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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Carpio.
weder eine Beschreibung noch eine Abbildung gewidmet, so dass es zweifel-
haft bleiben könnte, welche Cyprinoiden-Form man damals mit dem Namen
"Karpfkarausche" hat bezeichnen wollen. Zwar giebt Marsigli1) unter dem
Namen "Sittigkarpfen" die Abbildung einer Karpfkarausche, aus der sich aber
der C. Kollarii nicht mit Bestimmtheit erkennen lässt, da an derselben die
charakteristischen zarten Bartfäden fehlen. Eine ganz sichere Nachricht über
die Karpfkarausche haben wir dagegen Börner2) zu verdanken, welcher in
seinem Prodromus eine sehr genaue und ausführliche Beschreibung von dem
aus dem Karpfen und der Karausche hervorgegangenen und in Schlesien all-
gemein gekannten Karschkarpfen geliefert hat, in welcher der mit vier zar-
ten Bartfäden versehene C. Kollarii nicht zu verkennen ist. Börner fügt seiner
Beschreibung noch manche interessante, von Fischern über diesen Bastard
gemachte Erfahrungen hinzu, von denen ich als besonders bemerkenswerth
hervorhebe, dass die alten Fischer in Schlesien einstimmig erzählen, die
Karschkarpfen entstehen aus der Vermischung der Karausche und des Kar-
pfen, wenn aus Unvorsichtigkeit in die für Karpfen bestimmten Streichteiche
Karauschen zugelassen worden sind. Das Wachsthum des Karschkarpfen ist
langsamer als das Wachsthum des reinen Karpfen. Man hütet sich, junge
Karpfen als Setzlinge aus Teichen zu kaufen, welche im Verdachte stehen,
Karschkarpfen zu enthalten.

Dass der Carpio Kollarii wirklich ein Gemisch von Cyprinus Carpio und
Carassius vulgaris darstellt, ergiebt sich aus dem Verhalten seiner Körperform
und Beschuppung, seiner Flossenumrisse, und hauptsächlich seiner Schlund-
zähne. Das Profil der verschiedenen von mir verglichenen Karpfkarauschen
erinnert bald mehr an einen Karpfen bald mehr an eine nicht hochrückige
Karausche, sehr häufig hat der Kopf und das stumpf abgerundete Maul die-
ses Cyprinoiden so viel Aehnlichkeit mit der Varietät Carassius Gibelio, dass man
solche Individuen, wenn sie keine Bartfäden besässen, ihrem übrigen äusse-
ren Ansehen nach für giebelförmige Karauschen erklären möchte. Die Be-
zahnung des Stachels vor den weichen Flossenstrahlen der Rücken- und After-
flosse zeigt sich höchst wandelbar, indem bei einigen Individuen die Zähne
dieser Stacheln eben so grob und stark sind wie bei dem Karpfen, während
bei anderen Individuen diese Stacheln eine ebenso feine Zähnelung besitzen,
wie sie bei der Karausche vorkömmt. In Bezug auf die Form der Schwanz-
flosse steht die Karpfkarausche gleichfalls in der Mitte zwischen Karpf und
Karausche, da ihre Schwanzflosse meistens nur mässig ausgeschnitten ist,

1) Marsigli Nr. 28: pag. 61. Tab. 21. Von diesem Sittigkarpfen sagt Marsigli, dass er
nie die Schwere von drei Pfund erreiche.
2) Vergl. Börner Nr. 85: Zoologiae Silesiacae Prodromus. pag. 205. n. 292. Charax
crassior, longior.

Gattung: Carpio.
weder eine Beschreibung noch eine Abbildung gewidmet, so dass es zweifel-
haft bleiben könnte, welche Cyprinoiden-Form man damals mit dem Namen
»Karpfkarausche« hat bezeichnen wollen. Zwar giebt Marsigli1) unter dem
Namen »Sittigkarpfen« die Abbildung einer Karpfkarausche, aus der sich aber
der C. Kollarii nicht mit Bestimmtheit erkennen lässt, da an derselben die
charakteristischen zarten Bartfäden fehlen. Eine ganz sichere Nachricht über
die Karpfkarausche haben wir dagegen Börner2) zu verdanken, welcher in
seinem Prodromus eine sehr genaue und ausführliche Beschreibung von dem
aus dem Karpfen und der Karausche hervorgegangenen und in Schlesien all-
gemein gekannten Karschkarpfen geliefert hat, in welcher der mit vier zar-
ten Bartfäden versehene C. Kollarii nicht zu verkennen ist. Börner fügt seiner
Beschreibung noch manche interessante, von Fischern über diesen Bastard
gemachte Erfahrungen hinzu, von denen ich als besonders bemerkenswerth
hervorhebe, dass die alten Fischer in Schlesien einstimmig erzählen, die
Karschkarpfen entstehen aus der Vermischung der Karausche und des Kar-
pfen, wenn aus Unvorsichtigkeit in die für Karpfen bestimmten Streichteiche
Karauschen zugelassen worden sind. Das Wachsthum des Karschkarpfen ist
langsamer als das Wachsthum des reinen Karpfen. Man hütet sich, junge
Karpfen als Setzlinge aus Teichen zu kaufen, welche im Verdachte stehen,
Karschkarpfen zu enthalten.

