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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Felsen lag und der Wagen nicht anhalten wollte. Nun
hatten wir von den Oelbäumen Abschied genommen;
auf dieser Seite des Apennins sind sie nicht mehr zu
finden. Auf der Südseite sind Oelbäume, auf der
Nordseite nach Bologna herüber Kastanien. Man
kommt nun wieder dem lieben Vaterlande näher; alles
gewinnt diesseit des Bergs schon eine etwas mehr nörd¬
liche Gestalt. Mein alter gelehrter Cicerone in Bo¬
logna hatte eine grosse Freude mich glücklich wieder
zu sehen; und ich lief mit ihm so viel herum, als
man in zwey Tagen laufen konnte. Aber der Schwei¬
zer Kriegskommissär führte mich mehr in die Kaffee¬
häuser als in die Museen. Ein pohlnischer Haupt¬
mann von der Legion, der, wie ich in Mailand fand,
sich selbst einige Grade avanciert und hier geheirathet
hatte, schloss sich geflissentlich an uns an und freute sich
mit Deutschen deutsch zu plaudern: denn er war lange
kaiserlicher Unteroffizier gewesen. Der Mensch sagte,
er sey in seinem Leben kein Republikaner gewesen,
das liess sich von einem pohlnischen Edelmann sehr
leicht denken, und er sey nun froh, dass die H--e
von Freyheit nach und nach wieder abgeschaft werde.
Man hatte eben das Wappen über dem Generalzoll¬
hause geändert, und anstatt der Freyheit die Gerech¬
tigkeit hingesetzt; welches eigentlich eins ist. Die
wahre Freyheit ist nichts anders als Gerechtigkeit: nur
behüte uns der Himmel vor Freyheiten und Gerech¬
tigkeiten. Sodann erhob er die Tapferkeit und die
Kriegszucht der Pohlen, von der ich selbst Beweise
hatte, und an welcher ich also nicht zweifelte.

Von allen Merkwürdigkeiten, die ich in Bologna

Felsen lag und der Wagen nicht anhalten wollte. Nun
hatten wir von den Oelbäumen Abschied genommen;
auf dieser Seite des Apennins sind sie nicht mehr zu
finden. Auf der Südseite sind Oelbäume, auf der
Nordseite nach Bologna herüber Kastanien. Man
kommt nun wieder dem lieben Vaterlande näher; alles
gewinnt diesseit des Bergs schon eine etwas mehr nörd¬
liche Gestalt. Mein alter gelehrter Cicerone in Bo¬
logna hatte eine groſse Freude mich glücklich wieder
zu sehen; und ich lief mit ihm so viel herum, als
man in zwey Tagen laufen konnte. Aber der Schwei¬
zer Kriegskommissär führte mich mehr in die Kaffee¬
häuser als in die Museen. Ein pohlnischer Haupt¬
mann von der Legion, der, wie ich in Mailand fand,
sich selbst einige Grade avanciert und hier geheirathet
hatte, schloſs sich geflissentlich an uns an und freute sich
mit Deutschen deutsch zu plaudern: denn er war lange
kaiserlicher Unteroffizier gewesen. Der Mensch sagte,
er sey in seinem Leben kein Republikaner gewesen,
das lieſs sich von einem pohlnischen Edelmann sehr
leicht denken, und er sey nun froh, daſs die H—e
von Freyheit nach und nach wieder abgeschaft werde.
Man hatte eben das Wappen über dem Generalzoll¬
hause geändert, und anstatt der Freyheit die Gerech¬
tigkeit hingesetzt; welches eigentlich eins ist. Die
wahre Freyheit ist nichts anders als Gerechtigkeit: nur
behüte uns der Himmel vor Freyheiten und Gerech¬
tigkeiten. Sodann erhob er die Tapferkeit und die
Kriegszucht der Pohlen, von der ich selbst Beweise
hatte, und an welcher ich also nicht zweifelte.

Von allen Merkwürdigkeiten, die ich in Bologna

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[397 /0425] Felsen lag und der Wagen nicht anhalten wollte. Nun hatten wir von den Oelbäumen Abschied genommen; auf dieser Seite des Apennins sind sie nicht mehr zu finden. Auf der Südseite sind Oelbäume, auf der Nordseite nach Bologna herüber Kastanien. Man kommt nun wieder dem lieben Vaterlande näher; alles gewinnt diesseit des Bergs schon eine etwas mehr nörd¬ liche Gestalt. Mein alter gelehrter Cicerone in Bo¬ logna hatte eine groſse Freude mich glücklich wieder zu sehen; und ich lief mit ihm so viel herum, als man in zwey Tagen laufen konnte. Aber der Schwei¬ zer Kriegskommissär führte mich mehr in die Kaffee¬ häuser als in die Museen. Ein pohlnischer Haupt¬ mann von der Legion, der, wie ich in Mailand fand, sich selbst einige Grade avanciert und hier geheirathet hatte, schloſs sich geflissentlich an uns an und freute sich mit Deutschen deutsch zu plaudern: denn er war lange kaiserlicher Unteroffizier gewesen. Der Mensch sagte, er sey in seinem Leben kein Republikaner gewesen, das lieſs sich von einem pohlnischen Edelmann sehr leicht denken, und er sey nun froh, daſs die H—e von Freyheit nach und nach wieder abgeschaft werde. Man hatte eben das Wappen über dem Generalzoll¬ hause geändert, und anstatt der Freyheit die Gerech¬ tigkeit hingesetzt; welches eigentlich eins ist. Die wahre Freyheit ist nichts anders als Gerechtigkeit: nur behüte uns der Himmel vor Freyheiten und Gerech¬ tigkeiten. Sodann erhob er die Tapferkeit und die Kriegszucht der Pohlen, von der ich selbst Beweise hatte, und an welcher ich also nicht zweifelte. Von allen Merkwürdigkeiten, die ich in Bologna

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 397 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/425>, abgerufen am 24.04.2024.