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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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liche Polizey. Ich hatte in Reggio den Bart machen
lassen, ein reines feines Hemd angezogen, mich ge¬
putzt und gebürstet. Ihre problematischen Landsleute
zwischen Alikata und Terranuova, und ihre nicht
problematischen Landsleute zwischen Gensano und Ari¬
cia hatten zwar bey ihrer braven Visitation einige
Schismen in Rock und Weste gebracht; aber dessen
ungeachtet hatte man noch in Bologna in guter Ge¬
sellschaft meinen Aufzug für sehr honorig erklärt. Ich
zog einige Mal meine goldene Uhr und erbot mich
zehn Louisdor Kaution zu machen, und im Passe war
ich stattlich mit Signor betitelt: nichts, man gestat¬
tete mir kein Quartier in der Stadt. Und nun denkst
Du, dass ich den andern Morgen hinein ging und
mich des fernern erkundigte? Das liess ich hübsch
bleiben. Wenn ich im Himmel abgewiesen werde,
komme ich nicht wieder: diese Ehre erhalten die Par¬
mesaner nicht. Ich ass gut und schlief gut, und
schlug den andern Morgen den Weg nach Piacenza
ein. Man merkte, dass die Leute hier in Parma noch
orthodox und nicht von der Ketzerey ihrer Nachbarn
angesteckt sind; denn ich sah hier wieder viele Dolche
und Schiessgewehre, wie bey den ächten Italiänern
jenseits der Berge. Die Nachtigallen sangen so herr¬
lich und so schmetternd, und ich wunderte mich, wie
sie in der Nähe eines so konfiscierten Orts noch einen
Ton anschlagen konnten. Aber sie schlugen fort und
endlich vergass ich das Eis, den Käse, Bodoni und
Mica, und wandelte auf den Po zu. Ich hatte in Rom
ein herrliches Gemälde von dem Uebergange über den
Fluss aus dem letzten Kriege gesehen: der Künstler

liche Polizey. Ich hatte in Reggio den Bart machen
lassen, ein reines feines Hemd angezogen, mich ge¬
putzt und gebürstet. Ihre problematischen Landsleute
zwischen Alikata und Terranuova, und ihre nicht
problematischen Landsleute zwischen Gensano und Ari¬
cia hatten zwar bey ihrer braven Visitation einige
Schismen in Rock und Weste gebracht; aber dessen
ungeachtet hatte man noch in Bologna in guter Ge¬
sellschaft meinen Aufzug für sehr honorig erklärt. Ich
zog einige Mal meine goldene Uhr und erbot mich
zehn Louisdor Kaution zu machen, und im Passe war
ich stattlich mit Signor betitelt: nichts, man gestat¬
tete mir kein Quartier in der Stadt. Und nun denkst
Du, daſs ich den andern Morgen hinein ging und
mich des fernern erkundigte? Das lieſs ich hübsch
bleiben. Wenn ich im Himmel abgewiesen werde,
komme ich nicht wieder: diese Ehre erhalten die Par¬
mesaner nicht. Ich aſs gut und schlief gut, und
schlug den andern Morgen den Weg nach Piacenza
ein. Man merkte, daſs die Leute hier in Parma noch
orthodox und nicht von der Ketzerey ihrer Nachbarn
angesteckt sind; denn ich sah hier wieder viele Dolche
und Schieſsgewehre, wie bey den ächten Italiänern
jenseits der Berge. Die Nachtigallen sangen so herr¬
lich und so schmetternd, und ich wunderte mich, wie
sie in der Nähe eines so konfiscierten Orts noch einen
Ton anschlagen konnten. Aber sie schlugen fort und
endlich vergaſs ich das Eis, den Käse, Bodoni und
Mica, und wandelte auf den Po zu. Ich hatte in Rom
ein herrliches Gemälde von dem Uebergange über den
Fluſs aus dem letzten Kriege gesehen: der Künstler

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[402 /0430] liche Polizey. Ich hatte in Reggio den Bart machen lassen, ein reines feines Hemd angezogen, mich ge¬ putzt und gebürstet. Ihre problematischen Landsleute zwischen Alikata und Terranuova, und ihre nicht problematischen Landsleute zwischen Gensano und Ari¬ cia hatten zwar bey ihrer braven Visitation einige Schismen in Rock und Weste gebracht; aber dessen ungeachtet hatte man noch in Bologna in guter Ge¬ sellschaft meinen Aufzug für sehr honorig erklärt. Ich zog einige Mal meine goldene Uhr und erbot mich zehn Louisdor Kaution zu machen, und im Passe war ich stattlich mit Signor betitelt: nichts, man gestat¬ tete mir kein Quartier in der Stadt. Und nun denkst Du, daſs ich den andern Morgen hinein ging und mich des fernern erkundigte? Das lieſs ich hübsch bleiben. Wenn ich im Himmel abgewiesen werde, komme ich nicht wieder: diese Ehre erhalten die Par¬ mesaner nicht. Ich aſs gut und schlief gut, und schlug den andern Morgen den Weg nach Piacenza ein. Man merkte, daſs die Leute hier in Parma noch orthodox und nicht von der Ketzerey ihrer Nachbarn angesteckt sind; denn ich sah hier wieder viele Dolche und Schieſsgewehre, wie bey den ächten Italiänern jenseits der Berge. Die Nachtigallen sangen so herr¬ lich und so schmetternd, und ich wunderte mich, wie sie in der Nähe eines so konfiscierten Orts noch einen Ton anschlagen konnten. Aber sie schlugen fort und endlich vergaſs ich das Eis, den Käse, Bodoni und Mica, und wandelte auf den Po zu. Ich hatte in Rom ein herrliches Gemälde von dem Uebergange über den Fluſs aus dem letzten Kriege gesehen: der Künstler

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 402 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/430>, abgerufen am 28.03.2024.