Dass der Carpio Kollarii wirklich ein Gemisch von Cyprinus Carpio und
Carassius vulgaris darstellt, ergiebt sich aus dem Verhalten seiner Körperform
und Beschuppung, seiner Flossenumrisse, und hauptsächlich seiner Schlund-
zähne. Das Profil der verschiedenen von mir verglichenen Karpfkarauschen
erinnert bald mehr an einen Karpfen bald mehr an eine nicht hochrückige
Karausche, sehr häufig hat der Kopf und das stumpf abgerundete Maul die-
ses Cyprinoiden so viel Aehnlichkeit mit der Varietät Carassius Gibelio, dass man
solche Individuen, wenn sie keine Bartfäden besässen, ihrem übrigen äusse-
ren Ansehen nach für giebelförmige Karauschen erklären möchte. Die Be-
zahnung des Stachels vor den weichen Flossenstrahlen der Rücken- und After-
flosse zeigt sich höchst wandelbar, indem bei einigen Individuen die Zähne
dieser Stacheln eben so grob und stark sind wie bei dem Karpfen, während
bei anderen Individuen diese Stacheln eine ebenso feine Zähnelung besitzen,
wie sie bei der Karausche vorkömmt. In Bezug auf die Form der Schwanz-
flosse steht die Karpfkarausche gleichfalls in der Mitte zwischen Karpf und
Karausche, da ihre Schwanzflosse meistens nur mässig ausgeschnitten ist,

1) Marsigli Nr. 28: pag. 61. Tab. 21. Von diesem Sittigkarpfen sagt Marsigli, dass er
nie die Schwere von drei Pfund erreiche.
2) Vergl. Börner Nr. 85: Zoologiae Silesiacae Prodromus. pag. 205. n. 292. Charax
crassior, longior.
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[95/0108] Gattung: Carpio. weder eine Beschreibung noch eine Abbildung gewidmet, so dass es zweifel- haft bleiben könnte, welche Cyprinoiden-Form man damals mit dem Namen »Karpfkarausche« hat bezeichnen wollen. Zwar giebt Marsigli 1) unter dem Namen »Sittigkarpfen« die Abbildung einer Karpfkarausche, aus der sich aber der C. Kollarii nicht mit Bestimmtheit erkennen lässt, da an derselben die charakteristischen zarten Bartfäden fehlen. Eine ganz sichere Nachricht über die Karpfkarausche haben wir dagegen Börner 2) zu verdanken, welcher in seinem Prodromus eine sehr genaue und ausführliche Beschreibung von dem aus dem Karpfen und der Karausche hervorgegangenen und in Schlesien all- gemein gekannten Karschkarpfen geliefert hat, in welcher der mit vier zar- ten Bartfäden versehene C. Kollarii nicht zu verkennen ist. Börner fügt seiner Beschreibung noch manche interessante, von Fischern über diesen Bastard gemachte Erfahrungen hinzu, von denen ich als besonders bemerkenswerth hervorhebe, dass die alten Fischer in Schlesien einstimmig erzählen, die Karschkarpfen entstehen aus der Vermischung der Karausche und des Kar- pfen, wenn aus Unvorsichtigkeit in die für Karpfen bestimmten Streichteiche Karauschen zugelassen worden sind. Das Wachsthum des Karschkarpfen ist langsamer als das Wachsthum des reinen Karpfen. Man hütet sich, junge Karpfen als Setzlinge aus Teichen zu kaufen, welche im Verdachte stehen, Karschkarpfen zu enthalten. Dass der Carpio Kollarii wirklich ein Gemisch von Cyprinus Carpio und Carassius vulgaris darstellt, ergiebt sich aus dem Verhalten seiner Körperform und Beschuppung, seiner Flossenumrisse, und hauptsächlich seiner Schlund- zähne. Das Profil der verschiedenen von mir verglichenen Karpfkarauschen erinnert bald mehr an einen Karpfen bald mehr an eine nicht hochrückige Karausche, sehr häufig hat der Kopf und das stumpf abgerundete Maul die- ses Cyprinoiden so viel Aehnlichkeit mit der Varietät Carassius Gibelio, dass man solche Individuen, wenn sie keine Bartfäden besässen, ihrem übrigen äusse- ren Ansehen nach für giebelförmige Karauschen erklären möchte. Die Be- zahnung des Stachels vor den weichen Flossenstrahlen der Rücken- und After- flosse zeigt sich höchst wandelbar, indem bei einigen Individuen die Zähne dieser Stacheln eben so grob und stark sind wie bei dem Karpfen, während bei anderen Individuen diese Stacheln eine ebenso feine Zähnelung besitzen, wie sie bei der Karausche vorkömmt. In Bezug auf die Form der Schwanz- flosse steht die Karpfkarausche gleichfalls in der Mitte zwischen Karpf und Karausche, da ihre Schwanzflosse meistens nur mässig ausgeschnitten ist, 1) Marsigli Nr. 28: pag. 61. Tab. 21. Von diesem Sittigkarpfen sagt Marsigli, dass er nie die Schwere von drei Pfund erreiche. 2) Vergl. Börner Nr. 85: Zoologiae Silesiacae Prodromus. pag. 205. n. 292. Charax crassior, longior.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/108>, abgerufen am 25.04.2024.