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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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sind. Diese wünschen sich ihn vielleicht sehr gern
zum General, aber nicht zum Souverain, wie es das
Ansehen gewinnt. Il fait diablement des choses, ce
petit caporal d' Italie; cela va loin!
sagte man; und
ein Wortspieler, der ein katonischer Republikaner war,
bezeichnete ihn mürrisch mit folgendem Ausdruck:
Bonaparte qui gloriam bene partam male perdit. In
der Gegend von Strassburg habe ich hier und da ge¬
hört, dass man bey seinem Namen knirscht und be¬
hauptete, er führe allen alten Unfug geradezu wieder
ein, den man auf immer vertrieben zu haben glaubte.
Was ein einziger Mann wieder einfahren kann, ist
wohl eigentlich nicht abgeschafft. Man wollte in der
ersten Konstitution dein König keine ausländische Frau
erlauben, und jetzt haben wir sogar einen fremden
Abentheurer zum König, der willkührlicher mit uns
verfährt als je ein Bourbonide: wer ihm missfällt ist
Verbrecher und ihm missfällt jeder, der selbständige
Freiheit und Vernunft athmet. Er weiss sich vortreff¬
lich die ehemalige Wuth und den Hass der Partheyen
zu Nutze zu machen.

Weiter nach Mainz redete man nichts mehr von
der Republik und den öffentlichen Geschäften, sondern
klagte nur über den Druck und die Malversation der
Kommissäre, und jammerte über die neue Freiheit.
Den Zehnten geben wir nicht mehr, den behalten wir,
sagen die Bauern mit Bitterkeit. Eine grausamere
Aposiopese kann man sich kaum denken, wenn auch
die neun Zehntheile eine grosse Hyperbel sind. Ein
Zeichen, dass die Regierung wenig nach vernünftigen
Grundsätzen verfährt, ist nach meiner Meinung im¬

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sind. Diese wünschen sich ihn vielleicht sehr gern
zum General, aber nicht zum Souverain, wie es das
Ansehen gewinnt. Il fait diablement des choses, ce
petit caporal d' Italie; cela va loin!
sagte man; und
ein Wortspieler, der ein katonischer Republikaner war,
bezeichnete ihn mürrisch mit folgendem Ausdruck:
Bonaparte qui gloriam bene partam male perdit. In
der Gegend von Straſsburg habe ich hier und da ge¬
hört, daſs man bey seinem Namen knirscht und be¬
hauptete, er führe allen alten Unfug geradezu wieder
ein, den man auf immer vertrieben zu haben glaubte.
Was ein einziger Mann wieder einfahren kann, ist
wohl eigentlich nicht abgeschafft. Man wollte in der
ersten Konstitution dein König keine ausländische Frau
erlauben, und jetzt haben wir sogar einen fremden
Abentheurer zum König, der willkührlicher mit uns
verfährt als je ein Bourbonide: wer ihm miſsfällt ist
Verbrecher und ihm miſsfällt jeder, der selbständige
Freiheit und Vernunft athmet. Er weiſs sich vortreff¬
lich die ehemalige Wuth und den Haſs der Partheyen
zu Nutze zu machen.

Weiter nach Mainz redete man nichts mehr von
der Republik und den öffentlichen Geschäften, sondern
klagte nur über den Druck und die Malversation der
Kommissäre, und jammerte über die neue Freiheit.
Den Zehnten geben wir nicht mehr, den behalten wir,
sagen die Bauern mit Bitterkeit. Eine grausamere
Aposiopese kann man sich kaum denken, wenn auch
die neun Zehntheile eine groſse Hyperbel sind. Ein
Zeichen, daſs die Regierung wenig nach vernünftigen
Grundsätzen verfährt, ist nach meiner Meinung im¬

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[479 /0507] sind. Diese wünschen sich ihn vielleicht sehr gern zum General, aber nicht zum Souverain, wie es das Ansehen gewinnt. Il fait diablement des choses, ce petit caporal d' Italie; cela va loin! sagte man; und ein Wortspieler, der ein katonischer Republikaner war, bezeichnete ihn mürrisch mit folgendem Ausdruck: Bonaparte qui gloriam bene partam male perdit. In der Gegend von Straſsburg habe ich hier und da ge¬ hört, daſs man bey seinem Namen knirscht und be¬ hauptete, er führe allen alten Unfug geradezu wieder ein, den man auf immer vertrieben zu haben glaubte. Was ein einziger Mann wieder einfahren kann, ist wohl eigentlich nicht abgeschafft. Man wollte in der ersten Konstitution dein König keine ausländische Frau erlauben, und jetzt haben wir sogar einen fremden Abentheurer zum König, der willkührlicher mit uns verfährt als je ein Bourbonide: wer ihm miſsfällt ist Verbrecher und ihm miſsfällt jeder, der selbständige Freiheit und Vernunft athmet. Er weiſs sich vortreff¬ lich die ehemalige Wuth und den Haſs der Partheyen zu Nutze zu machen. Weiter nach Mainz redete man nichts mehr von der Republik und den öffentlichen Geschäften, sondern klagte nur über den Druck und die Malversation der Kommissäre, und jammerte über die neue Freiheit. Den Zehnten geben wir nicht mehr, den behalten wir, sagen die Bauern mit Bitterkeit. Eine grausamere Aposiopese kann man sich kaum denken, wenn auch die neun Zehntheile eine groſse Hyperbel sind. Ein Zeichen, daſs die Regierung wenig nach vernünftigen Grundsätzen verfährt, ist nach meiner Meinung im¬ 31

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 479 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/507>, abgerufen am 19.04.2024.