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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.
und Bauch glänzen silberweiss. Die graublau gefärbte und weit vorsprin-
gende Nase dieses Abramiden hat die Veranlassung gegeben, dass in Oberöst-
reich dieser Fisch "Blaunase" und in Niederbayern "Russnase" genannt wurde.
Ganz anders und kaum wieder zu erkennen erscheint derselbe Fisch im Hoch-
zeitskleide, welches Ende Mai und Anfang Juni mit dem Eintritt der Laich-
zeit allmählich zum Vorschein kömmt. Der ganze Oberleib, Schnauze, Kopf,
Rücken, Seiten bis weit unterhalb der beiden Seitenlinien ist mit tiefschwar-
zem Pigment bedeckt, wobei die schwarzgefärbten, mit Schuppen bedeckten
Seiten des Leibes einen eigenthümlichen Seidenglanz von sich geben. Gegen
diese schwarze Färbung, welche sich an den Bauchseiten bis fast zu den
Bauchflossen und zu der Afterflosse herabzieht, sticht eine intensiv orangen-
rothe Färbung prächtig ab, mit welcher die beiden Lippen, die Kehle, die
Brust, sowie die Bauchkante und ein schmaler Streif unterhalb des Schwan-
zes geschmückt sind. Auch die paarigen Flossen und die Basis der Afterflosse
zeigen sich schön orangenroth gefärbt, während Rücken- und Schwanzflosse
so wie der Oberrand der Brustflossen und der Unterrand der Afterflosse breit
geschwärzt sind. Diese Farbenveränderung der Russnasen hält gleichen
Schritt mit der Entwicklung ihrer Fortpflanzungswerkzeuge und ist nicht
etwa abhängig von dem mit der Brunstzeit eintretenden Wechsel ihres Auf-
enthaltsortes1).

Ausser diesem schönen Farbenkleide, welches während der Laichzeit
beide Geschlechter tragen, lässt sich bei genauerer Untersuchung an den
männlichen Individuen als Zeichen ihres brünstigen Zustandes noch ein Haut-
ausschlag erkennen, der den oben erwähnten warzenförmigen Hautauswüch-
sen der Steinbrachsen entspricht. Dieser Ausschlag besteht aus vielen winzig
kleinen weisslichen körnchenartigen Erhöhungen, welche den Scheitel, den
oberen Theil des Kiemendeckel-Apparats, die Ränder der Schuppen und die
Strahlen auf der inneren Fläche der paarigen Flossen besetzt halten. Einzelne
Körnchen lassen sich auch hier und da auf dem Spiegel der Rückenschuppen
erkennen.

Das Vorkommen dieses Fisches, welcher in Norddeutschland unter dem
Namen "Zärthe" ein sehr bekannter und verbreiteter Fisch ist, scheint sich in
Süddeutschland nur auf die Donau und auf die derselben von Norden her
zufliessenden Ströme zu beschränken; ich fand den A. Vimba am achten Juni
1855 auf dem Fischmarkte zu Regensburg aus dem Regen und aus der Naab
unter dem Namen "Nase" in grosser Anzahl zum Verkauf ausgeboten; da ge-

1) Ich habe obige Bemerkung machen zu müssen geglaubt, da Heckel und Kner (a. a. O.
pag. 111) von diesen Fischen behaupten. "Die auf Schottergrund (Kiesgrund) laichenden
nehmen eine dunkle, oft schwarze Färbung an, die sich aber nach der Laiche wieder
verliert".

Familie: Cyprinoidei.
und Bauch glänzen silberweiss. Die graublau gefärbte und weit vorsprin-
gende Nase dieses Abramiden hat die Veranlassung gegeben, dass in Oberöst-
reich dieser Fisch »Blaunase« und in Niederbayern »Russnase« genannt wurde.
Ganz anders und kaum wieder zu erkennen erscheint derselbe Fisch im Hoch-
zeitskleide, welches Ende Mai und Anfang Juni mit dem Eintritt der Laich-
zeit allmählich zum Vorschein kömmt. Der ganze Oberleib, Schnauze, Kopf,
Rücken, Seiten bis weit unterhalb der beiden Seitenlinien ist mit tiefschwar-
zem Pigment bedeckt, wobei die schwarzgefärbten, mit Schuppen bedeckten
Seiten des Leibes einen eigenthümlichen Seidenglanz von sich geben. Gegen
diese schwarze Färbung, welche sich an den Bauchseiten bis fast zu den
Bauchflossen und zu der Afterflosse herabzieht, sticht eine intensiv orangen-
rothe Färbung prächtig ab, mit welcher die beiden Lippen, die Kehle, die
Brust, sowie die Bauchkante und ein schmaler Streif unterhalb des Schwan-
zes geschmückt sind. Auch die paarigen Flossen und die Basis der Afterflosse
zeigen sich schön orangenroth gefärbt, während Rücken- und Schwanzflosse
so wie der Oberrand der Brustflossen und der Unterrand der Afterflosse breit
geschwärzt sind. Diese Farbenveränderung der Russnasen hält gleichen
Schritt mit der Entwicklung ihrer Fortpflanzungswerkzeuge und ist nicht
etwa abhängig von dem mit der Brunstzeit eintretenden Wechsel ihres Auf-
enthaltsortes1).

