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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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doch nicht einmal heraus bringen, ob es nur griechi¬
chische Lettern waren. Vielleicht ist es altes phönizi¬
sches Griechisch, und in diesem Falle vielleicht eins
der ältesten Monumente. Schrift und Marmor haben
sehr gelitten, da sie so lange unter der Erde gelegen
haben. Das Stück ist, so viel ich weiss, noch nicht
bekannt, und wird sorgfältig aufgehoben. Ich em¬
pfehle es Männern, die gelehrter sind als ich; da es
doch vielleicht für irgend einen Punkt der Geschichte
nicht unwichtig ist.

Die Herren des Klosters luden mich ein zum
Fasttage bey ihnen zu essen. Dieses ist die einzige
Mahlzeit, die ich in Italien bey Italiänern genossen ha¬
be; und sie war stattlich. Von den übrigen Herren
habe ich viel Höflichkeit erhalten, aber nichts zu es¬
sen. Das ist nun so die italiänische Weise, die ich
weder loben noch tadeln will. Das Kloster bestand
nur aus wenigen Geistlichen: der Layenbrüder, welche
die Bedienten machten, waren mehr. Man gab mir
den Ehrenplatz und war sehr artig und ich sollte dank¬
bar seyn: aber erst für Humanität -- magis amica ve¬
ritas
. Ich habe mir die Gerichte gemerkt, und muss
sie Dir hier nennen, damit Du siehst, wie man an
einem sicilischen Klostertische fastet. Zum Eingang
kam eine Suppe mit jungen Erbsen und jungem Kohl¬
raby; sodann kamen Makkaronen mit Käse; sodann
eine Pastete von Sardellen, Oliven, Kapern und star¬
ken aromatischen Kräutern; ferner ein Kompott von
Oliven, Limonen und Gewürz; ferner einige grosse
herrliche goldgelbe Fische aus der See, die ich für die
beste Art von Börsen hielt; weiter hochgewürzte vor¬

doch nicht einmal heraus bringen, ob es nur griechi¬
chische Lettern waren. Vielleicht ist es altes phönizi¬
sches Griechisch, und in diesem Falle vielleicht eins
der ältesten Monumente. Schrift und Marmor haben
sehr gelitten, da sie so lange unter der Erde gelegen
haben. Das Stück ist, so viel ich weiſs, noch nicht
bekannt, und wird sorgfältig aufgehoben. Ich em¬
pfehle es Männern, die gelehrter sind als ich; da es
doch vielleicht für irgend einen Punkt der Geschichte
nicht unwichtig ist.

Die Herren des Klosters luden mich ein zum
Fasttage bey ihnen zu essen. Dieses ist die einzige
Mahlzeit, die ich in Italien bey Italiänern genossen ha¬
be; und sie war stattlich. Von den übrigen Herren
habe ich viel Höflichkeit erhalten, aber nichts zu es¬
sen. Das ist nun so die italiänische Weise, die ich
weder loben noch tadeln will. Das Kloster bestand
nur aus wenigen Geistlichen: der Layenbrüder, welche
die Bedienten machten, waren mehr. Man gab mir
den Ehrenplatz und war sehr artig und ich sollte dank¬
bar seyn: aber erst für Humanität — magis amica ve¬
ritas
. Ich habe mir die Gerichte gemerkt, und muſs
sie Dir hier nennen, damit Du siehst, wie man an
einem sicilischen Klostertische fastet. Zum Eingang
kam eine Suppe mit jungen Erbsen und jungem Kohl¬
raby; sodann kamen Makkaronen mit Käse; sodann
eine Pastete von Sardellen, Oliven, Kapern und star¬
ken aromatischen Kräutern; ferner ein Kompott von
Oliven, Limonen und Gewürz; ferner einige groſse
herrliche goldgelbe Fische aus der See, die ich für die
beste Art von Börsen hielt; weiter hochgewürzte vor¬

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[303/0329] doch nicht einmal heraus bringen, ob es nur griechi¬ chische Lettern waren. Vielleicht ist es altes phönizi¬ sches Griechisch, und in diesem Falle vielleicht eins der ältesten Monumente. Schrift und Marmor haben sehr gelitten, da sie so lange unter der Erde gelegen haben. Das Stück ist, so viel ich weiſs, noch nicht bekannt, und wird sorgfältig aufgehoben. Ich em¬ pfehle es Männern, die gelehrter sind als ich; da es doch vielleicht für irgend einen Punkt der Geschichte nicht unwichtig ist. Die Herren des Klosters luden mich ein zum Fasttage bey ihnen zu essen. Dieses ist die einzige Mahlzeit, die ich in Italien bey Italiänern genossen ha¬ be; und sie war stattlich. Von den übrigen Herren habe ich viel Höflichkeit erhalten, aber nichts zu es¬ sen. Das ist nun so die italiänische Weise, die ich weder loben noch tadeln will. Das Kloster bestand nur aus wenigen Geistlichen: der Layenbrüder, welche die Bedienten machten, waren mehr. Man gab mir den Ehrenplatz und war sehr artig und ich sollte dank¬ bar seyn: aber erst für Humanität — magis amica ve¬ ritas. Ich habe mir die Gerichte gemerkt, und muſs sie Dir hier nennen, damit Du siehst, wie man an einem sicilischen Klostertische fastet. Zum Eingang kam eine Suppe mit jungen Erbsen und jungem Kohl¬ raby; sodann kamen Makkaronen mit Käse; sodann eine Pastete von Sardellen, Oliven, Kapern und star¬ ken aromatischen Kräutern; ferner ein Kompott von Oliven, Limonen und Gewürz; ferner einige groſse herrliche goldgelbe Fische aus der See, die ich für die beste Art von Börsen hielt; weiter hochgewürzte vor¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/329>, abgerufen am 29.03.2024.