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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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wohl einige glauben. Der Mann hat mit Liebe viel
schöne Jahre seines Lebens daran gearbeitet, und mit
einer Genauigkeit, wie vielleicht nur wenig militärische
Charten gemacht werden. Die Franzosen haben das
auch gefühlt, und Lecourbe, gegen den der alte Ge¬
neral zuerst eine entschiedene Abneigung zeigte, wuss¬
te durch seine Geschmeidigkeit endlich den guten
Willen des Greises so zu gewinnen, dass er sich als
seinen Schüler ansehen konnte. Die Schule hat ihm
genützt; und es wird allgemein nicht ohne Grund be¬
hauptet, er würde den Krieg in den Bergen nicht so
vortheilhaft gemacht haben ohne des Alten Unterricht.
Die Wachsarbeit ist bekannt: es ist Schade, dass ihn
die Jahre nicht erlauben das Uebrige zu vollenden.
Dieser Krieg hat die Bergbewohner in Erstaunen ge¬
setzt: man hat sich in ihrem Lande in Gegenden ge¬
schlagen, die man durchaus für unzugänglich hielt.
Die Feinde haben Wege gemacht, die nur ihre Gem¬
senjäger vorher machten; vorzüglich die Russen und
die Franzosen. Man hat sich auf einmal überzeugt,
dass die Schweiz bisher vorzüglich nur durch die Ei¬
fersucht der grossen Nachbarn ihr politisches Daseyn
hatte. Die Russen und Franzosen kamen auf Pfaden
in das Murter Thal, die man nur für Steinböcke
gangbar hielt. Die Katholicität scheint in Luzern sehr
gemässigt und freundlich zu seyn. Das Merkwürdigste
für mich war noch, dass mir der Kellner im Gasthofe
erzählte, man habe hier im See zwey und dreyssig
Sorten Forellen, so dass man also bey der kleinsten
Wendung der Windrose eine andere Sorte hat. Dieje¬
nigen welche man mir gab hätten einen Apicius in

wohl einige glauben. Der Mann hat mit Liebe viel
schöne Jahre seines Lebens daran gearbeitet, und mit
einer Genauigkeit, wie vielleicht nur wenig militärische
Charten gemacht werden. Die Franzosen haben das
auch gefühlt, und Lecourbe, gegen den der alte Ge¬
neral zuerst eine entschiedene Abneigung zeigte, wuſs¬
te durch seine Geschmeidigkeit endlich den guten
Willen des Greises so zu gewinnen, daſs er sich als
seinen Schüler ansehen konnte. Die Schule hat ihm
genützt; und es wird allgemein nicht ohne Grund be¬
hauptet, er würde den Krieg in den Bergen nicht so
vortheilhaft gemacht haben ohne des Alten Unterricht.
Die Wachsarbeit ist bekannt: es ist Schade, daſs ihn
die Jahre nicht erlauben das Uebrige zu vollenden.
Dieser Krieg hat die Bergbewohner in Erstaunen ge¬
setzt: man hat sich in ihrem Lande in Gegenden ge¬
schlagen, die man durchaus für unzugänglich hielt.
Die Feinde haben Wege gemacht, die nur ihre Gem¬
senjäger vorher machten; vorzüglich die Russen und
die Franzosen. Man hat sich auf einmal überzeugt,
daſs die Schweiz bisher vorzüglich nur durch die Ei¬
fersucht der groſsen Nachbarn ihr politisches Daseyn
hatte. Die Russen und Franzosen kamen auf Pfaden
in das Murter Thal, die man nur für Steinböcke
gangbar hielt. Die Katholicität scheint in Luzern sehr
gemäſsigt und freundlich zu seyn. Das Merkwürdigste
für mich war noch, daſs mir der Kellner im Gasthofe
erzählte, man habe hier im See zwey und dreyſsig
Sorten Forellen, so daſs man also bey der kleinsten
Wendung der Windrose eine andere Sorte hat. Dieje¬
nigen welche man mir gab hätten einen Apicius in

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[423 /0451] wohl einige glauben. Der Mann hat mit Liebe viel schöne Jahre seines Lebens daran gearbeitet, und mit einer Genauigkeit, wie vielleicht nur wenig militärische Charten gemacht werden. Die Franzosen haben das auch gefühlt, und Lecourbe, gegen den der alte Ge¬ neral zuerst eine entschiedene Abneigung zeigte, wuſs¬ te durch seine Geschmeidigkeit endlich den guten Willen des Greises so zu gewinnen, daſs er sich als seinen Schüler ansehen konnte. Die Schule hat ihm genützt; und es wird allgemein nicht ohne Grund be¬ hauptet, er würde den Krieg in den Bergen nicht so vortheilhaft gemacht haben ohne des Alten Unterricht. Die Wachsarbeit ist bekannt: es ist Schade, daſs ihn die Jahre nicht erlauben das Uebrige zu vollenden. Dieser Krieg hat die Bergbewohner in Erstaunen ge¬ setzt: man hat sich in ihrem Lande in Gegenden ge¬ schlagen, die man durchaus für unzugänglich hielt. Die Feinde haben Wege gemacht, die nur ihre Gem¬ senjäger vorher machten; vorzüglich die Russen und die Franzosen. Man hat sich auf einmal überzeugt, daſs die Schweiz bisher vorzüglich nur durch die Ei¬ fersucht der groſsen Nachbarn ihr politisches Daseyn hatte. Die Russen und Franzosen kamen auf Pfaden in das Murter Thal, die man nur für Steinböcke gangbar hielt. Die Katholicität scheint in Luzern sehr gemäſsigt und freundlich zu seyn. Das Merkwürdigste für mich war noch, daſs mir der Kellner im Gasthofe erzählte, man habe hier im See zwey und dreyſsig Sorten Forellen, so daſs man also bey der kleinsten Wendung der Windrose eine andere Sorte hat. Dieje¬ nigen welche man mir gab hätten einen Apicius in

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 423 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/451>, abgerufen am 28.03.2024.