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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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ge; ich fragte und erfuhr, ich müsste zum Thore hin¬
aus, ich dürfte nicht in der Stadt wohnen. Es war
mir gleich aufs Herz gefallen, als ich auf dem Markte
die Grenadiere so entsetzlich schön gepudert sah.
Die Kerle trugen hinten Merleons, so gross wie das
Kattegat. Ich foderte, man sollte mich zum Kom¬
mandanten bringen. Ma, mio caro, non posso mica;
sagte er. Ich drang darauf. Ma, mio caro, non sa¬
pete il servizio; questo, non posso mica. Ich alter
Kriegsknecht musste mir die Sottise gefallen lassen.
Warum hatte ich mich vergessen? Der Mensch hatte
Recht. Wir kamen ans Thor und ich fragte den Of¬
fizier, indem ich ihm meinen Pass wies, ob das eine
humane Art wäre, einen ehrlichen Mann zu behan¬
deln. Er sah mich an, sagte mir höfliche Worte und
berief sich auf Befehl. Ich verlangte noch einmal
zum Kommandanten gebracht zu werden; ich wollte
hier bleiben, ich hätte Geschäfte. Er zuckte die
Schultern; ein alter Sergeant, der ein etwas liberale¬
res Antlitz hatte, meinte, man könnte mich doch hin¬
schicken; der Offizier war unschlüssig: Ma, mio caro,
non possiamo mica, sagte der Gefreyte von der Haupt¬
wache, der noch dabey stand. Der Offizier sagte mir,
er könne mir jetzt nicht helfen, ich könne morgen
wieder herein kommen und dann thun was ich wolle.
Jetzt ging ich trotzig den Weg zum Thore hinaus.
Der Gefreyte hätte keine bessere Charakteristik von
Parma und den Parmesanern geben können: Ma, mio
caro
, non possono mica. Aergerlich und halb lachend
ging ich in ein Wirthshaus eine gute Strecke vor dem
Thore. Das nenne ich mir eine aufmerksame besorg¬

ge; ich fragte und erfuhr, ich müſste zum Thore hin¬
aus, ich dürfte nicht in der Stadt wohnen. Es war
mir gleich aufs Herz gefallen, als ich auf dem Markte
die Grenadiere so entsetzlich schön gepudert sah.
Die Kerle trugen hinten Merleons, so groſs wie das
Kattegat. Ich foderte, man sollte mich zum Kom¬
mandanten bringen. Ma, mio caro, non posso mica;
sagte er. Ich drang darauf. Ma, mio caro, non sa¬
pete il servizio; questo, non posso mica. Ich alter
Kriegsknecht muſste mir die Sottise gefallen lassen.
Warum hatte ich mich vergessen? Der Mensch hatte
Recht. Wir kamen ans Thor und ich fragte den Of¬
fizier, indem ich ihm meinen Paſs wies, ob das eine
humane Art wäre, einen ehrlichen Mann zu behan¬
deln. Er sah mich an, sagte mir höfliche Worte und
berief sich auf Befehl. Ich verlangte noch einmal
zum Kommandanten gebracht zu werden; ich wollte
hier bleiben, ich hätte Geschäfte. Er zuckte die
Schultern; ein alter Sergeant, der ein etwas liberale¬
res Antlitz hatte, meinte, man könnte mich doch hin¬
schicken; der Offizier war unschlüssig: Ma, mio caro,
non possiamo mica, sagte der Gefreyte von der Haupt¬
wache, der noch dabey stand. Der Offizier sagte mir,
er könne mir jetzt nicht helfen, ich könne morgen
wieder herein kommen und dann thun was ich wolle.
Jetzt ging ich trotzig den Weg zum Thore hinaus.
Der Gefreyte hätte keine bessere Charakteristik von
Parma und den Parmesanern geben können: Ma, mio
caro
, non possono mica. Aergerlich und halb lachend
ging ich in ein Wirthshaus eine gute Strecke vor dem
Thore. Das nenne ich mir eine aufmerksame besorg¬

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[401 /0429] ge; ich fragte und erfuhr, ich müſste zum Thore hin¬ aus, ich dürfte nicht in der Stadt wohnen. Es war mir gleich aufs Herz gefallen, als ich auf dem Markte die Grenadiere so entsetzlich schön gepudert sah. Die Kerle trugen hinten Merleons, so groſs wie das Kattegat. Ich foderte, man sollte mich zum Kom¬ mandanten bringen. Ma, mio caro, non posso mica; sagte er. Ich drang darauf. Ma, mio caro, non sa¬ pete il servizio; questo, non posso mica. Ich alter Kriegsknecht muſste mir die Sottise gefallen lassen. Warum hatte ich mich vergessen? Der Mensch hatte Recht. Wir kamen ans Thor und ich fragte den Of¬ fizier, indem ich ihm meinen Paſs wies, ob das eine humane Art wäre, einen ehrlichen Mann zu behan¬ deln. Er sah mich an, sagte mir höfliche Worte und berief sich auf Befehl. Ich verlangte noch einmal zum Kommandanten gebracht zu werden; ich wollte hier bleiben, ich hätte Geschäfte. Er zuckte die Schultern; ein alter Sergeant, der ein etwas liberale¬ res Antlitz hatte, meinte, man könnte mich doch hin¬ schicken; der Offizier war unschlüssig: Ma, mio caro, non possiamo mica, sagte der Gefreyte von der Haupt¬ wache, der noch dabey stand. Der Offizier sagte mir, er könne mir jetzt nicht helfen, ich könne morgen wieder herein kommen und dann thun was ich wolle. Jetzt ging ich trotzig den Weg zum Thore hinaus. Der Gefreyte hätte keine bessere Charakteristik von Parma und den Parmesanern geben können: Ma, mio caro, non possono mica. Aergerlich und halb lachend ging ich in ein Wirthshaus eine gute Strecke vor dem Thore. Das nenne ich mir eine aufmerksame besorg¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 401 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/429>, abgerufen am 29.03.2024.