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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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das Konsulat nichts, nichts wider das erste Konsulat.
Aber seine Macht war sogleich zu exorbitant, und die
Dauer war nicht mehr republikanisch. Ich gebe zu,
dass die Dauer der römischen Magistraturen von Ei¬
nem Jahre zu kurz war, zumal bey der Unbestimmt¬
heit und Schlaffheit ihrer Gesetze de ambitu; aber die
Dauer der neuen französischen von zehn Jahren war
zu lang. Der letzte Stoss war, dass der alte Konsul
wieder gewählt werden konnte. Ein Mann, der zehn
Jahre lang eine fast gränzenlose Gewalt in den Hän¬
den gehabt hat, müsste ein Blödsinniger oder schon
ein öffentlicher verächtlicher Bösewicht seyn, wenn er
nicht Mittel finden sollte, sich wieder wählen zu lassen,
und sodann nicht Mittel die Wahl zum Vortheil seiner
Kreaturen zu beherrschen. Kleine Bedienungen mö¬
gen und dürfen in einer Republik lebenslänglich seyn;
wenn es aber die grossen sind, geht der Weg zur
Despotie. Das lehrt die Geschichte. Ich hätte nicht
geglaubt, dass es so schnell gehen würde; aber auch
dieses zeigt den Charakter der Nation. Fast sollte
man glauben, die Franzosen seyen zur Despotie ge¬
macht, so kommen sie ihr überall entgegen. Sie ha¬
ben während der ganzen Revolution viel republikani¬
sche Aufwallung, oft republikanischen Enthusiasmus,
zuweilen republikanische Wuth gezeigt, aber selten
republikanischen Sinn und Geist, und noch nie repub¬
likanische Vernunft. Nicht als ob nicht hier und da
einige Männer gewesen wären, die das letzte hatten;
aber der Sturm verschlang sie. Es sind durch diese
Staatsveränderung freylich Ideen in Umlauf gekommen
und furchtbar bis zur Wuth gepredigt worden, die

das Konsulat nichts, nichts wider das erste Konsulat.
Aber seine Macht war sogleich zu exorbitant, und die
Dauer war nicht mehr republikanisch. Ich gebe zu,
daſs die Dauer der römischen Magistraturen von Ei¬
nem Jahre zu kurz war, zumal bey der Unbestimmt¬
heit und Schlaffheit ihrer Gesetze de ambitu; aber die
Dauer der neuen französischen von zehn Jahren war
zu lang. Der letzte Stoſs war, daſs der alte Konsul
wieder gewählt werden konnte. Ein Mann, der zehn
Jahre lang eine fast gränzenlose Gewalt in den Hän¬
den gehabt hat, müſste ein Blödsinniger oder schon
ein öffentlicher verächtlicher Bösewicht seyn, wenn er
nicht Mittel finden sollte, sich wieder wählen zu lassen,
und sodann nicht Mittel die Wahl zum Vortheil seiner
Kreaturen zu beherrschen. Kleine Bedienungen mö¬
gen und dürfen in einer Republik lebenslänglich seyn;
wenn es aber die groſsen sind, geht der Weg zur
Despotie. Das lehrt die Geschichte. Ich hätte nicht
geglaubt, daſs es so schnell gehen würde; aber auch
dieses zeigt den Charakter der Nation. Fast sollte
man glauben, die Franzosen seyen zur Despotie ge¬
macht, so kommen sie ihr überall entgegen. Sie ha¬
ben während der ganzen Revolution viel republikani¬
sche Aufwallung, oft republikanischen Enthusiasmus,
zuweilen republikanische Wuth gezeigt, aber selten
republikanischen Sinn und Geist, und noch nie repub¬
likanische Vernunft. Nicht als ob nicht hier und da
einige Männer gewesen wären, die das letzte hatten;
aber der Sturm verschlang sie. Es sind durch diese
Staatsveränderung freylich Ideen in Umlauf gekommen
und furchtbar bis zur Wuth gepredigt worden, die

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[457 /0485] das Konsulat nichts, nichts wider das erste Konsulat. Aber seine Macht war sogleich zu exorbitant, und die Dauer war nicht mehr republikanisch. Ich gebe zu, daſs die Dauer der römischen Magistraturen von Ei¬ nem Jahre zu kurz war, zumal bey der Unbestimmt¬ heit und Schlaffheit ihrer Gesetze de ambitu; aber die Dauer der neuen französischen von zehn Jahren war zu lang. Der letzte Stoſs war, daſs der alte Konsul wieder gewählt werden konnte. Ein Mann, der zehn Jahre lang eine fast gränzenlose Gewalt in den Hän¬ den gehabt hat, müſste ein Blödsinniger oder schon ein öffentlicher verächtlicher Bösewicht seyn, wenn er nicht Mittel finden sollte, sich wieder wählen zu lassen, und sodann nicht Mittel die Wahl zum Vortheil seiner Kreaturen zu beherrschen. Kleine Bedienungen mö¬ gen und dürfen in einer Republik lebenslänglich seyn; wenn es aber die groſsen sind, geht der Weg zur Despotie. Das lehrt die Geschichte. Ich hätte nicht geglaubt, daſs es so schnell gehen würde; aber auch dieses zeigt den Charakter der Nation. Fast sollte man glauben, die Franzosen seyen zur Despotie ge¬ macht, so kommen sie ihr überall entgegen. Sie ha¬ ben während der ganzen Revolution viel republikani¬ sche Aufwallung, oft republikanischen Enthusiasmus, zuweilen republikanische Wuth gezeigt, aber selten republikanischen Sinn und Geist, und noch nie repub¬ likanische Vernunft. Nicht als ob nicht hier und da einige Männer gewesen wären, die das letzte hatten; aber der Sturm verschlang sie. Es sind durch diese Staatsveränderung freylich Ideen in Umlauf gekommen und furchtbar bis zur Wuth gepredigt worden, die

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 457 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/485>, abgerufen am 16.04.2024.