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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.

Der Alburnus Mento bewohnt den Ammersee, Starenberger See und Chiem-
see, in welchen Gewässern auch A. lucidus sehr häufig vorkömmt. Ausser-
halb Bayern findet sich der A. Mento, welcher am Chiemsee "Schiedling" ge-
nannt wird, nur noch im Attersee und Traunsee, hat aber gegen Osten von
Europa noch eine weitere Verbreitung, indem Kessler diesen Weissfisch in
verschiedenen Flüssen der Krim entdeckt hat. Kessler 1) hat diesen Krimfisch
Alburnus Mentoides genannt, würde denselben aber als A. Mento bezeichnet
haben, wenn nicht Heckel für den letzteren Fisch das Fehlen des Zwischen-
deckels als charakteristisch und sogar als Artkennzeichen hervorgehoben
hätte. Ich habe mich niemals von dem Fehlen der Zwischendeckel bei dieser
Alburnus-Art überzeugen können, und nachdem ich im Jahre 1860 Gelegen-
heit hatte, Herrn Kessler in der hiesigen zoologischen Sammlung den echten
A. Mento des Agassiz zu zeigen, erkannte derselbe, dass sein A. mentoides
nichts anderes als A. Mento sei. Auch gestand mir Herr Kner später zu, dass
sich Heckel in Bezug auf das Fehlen des Zwischendeckels bei A. Mento jeden-
falls getäuscht habe.

Die Laichzeit des A. Mento fällt in den Monat Mai und Juni, um welche
Zeit dieser Weissfisch in grosser Menge gefangen und auf dem Münchener
Fischmarkte unter dem Namen "Mai-Renke" feil geboten wird, jedoch um einen
viel niedrigeren Preis als die beliebte echte Renke (Coregonus Wartmanni), so
dass Perty (a. a. O.) unrecht hat, wenn er behauptet, dieser Fisch würde hier
betrüglicherweise als Renke verkauft.

Während der Brunstzeit bildet sich auf der Haut der männlichen Indivi-
duen des A. Mento ein Ausschlag, wie er um dieselbe Zeit noch bei vielen
anderen männlichen Cyprinoiden zum Vorschein kömmt. Derselbe besteht bei
der Mai-Renke aus einzelnen zerstreuten kleinen Warzen von flach conischer
Gestalt und weisslicher Farbe, welche den Scheitel, den Obertheil des Vor-
derdeckels und den Hauptdeckel der Kiemen besetzt halten. Diese Warzen
erstrecken sich auf dem Scheitel sehr weit nach vorn, sie finden sich nicht
blos zwischen den Augen und den Nasenlöchern, sondern auch auf der Ober-
lippe vor, ja sogar auf der Unterlippe machen sich einzelne solche Warzen
bemerkbar. Ausserdem fassen einzelne noch kleinere Warzen den Rand der
vor und hinter der Rückenflosse befindlichen Rückenschuppen ein, werden
aber gegen den Schwanz hin immer kleiner und verschwinden zuletzt ganz.


1) Vergl. dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten
des schwarzen Meers und durch die westliche Krim unternommene Reise, in dem Bulletin
de la societe imp. des Naturalistes de Moscou, Ann. 1859. pag. 531.
Familie: Cyprinoidei.

Der Alburnus Mento bewohnt den Ammersee, Starenberger See und Chiem-
see, in welchen Gewässern auch A. lucidus sehr häufig vorkömmt. Ausser-
halb Bayern findet sich der A. Mento, welcher am Chiemsee »Schiedling« ge-
nannt wird, nur noch im Attersee und Traunsee, hat aber gegen Osten von
Europa noch eine weitere Verbreitung, indem Kessler diesen Weissfisch in
verschiedenen Flüssen der Krim entdeckt hat. Kessler 1) hat diesen Krimfisch
Alburnus Mentoides genannt, würde denselben aber als A. Mento bezeichnet
haben, wenn nicht Heckel für den letzteren Fisch das Fehlen des Zwischen-
deckels als charakteristisch und sogar als Artkennzeichen hervorgehoben
hätte. Ich habe mich niemals von dem Fehlen der Zwischendeckel bei dieser
Alburnus-Art überzeugen können, und nachdem ich im Jahre 1860 Gelegen-
heit hatte, Herrn Kessler in der hiesigen zoologischen Sammlung den echten
A. Mento des Agassiz zu zeigen, erkannte derselbe, dass sein A. mentoides
nichts anderes als A. Mento sei. Auch gestand mir Herr Kner später zu, dass
sich Heckel in Bezug auf das Fehlen des Zwischendeckels bei A. Mento jeden-
falls getäuscht habe.

