es ist das Fehlen der Goldorfe in Norddeutschland um so auffallender, als der Schwarznerfling dort überall verbreitet ist und unter den verschiedensten Na- men auf den Fischmärkten Norddeutschlands angetroffen wird. Im Elbe-Ge- biet hörte ich ihn »Aland, Alander« nennen, in Pommern führt er den Namen »Hartkopf«, in Preussen wird er »Göse, Gesenitz« und an den masurischen Seen »Rohrkarpfen« genannt. Eine ganz eigenthümliche Abart des Nerfling erhielt ich ganz kürzlich aus der Donau in zwei Exemplaren, welche sich durch einen fast vollständigen Mangel des schwarzkörnigen Pigmentes auf der Rückenseite des Körpers auszeichneten, ohne dass rothes Pigment an die Stelle getreten war, wodurch mich diese beiden Fische an jene ganz blass colorirte Abbil- dung erinnerten, in welcher Meidinger 1) seinen Cyprinus Idbarus dargestellt hat. Eine ähnliche blassrothe Varietät, welche von Heckel unter dem Namen Idus miniatus zu einer besonderen Art erhoben wurde, lebt in dem Teiche des kais. Hofgartens der Burg in Wien. Ich fand wenigstens zwischen den im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrten Individuen dieses I. miniatus und dem I. melanotus keinen anderen Unterschied, als dass an denselben eine blassrothe Farbe die normale blauschwarze Färbung verdrängt hatte und diese letztere sich nur noch als verwaschene unregelmässige Binden oder Flecke geltend machte. Die Laichzeit des Nerfling beginnt im April und währt bis Ende Mai. Um diese Zeit kömmt an den männlichen Individuen jener Hautausschlag zum Vorschein, der bei den meisten Cyprinoiden-Männchen die Brunstzeit anzeigt. Bei Idus melanotus bedeckt derselbe in Form von vielen kleinen weisslichen Wärzchen die ganze Oberseite des Kopfes bis nach vorne zwischen den bei- den Nasenlöchern, auch der Hautüberzug des Kiemendeckel-Apparates ist von solchen kleinen Wärzchen dicht übersät, ebenso sind alle Schuppen des Rückens und der Leibes-Seiten bis weit hinter der Rückenflosse an dem Hin- terrande mit einer einfachen Reihe solcher Wärzchen dicht eingefasst und auf der Fläche derselben mit einigen solchen Wärzchen besetzt, während zugleich auf der inneren Seite der Brustflossen der erste bis neunte Strahl dichtge- drängte Wärzchen-Reihen trägt, die auf den einzelnen Radien der getheilten Strahlen in ebenso viele einzelne Wärzchen-Reihen auslaufen. Ich muss hier noch bemerken, dass die Bezeichnungen Cypr. Idus, Cypr. Jeses, Cypr. Dobula, Cypr. Idbarus, Cypr. Cephalus vielfältig von den Ichthyo- logen untereinander verwechselt worden sind, und dass Idus melanotus zu denjenigen Fischen gehört, für welche fast alle die eben erwähnten Namen von den verschiedenen Autoren verbraucht worden sind. Man muss es daher 1) Vergl. Nr. 30: Dec. II. Tab. XIV. 12*

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/192>, abgerufen am 25.04.2024.