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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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also in der Geschwindigkeit nicht gefunden. Die Kerle
sahen grässlich aus wie ihr Handwerk; keiner war,
nach meiner Taxe, unter zwanzig und keiner über
dreissig. Sie hatten sich gemalt und trugen falsche
Bärte; ein Beweiss, dass sie aus der Gegend waren und
Entdeckung fürchteten. Reinhart traf ich in Aricia
nicht; er war noch in Rom. So hätte ich wohl noch
leicht in der schönen klassischen Gegend bleiben kön¬
nen. Dort spielt ein Theil der Aeneide, und nach
aller Topographie bezahlten daselbst Lausus und Eu¬
ryalus ihre jugendliche Unbesonnenheit: nicht eben,
dass sie gingen, sondern dass sie unterwegs so alberne
Streiche machten, die kein preussischer Rekrut machen
würde. Wer wird einen schön polierten glänzenden
Helm aufsetzen, um versteckt zu bleiben? Herr Virgil
hat sie bloss der schönen Episode wegen so ganz un¬
überlegt handeln lassen.

Hier in Rom brachte man mir die tröstliche Nach¬
richt, dass zwey von den Schurken, die mich in dem
Walde geplündert hätten, erwischt wären, und dass
ich vielleicht noch das Vergnügen haben würde sie
hängen zu sehen. Dawider habe ich weiter nichts,
als dass es bey der jetzigen ungeheuern Unordnung
der Dinge sehr wenig helfen wird. Ich habe hier et¬
was von einem Manuscript gesehen, das in kurzem in
Deutschland, wenn ich nicht irre bey Perthes, gedruckt
werden soll, und das ein Gemälde vom jetzigen Rom
enthält. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage,
dass fast alles darin noch sehr sanft gezeichnet ist. Der
Mann kann auf alle Fälle kompetenter Beurtheiler
seyn; denn er ist lange hier, ist ein freyer, unbefan¬

also in der Geschwindigkeit nicht gefunden. Die Kerle
sahen gräſslich aus wie ihr Handwerk; keiner war,
nach meiner Taxe, unter zwanzig und keiner über
dreiſsig. Sie hatten sich gemalt und trugen falsche
Bärte; ein Beweiſs, daſs sie aus der Gegend waren und
Entdeckung fürchteten. Reinhart traf ich in Aricia
nicht; er war noch in Rom. So hätte ich wohl noch
leicht in der schönen klassischen Gegend bleiben kön¬
nen. Dort spielt ein Theil der Aeneide, und nach
aller Topographie bezahlten daselbst Lausus und Eu¬
ryalus ihre jugendliche Unbesonnenheit: nicht eben,
daſs sie gingen, sondern daſs sie unterwegs so alberne
Streiche machten, die kein preuſsischer Rekrut machen
würde. Wer wird einen schön polierten glänzenden
Helm aufsetzen, um versteckt zu bleiben? Herr Virgil
hat sie bloſs der schönen Episode wegen so ganz un¬
überlegt handeln lassen.

Hier in Rom brachte man mir die tröstliche Nach¬
richt, daſs zwey von den Schurken, die mich in dem
Walde geplündert hätten, erwischt wären, und daſs
ich vielleicht noch das Vergnügen haben würde sie
hängen zu sehen. Dawider habe ich weiter nichts,
als daſs es bey der jetzigen ungeheuern Unordnung
der Dinge sehr wenig helfen wird. Ich habe hier et¬
was von einem Manuscript gesehen, das in kurzem in
Deutschland, wenn ich nicht irre bey Perthes, gedruckt
werden soll, und das ein Gemälde vom jetzigen Rom
enthält. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage,
daſs fast alles darin noch sehr sanft gezeichnet ist. Der
Mann kann auf alle Fälle kompetenter Beurtheiler
seyn; denn er ist lange hier, ist ein freyer, unbefan¬

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[363 /0391] also in der Geschwindigkeit nicht gefunden. Die Kerle sahen gräſslich aus wie ihr Handwerk; keiner war, nach meiner Taxe, unter zwanzig und keiner über dreiſsig. Sie hatten sich gemalt und trugen falsche Bärte; ein Beweiſs, daſs sie aus der Gegend waren und Entdeckung fürchteten. Reinhart traf ich in Aricia nicht; er war noch in Rom. So hätte ich wohl noch leicht in der schönen klassischen Gegend bleiben kön¬ nen. Dort spielt ein Theil der Aeneide, und nach aller Topographie bezahlten daselbst Lausus und Eu¬ ryalus ihre jugendliche Unbesonnenheit: nicht eben, daſs sie gingen, sondern daſs sie unterwegs so alberne Streiche machten, die kein preuſsischer Rekrut machen würde. Wer wird einen schön polierten glänzenden Helm aufsetzen, um versteckt zu bleiben? Herr Virgil hat sie bloſs der schönen Episode wegen so ganz un¬ überlegt handeln lassen. Hier in Rom brachte man mir die tröstliche Nach¬ richt, daſs zwey von den Schurken, die mich in dem Walde geplündert hätten, erwischt wären, und daſs ich vielleicht noch das Vergnügen haben würde sie hängen zu sehen. Dawider habe ich weiter nichts, als daſs es bey der jetzigen ungeheuern Unordnung der Dinge sehr wenig helfen wird. Ich habe hier et¬ was von einem Manuscript gesehen, das in kurzem in Deutschland, wenn ich nicht irre bey Perthes, gedruckt werden soll, und das ein Gemälde vom jetzigen Rom enthält. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage, daſs fast alles darin noch sehr sanft gezeichnet ist. Der Mann kann auf alle Fälle kompetenter Beurtheiler seyn; denn er ist lange hier, ist ein freyer, unbefan¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 363 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/391>, abgerufen am 19.04.2024.