Die Laichzeit des A. Mento fällt in den Monat Mai und Juni, um welche
Zeit dieser Weissfisch in grosser Menge gefangen und auf dem Münchener
Fischmarkte unter dem Namen »Mai-Renke« feil geboten wird, jedoch um einen
viel niedrigeren Preis als die beliebte echte Renke (Coregonus Wartmanni), so
dass Perty (a. a. O.) unrecht hat, wenn er behauptet, dieser Fisch würde hier
betrüglicherweise als Renke verkauft.

Während der Brunstzeit bildet sich auf der Haut der männlichen Indivi-
duen des A. Mento ein Ausschlag, wie er um dieselbe Zeit noch bei vielen
anderen männlichen Cyprinoiden zum Vorschein kömmt. Derselbe besteht bei
der Mai-Renke aus einzelnen zerstreuten kleinen Warzen von flach conischer
Gestalt und weisslicher Farbe, welche den Scheitel, den Obertheil des Vor-
derdeckels und den Hauptdeckel der Kiemen besetzt halten. Diese Warzen
erstrecken sich auf dem Scheitel sehr weit nach vorn, sie finden sich nicht
blos zwischen den Augen und den Nasenlöchern, sondern auch auf der Ober-
lippe vor, ja sogar auf der Unterlippe machen sich einzelne solche Warzen
bemerkbar. Ausserdem fassen einzelne noch kleinere Warzen den Rand der
vor und hinter der Rückenflosse befindlichen Rückenschuppen ein, werden
aber gegen den Schwanz hin immer kleiner und verschwinden zuletzt ganz.


1) Vergl. dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten
des schwarzen Meers und durch die westliche Krim unternommene Reise, in dem Bulletin
de la société imp. des Naturalistes de Moscou, Ann. 1859. pag. 531.
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[162/0175] Familie: Cyprinoidei. Der Alburnus Mento bewohnt den Ammersee, Starenberger See und Chiem- see, in welchen Gewässern auch A. lucidus sehr häufig vorkömmt. Ausser- halb Bayern findet sich der A. Mento, welcher am Chiemsee »Schiedling« ge- nannt wird, nur noch im Attersee und Traunsee, hat aber gegen Osten von Europa noch eine weitere Verbreitung, indem Kessler diesen Weissfisch in verschiedenen Flüssen der Krim entdeckt hat. Kessler 1) hat diesen Krimfisch Alburnus Mentoides genannt, würde denselben aber als A. Mento bezeichnet haben, wenn nicht Heckel für den letzteren Fisch das Fehlen des Zwischen- deckels als charakteristisch und sogar als Artkennzeichen hervorgehoben hätte. Ich habe mich niemals von dem Fehlen der Zwischendeckel bei dieser Alburnus-Art überzeugen können, und nachdem ich im Jahre 1860 Gelegen- heit hatte, Herrn Kessler in der hiesigen zoologischen Sammlung den echten A. Mento des Agassiz zu zeigen, erkannte derselbe, dass sein A. mentoides nichts anderes als A. Mento sei. Auch gestand mir Herr Kner später zu, dass sich Heckel in Bezug auf das Fehlen des Zwischendeckels bei A. Mento jeden- falls getäuscht habe. Die Laichzeit des A. Mento fällt in den Monat Mai und Juni, um welche Zeit dieser Weissfisch in grosser Menge gefangen und auf dem Münchener Fischmarkte unter dem Namen »Mai-Renke« feil geboten wird, jedoch um einen viel niedrigeren Preis als die beliebte echte Renke (Coregonus Wartmanni), so dass Perty (a. a. O.) unrecht hat, wenn er behauptet, dieser Fisch würde hier betrüglicherweise als Renke verkauft. Während der Brunstzeit bildet sich auf der Haut der männlichen Indivi- duen des A. Mento ein Ausschlag, wie er um dieselbe Zeit noch bei vielen anderen männlichen Cyprinoiden zum Vorschein kömmt. Derselbe besteht bei der Mai-Renke aus einzelnen zerstreuten kleinen Warzen von flach conischer Gestalt und weisslicher Farbe, welche den Scheitel, den Obertheil des Vor- derdeckels und den Hauptdeckel der Kiemen besetzt halten. Diese Warzen erstrecken sich auf dem Scheitel sehr weit nach vorn, sie finden sich nicht blos zwischen den Augen und den Nasenlöchern, sondern auch auf der Ober- lippe vor, ja sogar auf der Unterlippe machen sich einzelne solche Warzen bemerkbar. Ausserdem fassen einzelne noch kleinere Warzen den Rand der vor und hinter der Rückenflosse befindlichen Rückenschuppen ein, werden aber gegen den Schwanz hin immer kleiner und verschwinden zuletzt ganz. 1) Vergl. dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten des schwarzen Meers und durch die westliche Krim unternommene Reise, in dem Bulletin de la société imp. des Naturalistes de Moscou, Ann. 1859. pag. 531.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/175>, abgerufen am 20.04.2024.