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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Einleitung.
nungen und Polizei-Gesetze, welche sich auf Fischfang und Fischverkauf
bezogen, von grossem Werthe, indem in denselben vielfach die Fische der-
jenigen Gewässer, für welche jene Fischerei-Verordnungen bestimmt waren,
theils namhaft gemacht, theils sogar abgebildet wurden. Freilich war es auch
hierbei nicht immer leicht, aus den Volksnamen jedesmal die betreffenden
Fischarten herauszuerkennen, indem die Fische oft mit ganz veralteten und
längst vergessenen Namen in jenen Verordnungen bezeichnet sind, wobei die
Deutung der erwähnten Fische dadurch noch mehr erschwert wird, dass
manche Fischspecies je nach dem jüngeren und höheren Alter und je nach der
verschiedenen Jahreszeit, in welcher sie gefangen, ganz verschiedene Namen
führt. Uebrigens muss ich hier bemerken, dass bei allen dem auf die ver-
schiedenen Volksnamen der Fische ein sehr grosser Werth zu legen, indem
dergleichen Namen sehr oft über Alter, Lebensweise, Gewohnheiten, Aufent-
halt, Nahrung und Fortpflanzung der Fische dem Ichthyologen höchst will-
kommene Aufschlüsse geben können.

Eine andere Gelegenheit, durch die ich über die Verbreitung der Fische
in Deutschland mancherlei Erfahrungen sammelte, bot mir der fleissige Besuch
der in den verschiedenen Städten regelmässig stattfindenden Fischmärkte.
Leider fand ich aber oft wider Erwarten eine solche geringe Auswahl von
Fisch-Waaren, dass mir in vielen Gegenden des Landes die Armuth an diesen
Nahrungsmitteln nur zu klar entgegentrat, was einen um so peinlicheren Ein-
druck machte, als in manchen der von mir besuchten Städte die Existenz von
Fischerzünften, das Vorhandensein eines sogenannten Fischmarkt-Platzes und
Fischbrunnens darauf hinwies, dass in vergangenen Zeiten die Fische als
regelmässiges Nahrungsmittel der Städtebewohner eine Rolle spielten.

Eine grosse Erleichterung für meine ichthyologischen Untersuchungen
gewährte mir indessen die Stadt München, welche einen ausserordentlich
reich und mannichfaltig ausgestatteten Fischmarkt aufzuweisen hat, dessen
Fischreichthum schon Agassiz vor dreissig Jahren zu seinen ersten ichthyolo-
gischen Studien angereizt hat. Dem seit 1854 zu allen Jahreszeiten von mir
vielfach wiederholten Besuche des hiesigen Fischmarktes verdanke ich eine
Menge interessanter Aufschlüsse über Färbung, Laichzeit, Vorkommen und
Verbreitung der Fische. Freilich musste ich die Angaben der Fischverkäufer
über den Fundort der Fische oft mit Misstrauen aufnehmen, da sie theils als
blosse Zwischenhändler über meine Fragen nicht die gehörige Antwort geben
konnten, theils als Begünstiger von Fischdiebereien auch die richtige Aus-
kunft nicht ertheilen wollten.

Da durch die Eisenbahnen auch für den Fischhandel die Verkehrswege
erweitert und erleichtert sind, so muss sich der einen grösseren Fischmarkt
besuchende Ichthyologe mit besonderer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit aus-
rüsten, um sich nicht Verwechslungen und Missgriffe bei der Feststellung der

Einleitung.
nungen und Polizei-Gesetze, welche sich auf Fischfang und Fischverkauf
bezogen, von grossem Werthe, indem in denselben vielfach die Fische der-
jenigen Gewässer, für welche jene Fischerei-Verordnungen bestimmt waren,
theils namhaft gemacht, theils sogar abgebildet wurden. Freilich war es auch
hierbei nicht immer leicht, aus den Volksnamen jedesmal die betreffenden
Fischarten herauszuerkennen, indem die Fische oft mit ganz veralteten und
längst vergessenen Namen in jenen Verordnungen bezeichnet sind, wobei die
Deutung der erwähnten Fische dadurch noch mehr erschwert wird, dass
manche Fischspecies je nach dem jüngeren und höheren Alter und je nach der
verschiedenen Jahreszeit, in welcher sie gefangen, ganz verschiedene Namen
führt. Uebrigens muss ich hier bemerken, dass bei allen dem auf die ver-
schiedenen Volksnamen der Fische ein sehr grosser Werth zu legen, indem
dergleichen Namen sehr oft über Alter, Lebensweise, Gewohnheiten, Aufent-
halt, Nahrung und Fortpflanzung der Fische dem Ichthyologen höchst will-
kommene Aufschlüsse geben können.

