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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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von hier hat der Prinz Biscaris seine besten Schätze
gezogen. Auch hier ist ein Aquedukt des Amenanus,
aber sehr verschüttet. Nicht weit davon ist ein altes
Odeum, das jetzt zu Privatwohnungen verbauet ist.
Die Kommission der Alterthümer hat aber nun die
Oberaufsicht, und kein Eigenthümer darf ohne ihre
Erlaubniss einen Stein regen.

Das Kloster und die Kirche der reichen Benedik¬
tiner sind so gut als man eine schlechte Sache machen
kann. Die Kirche gilt für die grösste in ganz Sicilien
und ist noch nicht ausgebaut; an der Fassade fehlt
noch viel. Sie mag dessen ungeachtet wohl die schön¬
ste seyn. Die Gemälde in derselben sind nicht ohne
Werth, und die Stücke eines Eingebornen, des Mo¬
realese, werden billig geschätzt. Am meisten thut
man sich auf die Orgel zu gute, die vor ungefähr
zwanzig Jahren von Don Donato del Piano gebauet
worden ist. Er hat auch eine in Sankt Martin bey
Palermo gebaut; aber diese hier soll, wie die Katanier
behaupten, weit vorzüglicher seyn. Man hatte die
wirklich ausgezeichnete Humanität, sie für einige Frem¬
de nach dem Gottesdienste noch lange spielen zu las¬
sen; und ich glaube selbst in Rom keine bessere ge¬
hört zu haben. Schwerlich findet man eine grössere
Stärke, Reinheit und Verschiedenheit. Einige kleine
Spielwerke für die Mönche sind freylich dabey, die
durchaus alle Instrumente in einem einzigen haben
wollen: aber das Echo ist wirklich ein Meisterstück;
ich habe es noch in keiner Musik so magisch gehört.
Die Abenddämmerung in der grossen schönen Kirche,
und dann die feyerlich schaurige Beleuchtung wirkten

von hier hat der Prinz Biscaris seine besten Schätze
gezogen. Auch hier ist ein Aquedukt des Amenanus,
aber sehr verschüttet. Nicht weit davon ist ein altes
Odeum, das jetzt zu Privatwohnungen verbauet ist.
Die Kommission der Alterthümer hat aber nun die
Oberaufsicht, und kein Eigenthümer darf ohne ihre
Erlaubniſs einen Stein regen.

Das Kloster und die Kirche der reichen Benedik¬
tiner sind so gut als man eine schlechte Sache machen
kann. Die Kirche gilt für die gröſste in ganz Sicilien
und ist noch nicht ausgebaut; an der Faſsade fehlt
noch viel. Sie mag dessen ungeachtet wohl die schön¬
ste seyn. Die Gemälde in derselben sind nicht ohne
Werth, und die Stücke eines Eingebornen, des Mo¬
realese, werden billig geschätzt. Am meisten thut
man sich auf die Orgel zu gute, die vor ungefähr
zwanzig Jahren von Don Donato del Piano gebauet
worden ist. Er hat auch eine in Sankt Martin bey
Palermo gebaut; aber diese hier soll, wie die Katanier
behaupten, weit vorzüglicher seyn. Man hatte die
wirklich ausgezeichnete Humanität, sie für einige Frem¬
de nach dem Gottesdienste noch lange spielen zu las¬
sen; und ich glaube selbst in Rom keine bessere ge¬
hört zu haben. Schwerlich findet man eine gröſsere
Stärke, Reinheit und Verschiedenheit. Einige kleine
Spielwerke für die Mönche sind freylich dabey, die
durchaus alle Instrumente in einem einzigen haben
wollen: aber das Echo ist wirklich ein Meisterstück;
ich habe es noch in keiner Musik so magisch gehört.
Die Abenddämmerung in der groſsen schönen Kirche,
und dann die feyerlich schaurige Beleuchtung wirkten

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[276/0302] von hier hat der Prinz Biscaris seine besten Schätze gezogen. Auch hier ist ein Aquedukt des Amenanus, aber sehr verschüttet. Nicht weit davon ist ein altes Odeum, das jetzt zu Privatwohnungen verbauet ist. Die Kommission der Alterthümer hat aber nun die Oberaufsicht, und kein Eigenthümer darf ohne ihre Erlaubniſs einen Stein regen. Das Kloster und die Kirche der reichen Benedik¬ tiner sind so gut als man eine schlechte Sache machen kann. Die Kirche gilt für die gröſste in ganz Sicilien und ist noch nicht ausgebaut; an der Faſsade fehlt noch viel. Sie mag dessen ungeachtet wohl die schön¬ ste seyn. Die Gemälde in derselben sind nicht ohne Werth, und die Stücke eines Eingebornen, des Mo¬ realese, werden billig geschätzt. Am meisten thut man sich auf die Orgel zu gute, die vor ungefähr zwanzig Jahren von Don Donato del Piano gebauet worden ist. Er hat auch eine in Sankt Martin bey Palermo gebaut; aber diese hier soll, wie die Katanier behaupten, weit vorzüglicher seyn. Man hatte die wirklich ausgezeichnete Humanität, sie für einige Frem¬ de nach dem Gottesdienste noch lange spielen zu las¬ sen; und ich glaube selbst in Rom keine bessere ge¬ hört zu haben. Schwerlich findet man eine gröſsere Stärke, Reinheit und Verschiedenheit. Einige kleine Spielwerke für die Mönche sind freylich dabey, die durchaus alle Instrumente in einem einzigen haben wollen: aber das Echo ist wirklich ein Meisterstück; ich habe es noch in keiner Musik so magisch gehört. Die Abenddämmerung in der groſsen schönen Kirche, und dann die feyerlich schaurige Beleuchtung wirkten

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/302>, abgerufen am 25.04.2024.