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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Carassius.
von hier und Herrn Forstmeister Drexel von Regensburg zu verdanken hatte.
Sie waren zum Theil in einem kleinen Weiher bei Grünwald (in der Nähe von
München), zum Theil in Lehmpfützen, bei Regensburg gefangen worden. Ich
konnte diese kleinen Fische, welche in ihrem Aussehen mit bald mehr, bald
weniger steil aufsteigenden Unterkiefern (Fig. 5), an einfach schwärzlich ge-
färbte Goldfische erinnerten, lange nicht bestimmen, später erkannte ich in
ihnen jenen Fisch, welchen Koch als Cypr. amarus, Kothscheberl be-
schrieben hatte1), und vor kurzem überzeugte ich mich, bei Musterung der
Wiener ichthyologischen Staatssammlung, dass dieser Cypr. amarus des Koch
mit Carassius oblongus des Heckel und Kner (a. a. O.) identisch ist; ebenso habe
ich aber auch durch die Vergleichung dieses C. oblongus mit den übrigen ge-
streckten Carassius-Varietäten die Ueberzeugung gewonnen, dass Heckel's C.
oblongus
auch nur eine degenerirte Abart des C. vulgaris darstellt, die bei ihrer
Entstehung denjenigen umändernden Einflüssen ausgesetzt gewesen sein muss,
durch welche nach Ekström's Beobachtungen der Kopf im Verhältniss zu dem
sich streckenden Körper vergrössert wird und die Kiemendeckel eine convexe
Oberfläche erhalten. In noch auffallenderem Grade abgeändert zeigt sich eine
andere gestreckte Form der Teichkarausche, von welcher ich mehrere 2 bis
3 Zoll lange Exemplare durch Herrn Director Krauss aus Stuttgart erhalten
habe. Bei diesen Karauschen, welche sich in den Tümpeln eines verlassenen
Steinbruchs entwickelt hatten, ist der Kopf im Vergleich zu dem gestreckten
und sehr mageren Leibe so stark vergrössert, dass ich diese Fischen für den
von Heckel (Nr. 11 b. a. a. O.) beschriebenen Cypr. humilis aus Palermo hal-
ten musste.

Bei meinem letzten Aufenthalte in Ostpreussen habe ich zu Braunsberg
und Königsberg Gelegenheit gehabt, sogenannte Goldkarauschen von 2 bis
5 Zoll Länge, welche sich in sehr kleinen, stehenden Gewässern angesammelt
hatten, näher zu untersuchen. Dieselben hatten durchweg eine fast goldgelbe
Färbung, zeigten aber die verschiedenartigsten Profile, einige waren gut ge-
nährt, andere dagegen sehr abgemagert mit grossen rauhen und eckigen
Köpfen, so dass sich unter ihnen ausser der gewöhnlichen niedrigen Varietät
C. Gibelio auch die mehr degenerirten Formen C. oblongus und humilis heraus-
finden liessen. Einige dieser Kümmerer besassen ein abgerundetes Kinn2),
andere dagegen ein eckiges Kinn (Fig. 5).


1) Vergl. dessen Anmerkung in der Fauna ratisbonensis, pag. 39, wo es heisst: Die
Beschreibung in Cuvier's Uebersetzung (pag. 364 C. amarus) passt auf das hiesige Fisch-
chen nicht recht. Dieses hat 20 Strahlen in der Rücken-, 9 in der Afterflosse und einen
schwarzen Fleck vor der Schwanzflosse. Die innere Bauchhaut ist russartig schwarz. Er
wird kaum fingerslang.
2) Diese stimmten vollständig mit einer Abbildung überein, mit welcher Dybowski
(a. a. O. Taf. III) ein männliches Individuum von Carassius oblongus hat darstellen wollen.

Gattung: Carassius.
von hier und Herrn Forstmeister Drexel von Regensburg zu verdanken hatte.
Sie waren zum Theil in einem kleinen Weiher bei Grünwald (in der Nähe von
München), zum Theil in Lehmpfützen, bei Regensburg gefangen worden. Ich
konnte diese kleinen Fische, welche in ihrem Aussehen mit bald mehr, bald
weniger steil aufsteigenden Unterkiefern (Fig. 5), an einfach schwärzlich ge-
färbte Goldfische erinnerten, lange nicht bestimmen, später erkannte ich in
ihnen jenen Fisch, welchen Koch als Cypr. amarus, Kothscheberl be-
schrieben hatte1), und vor kurzem überzeugte ich mich, bei Musterung der
Wiener ichthyologischen Staatssammlung, dass dieser Cypr. amarus des Koch
mit Carassius oblongus des Heckel und Kner (a. a. O.) identisch ist; ebenso habe
ich aber auch durch die Vergleichung dieses C. oblongus mit den übrigen ge-
streckten Carassius-Varietäten die Ueberzeugung gewonnen, dass Heckel’s C.
oblongus
auch nur eine degenerirte Abart des C. vulgaris darstellt, die bei ihrer
Entstehung denjenigen umändernden Einflüssen ausgesetzt gewesen sein muss,
durch welche nach Ekström’s Beobachtungen der Kopf im Verhältniss zu dem
sich streckenden Körper vergrössert wird und die Kiemendeckel eine convexe
Oberfläche erhalten. In noch auffallenderem Grade abgeändert zeigt sich eine
andere gestreckte Form der Teichkarausche, von welcher ich mehrere 2 bis
3 Zoll lange Exemplare durch Herrn Director Krauss aus Stuttgart erhalten
habe. Bei diesen Karauschen, welche sich in den Tümpeln eines verlassenen
Steinbruchs entwickelt hatten, ist der Kopf im Vergleich zu dem gestreckten
und sehr mageren Leibe so stark vergrössert, dass ich diese Fischen für den
von Heckel (Nr. 11 b. a. a. O.) beschriebenen Cypr. humilis aus Palermo hal-
ten musste.