Eine andere Gelegenheit, durch die ich über die Verbreitung der Fische
in Deutschland mancherlei Erfahrungen sammelte, bot mir der fleissige Besuch
der in den verschiedenen Städten regelmässig stattfindenden Fischmärkte.
Leider fand ich aber oft wider Erwarten eine solche geringe Auswahl von
Fisch-Waaren, dass mir in vielen Gegenden des Landes die Armuth an diesen
Nahrungsmitteln nur zu klar entgegentrat, was einen um so peinlicheren Ein-
druck machte, als in manchen der von mir besuchten Städte die Existenz von
Fischerzünften, das Vorhandensein eines sogenannten Fischmarkt-Platzes und
Fischbrunnens darauf hinwies, dass in vergangenen Zeiten die Fische als
regelmässiges Nahrungsmittel der Städtebewohner eine Rolle spielten.

Eine grosse Erleichterung für meine ichthyologischen Untersuchungen
gewährte mir indessen die Stadt München, welche einen ausserordentlich
reich und mannichfaltig ausgestatteten Fischmarkt aufzuweisen hat, dessen
Fischreichthum schon Agassiz vor dreissig Jahren zu seinen ersten ichthyolo-
gischen Studien angereizt hat. Dem seit 1854 zu allen Jahreszeiten von mir
vielfach wiederholten Besuche des hiesigen Fischmarktes verdanke ich eine
Menge interessanter Aufschlüsse über Färbung, Laichzeit, Vorkommen und
Verbreitung der Fische. Freilich musste ich die Angaben der Fischverkäufer
über den Fundort der Fische oft mit Misstrauen aufnehmen, da sie theils als
blosse Zwischenhändler über meine Fragen nicht die gehörige Antwort geben
konnten, theils als Begünstiger von Fischdiebereien auch die richtige Aus-
kunft nicht ertheilen wollten.

Da durch die Eisenbahnen auch für den Fischhandel die Verkehrswege
erweitert und erleichtert sind, so muss sich der einen grösseren Fischmarkt
besuchende Ichthyologe mit besonderer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit aus-
rüsten, um sich nicht Verwechslungen und Missgriffe bei der Feststellung der

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[4/0017] Einleitung. nungen und Polizei-Gesetze, welche sich auf Fischfang und Fischverkauf bezogen, von grossem Werthe, indem in denselben vielfach die Fische der- jenigen Gewässer, für welche jene Fischerei-Verordnungen bestimmt waren, theils namhaft gemacht, theils sogar abgebildet wurden. Freilich war es auch hierbei nicht immer leicht, aus den Volksnamen jedesmal die betreffenden Fischarten herauszuerkennen, indem die Fische oft mit ganz veralteten und längst vergessenen Namen in jenen Verordnungen bezeichnet sind, wobei die Deutung der erwähnten Fische dadurch noch mehr erschwert wird, dass manche Fischspecies je nach dem jüngeren und höheren Alter und je nach der verschiedenen Jahreszeit, in welcher sie gefangen, ganz verschiedene Namen führt. Uebrigens muss ich hier bemerken, dass bei allen dem auf die ver- schiedenen Volksnamen der Fische ein sehr grosser Werth zu legen, indem dergleichen Namen sehr oft über Alter, Lebensweise, Gewohnheiten, Aufent- halt, Nahrung und Fortpflanzung der Fische dem Ichthyologen höchst will- kommene Aufschlüsse geben können. Eine andere Gelegenheit, durch die ich über die Verbreitung der Fische in Deutschland mancherlei Erfahrungen sammelte, bot mir der fleissige Besuch der in den verschiedenen Städten regelmässig stattfindenden Fischmärkte. Leider fand ich aber oft wider Erwarten eine solche geringe Auswahl von Fisch-Waaren, dass mir in vielen Gegenden des Landes die Armuth an diesen Nahrungsmitteln nur zu klar entgegentrat, was einen um so peinlicheren Ein- druck machte, als in manchen der von mir besuchten Städte die Existenz von Fischerzünften, das Vorhandensein eines sogenannten Fischmarkt-Platzes und Fischbrunnens darauf hinwies, dass in vergangenen Zeiten die Fische als regelmässiges Nahrungsmittel der Städtebewohner eine Rolle spielten. Eine grosse Erleichterung für meine ichthyologischen Untersuchungen gewährte mir indessen die Stadt München, welche einen ausserordentlich reich und mannichfaltig ausgestatteten Fischmarkt aufzuweisen hat, dessen Fischreichthum schon Agassiz vor dreissig Jahren zu seinen ersten ichthyolo- gischen Studien angereizt hat. Dem seit 1854 zu allen Jahreszeiten von mir vielfach wiederholten Besuche des hiesigen Fischmarktes verdanke ich eine Menge interessanter Aufschlüsse über Färbung, Laichzeit, Vorkommen und Verbreitung der Fische. Freilich musste ich die Angaben der Fischverkäufer über den Fundort der Fische oft mit Misstrauen aufnehmen, da sie theils als blosse Zwischenhändler über meine Fragen nicht die gehörige Antwort geben konnten, theils als Begünstiger von Fischdiebereien auch die richtige Aus- kunft nicht ertheilen wollten. Da durch die Eisenbahnen auch für den Fischhandel die Verkehrswege erweitert und erleichtert sind, so muss sich der einen grösseren Fischmarkt besuchende Ichthyologe mit besonderer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit aus- rüsten, um sich nicht Verwechslungen und Missgriffe bei der Feststellung der

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/17>, abgerufen am 25.04.2024.