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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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mit dem dichtesten Schwarzwalde bewachsen. Hier
zündeten wir in dem Gewölbe halb am Tage die Fa¬
ckel an und gingen in die Höhle hinein, ungefähr
eine Viertelstunde über verschiedene Felsenfälle, sehr
abschüssig immer bergab. Beym Hinabsteigen hörte
ich links in einer ungeheuern Tiefe einen Strom rau¬
schen, welches vermuthlich das Wasser ist, das bey
der Stadt in den Felsen fällt und bey Planina wieder
heraus dringt. Wir stiegen nicht ohne Gefahr noch
einige hundert Schritte weiter über ungeheuere einge¬
stürzte Felsenstücke immer bergab, und mein Führer
sagte mir, weiter würde er nicht gehen, er wisse nun
keinen Weg mehr und die Fackel würde sonst nicht
den Rückweg dauern. Er mochte wohl nicht der be¬
ste Wegweiser seyn. Aber die Fackel brannte wirklich
in der grossen Tiefe und vermuthlich in der Nähe
von Dünsten nur mit Mühe; wir stiegen also wieder
heraus und förderten uns bald zu Tage. Nun fand
mein Begleiter den Weg rückwärts nach der Stadt sehr
leicht. Unterwegs erzählte er mir von allen den vor¬
nehmen und grossen Personagen, die die Höhlen ge¬
sehen hätten. Diese entferntere sähen nur wenige;
und unter diesen Wenigen nannte er vorzüglich den
Prinzen Konstantin von Russland. Mein Führer hatte
den kürzesten Weg nehmen wollen und hatte mich
unbemerkt auf die hohen Felsen über der Höhle am
Schlosse gebracht, wo wir wie die Gemsen hingen
und mit Gefahr hinunter klettern mussten, wenn wir
nicht einen Umweg von einer halben Stunde machen
wollten. Einige Untenstehende riefen uns und zeigten
uns die Pfade, auf denen es möglich war hinunter zu

mit dem dichtesten Schwarzwalde bewachsen. Hier
zündeten wir in dem Gewölbe halb am Tage die Fa¬
ckel an und gingen in die Höhle hinein, ungefähr
eine Viertelstunde über verschiedene Felsenfälle, sehr
abschüssig immer bergab. Beym Hinabsteigen hörte
ich links in einer ungeheuern Tiefe einen Strom rau¬
schen, welches vermuthlich das Wasser ist, das bey
der Stadt in den Felsen fällt und bey Planina wieder
heraus dringt. Wir stiegen nicht ohne Gefahr noch
einige hundert Schritte weiter über ungeheuere einge¬
stürzte Felsenstücke immer bergab, und mein Führer
sagte mir, weiter würde er nicht gehen, er wisse nun
keinen Weg mehr und die Fackel würde sonst nicht
den Rückweg dauern. Er mochte wohl nicht der be¬
ste Wegweiser seyn. Aber die Fackel brannte wirklich
in der groſsen Tiefe und vermuthlich in der Nähe
von Dünsten nur mit Mühe; wir stiegen also wieder
heraus und förderten uns bald zu Tage. Nun fand
mein Begleiter den Weg rückwärts nach der Stadt sehr
leicht. Unterwegs erzählte er mir von allen den vor¬
nehmen und groſsen Personagen, die die Höhlen ge¬
sehen hätten. Diese entferntere sähen nur wenige;
und unter diesen Wenigen nannte er vorzüglich den
Prinzen Konstantin von Ruſsland. Mein Führer hatte
den kürzesten Weg nehmen wollen und hatte mich
unbemerkt auf die hohen Felsen über der Höhle am
Schlosse gebracht, wo wir wie die Gemsen hingen
und mit Gefahr hinunter klettern muſsten, wenn wir
nicht einen Umweg von einer halben Stunde machen
wollten. Einige Untenstehende riefen uns und zeigten
uns die Pfade, auf denen es möglich war hinunter zu

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[73/0099] mit dem dichtesten Schwarzwalde bewachsen. Hier zündeten wir in dem Gewölbe halb am Tage die Fa¬ ckel an und gingen in die Höhle hinein, ungefähr eine Viertelstunde über verschiedene Felsenfälle, sehr abschüssig immer bergab. Beym Hinabsteigen hörte ich links in einer ungeheuern Tiefe einen Strom rau¬ schen, welches vermuthlich das Wasser ist, das bey der Stadt in den Felsen fällt und bey Planina wieder heraus dringt. Wir stiegen nicht ohne Gefahr noch einige hundert Schritte weiter über ungeheuere einge¬ stürzte Felsenstücke immer bergab, und mein Führer sagte mir, weiter würde er nicht gehen, er wisse nun keinen Weg mehr und die Fackel würde sonst nicht den Rückweg dauern. Er mochte wohl nicht der be¬ ste Wegweiser seyn. Aber die Fackel brannte wirklich in der groſsen Tiefe und vermuthlich in der Nähe von Dünsten nur mit Mühe; wir stiegen also wieder heraus und förderten uns bald zu Tage. Nun fand mein Begleiter den Weg rückwärts nach der Stadt sehr leicht. Unterwegs erzählte er mir von allen den vor¬ nehmen und groſsen Personagen, die die Höhlen ge¬ sehen hätten. Diese entferntere sähen nur wenige; und unter diesen Wenigen nannte er vorzüglich den Prinzen Konstantin von Ruſsland. Mein Führer hatte den kürzesten Weg nehmen wollen und hatte mich unbemerkt auf die hohen Felsen über der Höhle am Schlosse gebracht, wo wir wie die Gemsen hingen und mit Gefahr hinunter klettern muſsten, wenn wir nicht einen Umweg von einer halben Stunde machen wollten. Einige Untenstehende riefen uns und zeigten uns die Pfade, auf denen es möglich war hinunter zu

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/99>, abgerufen am 29.03.2024.