Ausser diesem schönen Farbenkleide, welches während der Laichzeit
beide Geschlechter tragen, lässt sich bei genauerer Untersuchung an den
männlichen Individuen als Zeichen ihres brünstigen Zustandes noch ein Haut-
ausschlag erkennen, der den oben erwähnten warzenförmigen Hautauswüch-
sen der Steinbrachsen entspricht. Dieser Ausschlag besteht aus vielen winzig
kleinen weisslichen körnchenartigen Erhöhungen, welche den Scheitel, den
oberen Theil des Kiemendeckel-Apparats, die Ränder der Schuppen und die
Strahlen auf der inneren Fläche der paarigen Flossen besetzt halten. Einzelne
Körnchen lassen sich auch hier und da auf dem Spiegel der Rückenschuppen
erkennen.

Das Vorkommen dieses Fisches, welcher in Norddeutschland unter dem
Namen »Zärthe« ein sehr bekannter und verbreiteter Fisch ist, scheint sich in
Süddeutschland nur auf die Donau und auf die derselben von Norden her
zufliessenden Ströme zu beschränken; ich fand den A. Vimba am achten Juni
1855 auf dem Fischmarkte zu Regensburg aus dem Regen und aus der Naab
unter dem Namen »Nase« in grosser Anzahl zum Verkauf ausgeboten; da ge-

1) Ich habe obige Bemerkung machen zu müssen geglaubt, da Heckel und Kner (a. a. O.
pag. 111) von diesen Fischen behaupten. »Die auf Schottergrund (Kiesgrund) laichenden
nehmen eine dunkle, oft schwarze Färbung an, die sich aber nach der Laiche wieder
verliert«.
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[126/0139] Familie: Cyprinoidei. und Bauch glänzen silberweiss. Die graublau gefärbte und weit vorsprin- gende Nase dieses Abramiden hat die Veranlassung gegeben, dass in Oberöst- reich dieser Fisch »Blaunase« und in Niederbayern »Russnase« genannt wurde. Ganz anders und kaum wieder zu erkennen erscheint derselbe Fisch im Hoch- zeitskleide, welches Ende Mai und Anfang Juni mit dem Eintritt der Laich- zeit allmählich zum Vorschein kömmt. Der ganze Oberleib, Schnauze, Kopf, Rücken, Seiten bis weit unterhalb der beiden Seitenlinien ist mit tiefschwar- zem Pigment bedeckt, wobei die schwarzgefärbten, mit Schuppen bedeckten Seiten des Leibes einen eigenthümlichen Seidenglanz von sich geben. Gegen diese schwarze Färbung, welche sich an den Bauchseiten bis fast zu den Bauchflossen und zu der Afterflosse herabzieht, sticht eine intensiv orangen- rothe Färbung prächtig ab, mit welcher die beiden Lippen, die Kehle, die Brust, sowie die Bauchkante und ein schmaler Streif unterhalb des Schwan- zes geschmückt sind. Auch die paarigen Flossen und die Basis der Afterflosse zeigen sich schön orangenroth gefärbt, während Rücken- und Schwanzflosse so wie der Oberrand der Brustflossen und der Unterrand der Afterflosse breit geschwärzt sind. Diese Farbenveränderung der Russnasen hält gleichen Schritt mit der Entwicklung ihrer Fortpflanzungswerkzeuge und ist nicht etwa abhängig von dem mit der Brunstzeit eintretenden Wechsel ihres Auf- enthaltsortes 1). Ausser diesem schönen Farbenkleide, welches während der Laichzeit beide Geschlechter tragen, lässt sich bei genauerer Untersuchung an den männlichen Individuen als Zeichen ihres brünstigen Zustandes noch ein Haut- ausschlag erkennen, der den oben erwähnten warzenförmigen Hautauswüch- sen der Steinbrachsen entspricht. Dieser Ausschlag besteht aus vielen winzig kleinen weisslichen körnchenartigen Erhöhungen, welche den Scheitel, den oberen Theil des Kiemendeckel-Apparats, die Ränder der Schuppen und die Strahlen auf der inneren Fläche der paarigen Flossen besetzt halten. Einzelne Körnchen lassen sich auch hier und da auf dem Spiegel der Rückenschuppen erkennen. Das Vorkommen dieses Fisches, welcher in Norddeutschland unter dem Namen »Zärthe« ein sehr bekannter und verbreiteter Fisch ist, scheint sich in Süddeutschland nur auf die Donau und auf die derselben von Norden her zufliessenden Ströme zu beschränken; ich fand den A. Vimba am achten Juni 1855 auf dem Fischmarkte zu Regensburg aus dem Regen und aus der Naab unter dem Namen »Nase« in grosser Anzahl zum Verkauf ausgeboten; da ge- 1) Ich habe obige Bemerkung machen zu müssen geglaubt, da Heckel und Kner (a. a. O. pag. 111) von diesen Fischen behaupten. »Die auf Schottergrund (Kiesgrund) laichenden nehmen eine dunkle, oft schwarze Färbung an, die sich aber nach der Laiche wieder verliert«.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/139>, abgerufen am 23.04.2024.