Bei meinem letzten Aufenthalte in Ostpreussen habe ich zu Braunsberg
und Königsberg Gelegenheit gehabt, sogenannte Goldkarauschen von 2 bis
5 Zoll Länge, welche sich in sehr kleinen, stehenden Gewässern angesammelt
hatten, näher zu untersuchen. Dieselben hatten durchweg eine fast goldgelbe
Färbung, zeigten aber die verschiedenartigsten Profile, einige waren gut ge-
nährt, andere dagegen sehr abgemagert mit grossen rauhen und eckigen
Köpfen, so dass sich unter ihnen ausser der gewöhnlichen niedrigen Varietät
C. Gibelio auch die mehr degenerirten Formen C. oblongus und humilis heraus-
finden liessen. Einige dieser Kümmerer besassen ein abgerundetes Kinn2),
andere dagegen ein eckiges Kinn (Fig. 5).


1) Vergl. dessen Anmerkung in der Fauna ratisbonensis, pag. 39, wo es heisst: Die
Beschreibung in Cuvier’s Uebersetzung (pag. 364 C. amarus) passt auf das hiesige Fisch-
chen nicht recht. Dieses hat 20 Strahlen in der Rücken-, 9 in der Afterflosse und einen
schwarzen Fleck vor der Schwanzflosse. Die innere Bauchhaut ist russartig schwarz. Er
wird kaum fingerslang.
2) Diese stimmten vollständig mit einer Abbildung überein, mit welcher Dybowski
(a. a. O. Taf. III) ein männliches Individuum von Carassius oblongus hat darstellen wollen.
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[105/0118] Gattung: Carassius. von hier und Herrn Forstmeister Drexel von Regensburg zu verdanken hatte. Sie waren zum Theil in einem kleinen Weiher bei Grünwald (in der Nähe von München), zum Theil in Lehmpfützen, bei Regensburg gefangen worden. Ich konnte diese kleinen Fische, welche in ihrem Aussehen mit bald mehr, bald weniger steil aufsteigenden Unterkiefern (Fig. 5), an einfach schwärzlich ge- färbte Goldfische erinnerten, lange nicht bestimmen, später erkannte ich in ihnen jenen Fisch, welchen Koch als Cypr. amarus, Kothscheberl be- schrieben hatte 1), und vor kurzem überzeugte ich mich, bei Musterung der Wiener ichthyologischen Staatssammlung, dass dieser Cypr. amarus des Koch mit Carassius oblongus des Heckel und Kner (a. a. O.) identisch ist; ebenso habe ich aber auch durch die Vergleichung dieses C. oblongus mit den übrigen ge- streckten Carassius-Varietäten die Ueberzeugung gewonnen, dass Heckel’s C. oblongus auch nur eine degenerirte Abart des C. vulgaris darstellt, die bei ihrer Entstehung denjenigen umändernden Einflüssen ausgesetzt gewesen sein muss, durch welche nach Ekström’s Beobachtungen der Kopf im Verhältniss zu dem sich streckenden Körper vergrössert wird und die Kiemendeckel eine convexe Oberfläche erhalten. In noch auffallenderem Grade abgeändert zeigt sich eine andere gestreckte Form der Teichkarausche, von welcher ich mehrere 2 bis 3 Zoll lange Exemplare durch Herrn Director Krauss aus Stuttgart erhalten habe. Bei diesen Karauschen, welche sich in den Tümpeln eines verlassenen Steinbruchs entwickelt hatten, ist der Kopf im Vergleich zu dem gestreckten und sehr mageren Leibe so stark vergrössert, dass ich diese Fischen für den von Heckel (Nr. 11 b. a. a. O.) beschriebenen Cypr. humilis aus Palermo hal- ten musste. Bei meinem letzten Aufenthalte in Ostpreussen habe ich zu Braunsberg und Königsberg Gelegenheit gehabt, sogenannte Goldkarauschen von 2 bis 5 Zoll Länge, welche sich in sehr kleinen, stehenden Gewässern angesammelt hatten, näher zu untersuchen. Dieselben hatten durchweg eine fast goldgelbe Färbung, zeigten aber die verschiedenartigsten Profile, einige waren gut ge- nährt, andere dagegen sehr abgemagert mit grossen rauhen und eckigen Köpfen, so dass sich unter ihnen ausser der gewöhnlichen niedrigen Varietät C. Gibelio auch die mehr degenerirten Formen C. oblongus und humilis heraus- finden liessen. Einige dieser Kümmerer besassen ein abgerundetes Kinn 2), andere dagegen ein eckiges Kinn (Fig. 5). 1) Vergl. dessen Anmerkung in der Fauna ratisbonensis, pag. 39, wo es heisst: Die Beschreibung in Cuvier’s Uebersetzung (pag. 364 C. amarus) passt auf das hiesige Fisch- chen nicht recht. Dieses hat 20 Strahlen in der Rücken-, 9 in der Afterflosse und einen schwarzen Fleck vor der Schwanzflosse. Die innere Bauchhaut ist russartig schwarz. Er wird kaum fingerslang. 2) Diese stimmten vollständig mit einer Abbildung überein, mit welcher Dybowski (a. a. O. Taf. III) ein männliches Individuum von Carassius oblongus hat darstellen wollen.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/118>, abgerufen am 29.03.2024.